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Rotblau schafft Grünen Chancen

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Welche Hoffnungen setzen die Grünen in die Koalitionsregierung Sinowatz/ Steger? Alexander Toll- manns Nachfolger traut den Worten nicht. Und er wittert grüne Chancen.

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Welche Hoffnungen setzen die Grünen in die Koalitionsregierung Sinowatz/ Steger? Alexander Toll- manns Nachfolger traut den Worten nicht. Und er wittert grüne Chancen.

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Die von den Vereinten Grünen am 24. April nicht übersprungene Hürde in den Nationalrat hat ohne Zweifel auch positive Auswirkungen auf die grüne Bewegung selbst. Frei von Karrieremöglichkeiten teilt sich nun der Spreu vom Weizen.

Wer Karriere machen wollte, wird enttäuscht sein; wer an der Sache selbst interessiert ist, kann zumindest darüber zufrieden sein, daß der Umweltschutzgedanke und alternative Ideen noch niemals so große Publizität erhalten haben wie in diesem vergangenen Wahlkampf. Keine politisehe Partei kann an diesetai Gedankengut mehr vorbei. Und die nicht ins Parlament eingezogenen Vereinten Grünen müssen nun außerparlamentarisch dafür sorgen, daß den Worten etablierter Politiker Taten folgen.

Obwohl das Umweltbewußtsein auch in Österreich — nicht zuletzt dank der Medien — stärker geworden ist, ist es — etwa mit jenem in der Bundesrepublik Deutschland verglichen — noch sehr bescheiden.

Dies bezieht sich weniger auf die Anzahl der „infizierten“ Personen, sondern mehr auf die Tiefe der^ Argumente. So ist beispielsweise in Deutschland die Giftigkeit von Dioxin Und anderen Produkten wesentlich tiefer im Bewußtsein als in Österreich.

Damit ist es für die Grünen häufig recht schwer, fachlich nicht ganz einfache chemische Zusam menhänge der Bevölkerung nahezubringen und die Tragweite für jeden einzelnen Bürger bewußtzumachen. In diesem Bereich kämpfen wir gegen eine Industrie, die Milliarden für die Werbung ausgeben kann und recht raffinierte Bedürfnisse erweckt, die zwar Gewinn bringen, aber mit Schaden für den einzelnen und die Gesellschaft.

Die Grünen haben dennoch beste Zukunftsphancen, unabhängig davon, in welchem politischen Lager sie stehen. Und natürlich gibt es in jedem Lager Grüne — nur ist es ein typisch österreichisches Phänomen, daß Parteitreue letztlich höher geschätzt wird als hochrangige Ziele, die die Parteien nicht erfüllen.

Viele Österreicher haben bei der letzten Nationairatswahl gemeint, die Grünen würden ohnehin den Einzug ins Parlament schaffen, „ich brauch’ sie daher selbst eh nicht wählen“; und nicht wenige sind deshalb jetzt enttäuscht.

Die Großparteien „erleichtern“ es ihren Wählern, ihnen auch weiterhin ihre Stimme zu geben. Sie reduzieren die Gewissensnot des Bürgers zwischen Umweltanliegen und Parteitreue auf bekannte Art: Sie führen einen heftigen verbalen Kampf für den Umweltschutz und hoffen, daß der Bürger nicht in der Lage ist, zwischen Worten und Taten zu unterscheiden. Hier werden wir Grüne sehr genau aufpassen und die Widersprüche aufzeigen.

Wir erwarten auch für die Zukunft dieser Legislaturperiode heftige Verbalkämpfe, die den Eindruck erwecken sollen, daß jetzt wirklich viel für den Umweltschutz geschehe.

Wir wollen sie aber an ihren Taten erkennen. Daher haben wir für verschiedene Regionen einen Zielkatalog erstellt; danach werden wir urteilen, was tatsächlich getan wird. Reden allein genügt nicht, die Erstellung wissenschaftlicher Gutachten wie Messungen von Umweltbelastungen auch nicht. ^

Wir nehmen an, die Freiheitli^ chen haben erkannt, daß ihre derzeitige Repräsentanz in Regierung und Parlament in keinem Einklang zur Größe ihres Wähler-' potentials steht. Die FPÖ hätte daher gar keine andere Chance, als sich dem Umweltschutz zu verschreiben. Aber sehr viele Industrielle und Manager, so scheint es, bremsen ihr vermutliches Wollen. Selbst wenn einige Freiheitliche wpllten, können sie nicht (mehr): Verstrickt in Koalition, Vorstands- und Aufsichtsratsposten, bleiben nur weiche Kompromisse.

Von der SPÖ ist in Sachen Umweltschutz nicht allzuviel zu erwarten. Trotz des engagierten Umweltministers Kurt Steyrer wiegt das gestörte Verhältnis des ÖGB zum Umweltschutz ' zu schwer. Mit der simplen Suggestivfrage „Wollt ihr mehr Arbeitsplätze — oder Umweltschutz?“ werden noch immer Wähler geködert, Gegensätze, die keine sind, werden gepflegt.

Hingegen zeigt sich bei Zwentendorf auch bei der ÖVP der Unterschied zwischen Worten und Taten: Als es opportun war, war sie gegen das Atomkraftwerk. Jetzt werden plötzlich wieder einmal sogenannte Wirtschaftlichkeitsargumente entdeckt, die eine Inbetriebnahme so ganz doch nicht ausschließen. Dabei erstickt Österreich nahezu in Strom.

Welche Zukunft haben da die Grünen?

Die grüne Bewegung wird ein fester Bestandteil der österreichischen Parteienlandschaft werden. Der Weg ist vorgezeichnet. Denn die derzeit im Parlament vertretenen Parteien werden nicht in der Lage sein, gerade die ökologische Frage in ihrer ganzen Bandbreite zu lösen: weil sie den Wachstumsgla'uben nicht ablegen können.

Wachsen wird dabei nur mehr eines: die Umweltzerstörung. Immer mehr Menschen werden sie erkennen, immer mehr werden sich von ihr bedroht fühlen. Sie werden dagegen aufstehen, werden sich wehren.

Ich habe auch keine Hoffnung, daß die Vertreter der etablierten Parteien in ausreichendem Maß auf ihre Privilegien verzichten. Der Bürger wird dies, gerade in Zeiten, wo man ihm neue Lasten aufbürdet, registrieren — und sich wehren.

Und er wird, allen Beteuerungen zum Trotz, gerade in Zeiten der Rezession die Parteibuchknute sowie die damit verbundene jämmerliche Abhängigkeit von den Apparaten spüren. Auch dagegen wird er sich wehren.

Deshalb bin ich überzeugt: Grün wird auch in der Politik die Farbe der Hoffnung werden.

Der Autor, Vizebürgermeister von Steyregg, an der Spitze einer Bürgerinitiative, ist geschäftsführender Bundesvorsitzender der Vereinten Grünen.

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