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Rote Karte

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Vorige Woche „überraschte” Finanzminister Ferdinand Lacina die Öffentlichkeit mit den Ergebnissen einer hauseigenen Untersuchung, wonach die besser verdienenden Steuerzahler mehr Gebrauch von Steuerbegünstigungen (Sonderausgaben, et cetera) machen als die Bezieher niedriger Einkommen. Bewußt oder unbewußt wurde dabei auch der Eindruck erweckt, daß in der Praxis die Bezieher hoher Einkommen weniger Steuer zahlen als die Kleinverdiener. (Die ,AZ” schrieb dies prompt expressis verbis in einem Kommentar.)

Dafür gebührt dem sonst so um Sachlichkeit bemühten Finanzminister die rote Karte. Einmal davon abgesehen, daß es sich dabei um, wie Kurt Horwitz in der ,J?resse” treffend kommentiert, JVb na-Ergebnisse” handelt — was bitte soll daran so schrecklich ungerecht sein, daß bei Einkommen bis zu 100.000 Schilling pro Jahr nur zehn Prozent die Uberstundenbegünstigung in Anspruch nehmen, in den obersten Einkommenskategorien aber 80 Prozent? Hängt das, verehrter Herr Finanzminister, nicht schlicht und einfach auch mit dem Umstand zusammen, daß in diese Einkommenskategorie sehr viele Teilzeitbeschäftigte fallen, wo es naturgemäß nur in Ausnahmefällen zur Uberstundenleistung kommt? Wie viele Arbeitnehmer verdienen wohl weniger als 7142 Schilling pro Monat f= 100.000 Schilling Jahreseinkommen dividiert durch 14 Bezüge) für 40 Stunden Wochenarbeitszeit ?

Und daß nur fünf Prozent der unteren Einkommensbezieher Sonderausgaben (also zum Beispiel für Lebensversicherungen, Genußscheine, junge Aktien) für sich beanspruchen, hängt ja wohl auch weniger mit der Lust des Gesetzgebers an der Ausbeutung der sozial Schwachen zusammen als vielmehr damit, daß sich viele dieser Geldanlegesysteme erst bei sehr hohen (Grenz-)Steuersätzen rechnen.

Daß die Sonderausgaben immerhin von etwa der Hälfte der Steuerpflichtigen sinnvoll genützt werden können, kann ja auch so interpretiert werden: Offenkundig zahlt nicht nur eine kleine Einkommenselite, sondern bereits der Durchschnittsverdiener Spitzensteuersätze.

Ganz klar muß an dieser Stelle aber einmal festgehalten werden: Auch bei hemmungsloser Ausnützung aller Steuerminderungsmöglichkeiten zahlt der Bezieher einer 100.000-Schilling-Mo-natsgage (zu Recht) immer noch ein Vielfaches an Lohnsteuer dessen, was der Bezieher eines lOOMO-Schilling-Jahreseinkommens abliefern muß. Man sollte auch in der Steuerreformdiskussion die Kirche im Dorf lassen und die psychologisch ohnehin heikle Ausgangssituation nicht leichtfertig aufheizen.

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