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Digital In Arbeit

Roulette mit der Zukunft

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Wenn 300 Werbemillionen umverteilt werden sollen, sind harte Bandagen unausweichlich. Außerdem steht ein nicht uninteressantes Stück Medienzukunft auf dem Spiel.

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Wenn 300 Werbemillionen umverteilt werden sollen, sind harte Bandagen unausweichlich. Außerdem steht ein nicht uninteressantes Stück Medienzukunft auf dem Spiel.

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Herrscht nun wieder Krieg oder nicht? Krieg zwischen dem ORF, vertreten durch Generalintendant Gerd Bacher, und den Zeitungsherausgebern. Das ist eine Frage, die seit einem Monat in der Medienbranche öfters gestellt wird.

Der Schauplatz des aufgeflammten Scharmützels ist dabei allen klar: die hochsensible Werbefront. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als die Frage, ob der ORF eine Ausdehnung seiner Werbezeit zugestanden bekommt oder nicht.

Der ORF, auf der Suche nach Wegen, seine Werbeeinnahmen zu vergrößern, hatte sich erst um den Jahreswechsel mit den Zeitungsherausgebern geeinigt, in Verhandlungen Wege zu finden, die für beide Interessenten an dem nur langsam wachsenden Werbekuchen akzeptabel sind.

Dann aber nahm die „Print Ge-winnf'-Kampagne den ORF ins Visier und textete ”in Anlehnung an ein Goebbels-Zitat: „Wollt ihr den totalen Werbeblock?” und zeigte dazu einen jungen Mann in Zwangsjacke. Das ließ Bacher aus der Haut fahren und die weitere Verhandlungsbereitschaft auf null sinken.

Inzwischen haben sich die beiden Kontrahenten wieder auf einen Verhandlungstermin Ende Juni geeinigt, nachdem Zeitungsherausgeberpräsident Julius Kainz ganz moderat — und nicht zum Vergnügen aller seiner Mitglieder — bei Bacher Seelenmassage betrieben hatte.

Ob die Kluft damit allerdings vollständig überbrückt ist, kann bezweifelt werden, auch wenn im ORF betont wird, daß die Entschuldigung der Zeitungsherausgeber ernste Konsequenzen verhindert habe. Die ORF-These zu dem „Goebbels'schen” Sünden-f all: Die Zeitungsherausgeber sind von ein paar Heißspornen hereingelegt worden.

Statt Krieg finden also nur mehr Scharmützel statt — die allerdings auch nicht gerade gesprächsfördernd sind. So zeigen sich die Zeitungsherausgeber von Bachers öffentlichen Vorstößen in Richtung Ausdehnung der Werbezeit auf Sonn- und Feiertage unangenehm berührt. Ihr Argument: Wenn man schon redet, dann bitte gemeinsam am Tisch.

Positiv vermerkt wird lediglich, daß diese Variante gegenüber der früher favorisierten, nämlich die tägliche Werbezeit um fünf Minuten auszudehnen, weniger Werbezuwachs bringt.

Im ORF wird der Vorstoß Bachers nach außen fast als Liebes-werben um die Printmedien dargestellt. Die Zeitungen bemängeln zu viel Werbung im täglichen Programm? Ja dann weichen wir halt auf die bisher werbefreien Sonn- und Feiertage aus, es spricht ohnehin kein vernünftiger Grund dagegen.

Die kalte Dusche folgt allerdings auf dem Fuße. Denn auf den Werbezeitenausgleich, d. h. mehr Werbung, wenn die Wirtschaft mehr werben will, weniger, wenn Flaute herrscht, will der ORF partout nicht verzichten. — Und die Zeitungsherausgeber wollen auf keinen Fall dieser Lösung zustimmen, weil Uberschreitungen der Werbezeit dann praktisch nicht mehr nachweisbar sind. Ein gebranntes Kind weiß, wovon es spricht.

So sind die Standpunkte im wesentlichen unverändert. Die

Printmedien woUen dem ORF nicht 300 zusätzliche Werbemillionen freiwillig überlassen, während sie der ORF lieber gestern als heute hätte.

Die Zeitungsherausgeber verweisen darauf, daß der Anteil des ORF am Werbekuchen international mit 30 Prozent (inklusive Radiowerbung sogar, 42 Prozent) ohnehin sehr hoch sei. In der Schweiz seien es gerade sechs und in Deutschland knapp unter elf Prozent.

Der ORF seinerseits verweist auf die Kosten, die durch Satelli-tenengagement und die geplante Regionalisierung des Fernsehens ins Haus stünden. AUeine letztere beanspruche für technische Infrastruktur knapp 200 Mülionen Schüling. Ganz zu schweigen von den Produktionskosten.

Den Zeitungsherausgebern will wiederum nicht in den Sinn, wieso die Monopolabsicherung durch vermehrtes Angebot gerade auf ihre Kosten gehen sollte. Der ORF solle lieber mehr sparen, die Werbetarife so hoch ansetzen, daß keine Wartelisten für Werbewillige entstünden und überdies die Gebührenzahler fragen, ob ihnen mehr Fernsehen nicht mehr wert sei.

, Von alledem will wiederum der ORF nichts wissen. Werbetarife hätten auch einen internationalen Markt, mehr als der ORF könne man ohnehin nicht sparen, und mehr Gebühren woUe man nicht, die seien ohnehin schon die höchsten in Europa.

Ein Spiel ohne Zukunft? Keineswegs, eher ein Roulette um eine interessante Facette der Medienzukunft, die dem staunenden Publikum geboten wird; einmal abgesehen von den Sorgen der Zeitungsherausgeber, daß 300 Millionen Schilling Werbeeinnahmen auf oder ab Leben oder Tod für so manches Verbandsmitglied bedeuten können.

Gelingt es dem ORF, die Werbezeiten bald auszudehnen, dann hat er sich ein schönes Stück Werbekuchen gesichert, das andere Mitbewerber nur mehr schwerlich ergattern können, wenn einmal das Rundfunkmonopol fallen sollte.

Können die Zeitungsherausgeber den Zeitpunkt der Werbeausweitung hinausschieben, dann stehen noch relativ ungebundene Werbebudgets für den Einstieg von Zeitungsverlegern ins Rundfunkgeschäft zur Verfügung.

Nicht zuletzt deshalb wird mit allen Tricks gearbeitet. Dabei glaubt so mancher, geniale Schachzüge Bachers zu sehen, dem ein Matt der Zeitungsherausgeber folgen könnte:

Bacher verspricht den Politikern im ORF-Kuratorium, für drei Jahre keine Gebührenerhöhungen anzusagen. Diese sind froh, keine schlechte Presse zu bekommen und den Preisindex im Griff zu behalten.

Die Landeshauptleute sind nicht abgeneigt, regional mehr ins Bild zu kommen. Dazu bedarf es aber mehr Geld. Ohne daß sich der ORF eine Junktimierung mit mehr Werbeeinnahmen nachsagen läßt, ist jedem Politiker klar, daß es ohne Geldquelle nicht geht. Also entsteht eine Neigung, an die Notwendigkeit einer Werbezeitenausweitung zu glauben, die in etwa das bringt, was die Regionalisie-rung kosten könnte.

Die Werbeminute an sich darf hingegen nicht mehr kosten, weil sonst die Werbewirtschaft nicht mehr Pressure-group wäre, die alle ihre Spots und noch mehr an den Mann und die Frau bringen möchte. Möglichst zu billigen Tarifen versteht sich, denn auch in dieser Branche sind Arbeitsplätze und Gewinne gefragt.

Ist es ein Zufall oder Folge dieser Gedankenkette? Die Zeitungsherausgeber spüren Druck „durch diverse Einflüsterungen Bachers bei Politikern und OGB”, wie gesprächsweise zu hören ist. Ob und inwieweit sie ihm gewachsen sind, ist noch nicht abzuschätzen.

Mit Sicherheit läßt sich nur eines sagen: Der Krieg ist abgeblasen. Kleine Scharmützel erhalten die „Feindschaft” - und gesiegt wird noch immer mit fintenreicher Geheimdiplomatie.

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