7069062-1992_15_20.jpg
Digital In Arbeit

Roulette und Heimroulette

Werbung
Werbung
Werbung

Nur Idioten gehen ins Spielcasino. Leute mit Köpfchen aber bleiben zu Hause und geben sich dem sogenannten Heimroulette hin. Wie ich zum Beispiel. Das Heimroulette hat nur Vorteile, im Gegensatz zum Feindroulette, das dem Staat gehört. Dort bringt mich nichts mehr hin.

Ist es ja schon unerhört, wie viele Steuern wir zahlen müssen, so ist es doch der Gipfel, wie hoch man im Casino verlieren kann. Und eine Einstellung haben die Herrschaften dort! Denen wäre es ja am liebsten, man würde sein Geld auf den Tisch legen und gleich wieder verschwinden.

Nein, es wurde wirklich Zeit, daß ich das Heimroulette gegründet habe. Denn seien wir doch ehrlich, im Spielcasino kann man seine Vorsätze, die man sich vorgenommen hat, als man hinging, ganz einfach nicht einhalten. Denn dort ist alles, aber auch wirklich alles gegen den Spieler eingerichtet.

Hat man sich zum Beispiel vorgenommen, nur maximal einen Geldschein zu verlieren - wenn man schon nicht gewinnt -, um dann auf alle Fälle heimzugehen, so kann man doch das Casino nicht schon nach fünf Minuten wieder verlassen, weil man ihn schon verloren hat.

Es ist einfach unmöglich, sich nach einer derart kurzen Zeit geschlagen zu geben, das Feld zu räumen, abzumarschieren mit eingezogenem Kopf, nachdem man sich noch dazu mindestens eine Viertelstunde lang anstellen hat müssen, um überhaupt hineinzukommen.

Nein, das bringt kein Mann fertig. Man nimmt also den zweiten Schein. Jetzt wartet man allerdings eine halbe Stunde, bis man wieder spielt, man ist klüger geworden - und verspielt ihn dann erst. Anschließend geht man zur Bar, trinkt einen Kaffee, kocht innerlich, läßt sich nichts, aber nichts, anmerken. Zwei Scheine verloren, denkt man wütend, und dabei hat die Gattin zu Hause nichts anzuziehen.

Jetzt wird zumindest einmal eine neue Strategie ersonnen. Da ja alles schiefgelaufen ist, muß wohl das System falsch gewesen sein, nach dem man gespielt hatte.

Man ist also genötigt, den ersten Scheck an der Kassa einzulösen. Und komischerweise gewinnt man oft in diesem Stadium. Man kommt sogar ins Plus und hätte einen Reingewinn, wenn man ginge. Aber geht man? Nein, man geht natürlich nicht. Denn jetzt kommt die schlimmste aller menschlichen Eigenschaften zum Vorschein, die im Casino zutagetreten kann: Die Gier. Verdammt sei die Gier! Der Wunsch, das Casino zu Fall zu bringen, es Pleite gehen zu sehen, es zu ruinieren.

Die Gier packt jeden Mann und jede Frau. Nicht den Anfänger, der das erste, zweite, dritte Mal hingeht, der hat außerdem meistens Anfängerglück, sondern den erfahrenen Spieler. Und im Nu ist wieder alles verloren, und das Casino mächtiger denn je-

Jetzt ist man genötigt, den zweiten Scheck einzulösen, weil man ja alles zurückgewinnen will - und verdoppelt. Tja, und manchmal gelingt es tatsächlich. Wie gesagt, manchmal.

Aber ich bin kein Idiot mehr. Nein, nie mehr Casino, nur mehr Heimroulette. Wir spielen das zu viert, mit einem befreundeten Ehepaar. Jeder ist zu 25 Prozent am Gewinn der Bank beteiligt.

Und ich sage euch, Leute, da sieht man erst, wie viel die Bank gewinnt. Zwei Drittel bis drei Viertel der Einsätze - unglaublich! Wir spielen mit Münzen. Da spielt man die ganze Nacht, vergnügt sich und verliert nur kleine Beträge, wenn man schon verliert. Und bekommt zum Schluß auch noch etwas zurück, weil man ja an der Bank beteiligt ist. Und sitzt bequem und erspart sich die Fahrt ins Casino, und muß dem Groupier kein Trinkgeld geben. Wie gesagt, es gibt nur Vorteile...

Pst, letzte Woche ging ich nach langer, langer Zeit wieder einmal hin - heimlich, versteht sich -, um für alle Heimroulettespieler zu überprüfen, ob sich inzwischen dort vielleicht etwas verändert hat. Ich kann euch sagen, liebe Freunde, es hat sich nichts verändert. Absolut gar nichts. Ich habe zwei Schecks eingelöst. Es lebe das Heimroulette!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung