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Roter Talar

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Während noch auf Bundesebene — animiert durch die Nachrichtenarmut der Sommerzeit;— über eine Krise im Bündnis von SPD und FDP gemunkelt wurde, platzte kürzlich im wichtigsten Bundesland der Bundesrepublik, in Nordrhein-Westfalen, die Bombe: SPD Und FDP gerieten in einen Konflikt, ausgelöst durch die Ernennung des DKP-Mitgliedes Volker Götz zum Richter auf Probe durch den SPD-Justizminister Posser. Mit dieser Entscheidung Possers, getroffen während der Abwesenheit von Ministerpräsident Heinz Kühn, wurde neben dem Koalitionsstreit noch ein weiterer Konflikt erneut angeheizt, nämlich die Auseinandersetzung um die Beschäftigung von Mitgliedern extremistischer Organisationen im öffentlichen Dienst.

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Während noch auf Bundesebene — animiert durch die Nachrichtenarmut der Sommerzeit;— über eine Krise im Bündnis von SPD und FDP gemunkelt wurde, platzte kürzlich im wichtigsten Bundesland der Bundesrepublik, in Nordrhein-Westfalen, die Bombe: SPD Und FDP gerieten in einen Konflikt, ausgelöst durch die Ernennung des DKP-Mitgliedes Volker Götz zum Richter auf Probe durch den SPD-Justizminister Posser. Mit dieser Entscheidung Possers, getroffen während der Abwesenheit von Ministerpräsident Heinz Kühn, wurde neben dem Koalitionsstreit noch ein weiterer Konflikt erneut angeheizt, nämlich die Auseinandersetzung um die Beschäftigung von Mitgliedern extremistischer Organisationen im öffentlichen Dienst.

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Vor allem, seit eine größer werdende Zahl von linksorientierten Studenten ihre Studien abschließen und erwerbstätig werden, war die Frage der Beschäftigung von Extremisten durch den Staat akut geworden. Junge Lehrer, Mitglieder der DKP oder Funktionäre dieser die Aktivität der verbotenen KPD fortsetzenden Partei wollen vermehrt in den Schuldienst und natürlich auch Richterdienst eintreten. Um die teilweise recht unterschiedliche Praxis in den einzelnen Bundesländern bei der Einstellung solcher Personen zu vereinheitlichen, einigten sich die Ministerpräsidenten auf den sogenannten „Extremistenerlaß“, der die in Grund- und Beamtengesetz enthaltenen Bestimmungen einheitlich interpretieren sollte.

Da dieser Erlaß jedoch ein Kompromiß zwischen den CDU/CSU-Ministerpräsidenten auf der einen und den SPD-Länderchefs auf der anderen war, gerieten seine Formulierungen denn so, daß sie für beide Parteien annehmbar und damit auch weiter unterschiedlich auslegbar erschienen. In Hessen etwa wurde sehr weitherzig operiert, während in den Unions-Ländern gegenüber Extremisten, zumindest wenn sie auf der linken Seite beheimatet waren, unnachsichtig verfahren wurde. Das Schicksal eines NPD-Funktionärs, der in einem CDU-Land als Fachschuldozent abgewiesen, in einem anderen aber angestellt wurde, bewies jedoch, daß der Extremistenerlaß auch für die Unionsparteden nicht von jener Eindeutigkeit war, die im Interesse einer gerechten und einheitlichen Regelung der schwierigen Frage wünschenswert gewesen wäre.

Kein Wunder, daß sich bald, vor allem von links, Stimmen meldeten, die eine Revision oder gar eine Aufhebung des Extremistenerlasses forderten. Ihre Argumente, die sich nun in der Auseinandersetzung um den Richteranwärter Götz wiederholen: die Mitgliedschaft in einer Partei, die nicht als verfassungswidrig verboten sei, dürfe nicht allein zur Ablehnung der Anstellung ausreichen; die Bestimmung des Grundgesetzes, daß niemand wegen seiner Betätigung oder Mitgliedschaft in einer zugelassenen Partei Nachteile erfahren dürfe, stehe dem Ministerpräsidentenerlaß entgegen; wenn der Staat ein Monopol besitzt — etwa im Schuldienst — käme die strenge Handhabung des Ministerpräsidentenerlasses einem Berufsverbot gleich.

Bei dem SPD-Parteitag in Hannover wurde erst nach langen Diskussionen nicht die Abschaffung des Erlasses, sondern eine Modifizierung beschlossen. Mit dem „Fall Götz“ verstärken sich nun wieder die Stimmen gegen den Erlaß. Freilich bekamen durch den konkreten Vorfall auch die Verfechter einer härteren Linie Gelegenheit, Politik in ihrem Sinn zu betreiben.

Denn während der SPD-Politiker Posser, oft als Nachfolger Kuhns im Nordrhein-Westfalen im Gespräch, bei Götz, der Funktionär in einem DKP-Ortsverband ist, keine verfassungsfeindliche Haltung feststellen konnte und ihn anstellen wollte, legte sich der starke FDP-Mann Willi Weyer, Innenminister in dem FDP/ SPD-Kabinett in Düsseldorf, quer und erklärte die Anstellung des DKP-Mannes für rechtswidrig. Seine Intervention hatte Erfolg, so daß die Ernennung von Götz zum Richter auf Probe ausgesetzt wurde.

Die Aussetzung der Ernennung von Götz wie auch der Hinweis von Kühn, zunächst sollte die Problematik des Extremistenerlasses noch einmal Mitte September gemeinsam von den Ministerpräsidenten und Bundeskanzler Brandt besprochen werden, deuten an, daß Kühn einen Rückzug im Fall Götz anstrebt.

Schließlich liegt auch noch der Plan auf dem Tisch, allgemein die Frage der Beschäftigung von Extremisten im öffentlichen Dienst durch das Bundesverfassungsgericht klären zu lassen. Denn zweifellos stehen zwei wichtige rechtliche Bestimmungen — niemanden wegen einer Parteizugehörigkeit zu benachteiligen und keinen verfassungsfeindlich Gesinnten in den Staatsdienst zu übernehmen, einander entgegen. Freilich müßte dieser Weg zur Klärung über das Höchstgericht so gegangen werden, daß dabei kein Verbot der DKP herausschaut. Denn nach wie vor will an der Existenz dieser Partei, über deren Verfassungsfeindlichkeil sich die meisten führenden Politiker einig sind, aus politischen Gründen niemand rütteln. Die außen- und innenpolitischen Erfahrungen aus dem Verbot der KPD legen dies nahe.

Das Ausweichen auf das Bundesverfassungsgericht setzt freilich die gegenwärtig in der Bundesrepublik zu beobachtende Tendenz fort, schwierige politische Entscheidungen auf dem Rechtswege zu umgehen. War es im Falle des Grundvertrages die CSU, so ist es jetzt die SPD, die für. diesen Weg plädiert. Im Fall des Extremistenerlasses darf daraus geschlossen werden, daß die SPD-Politiker damit den Streit in den eigenen Reihen umgehen wollen, sich aber auch gegen die Attacken aus der Opposition absichern wollen. Wird bei der Ablehnung von DKP-Mitgliedern zu streng verfahren, so würden die linken Kräfte in der SPD protestieren. Wird lax verfahren, ertönt aus Unionskreisen der Ruf: „Steigbügelhalter des Kommunismus!“ Es ist selbstverständlich, daß hier versucht wird, die Entscheidungslast einem Gericht zuzuschieben. Ein Zeichen politischer Stärke ist es nicht.

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