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Rudolf Kirchschläger wird 75

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Die Affäre rund um die SPÖ- nahe „ Volkshilfe ", über de- ren „Österreich-Paket"-Aktion er die Schirmherrschaft über- nommen hat, bedrückt Alt-Bun- despräsident Rudolf Kirchschlä- ger in diesen Tagen sicherlich mehrfach. Der Mißbrauch von Vertrauen und Hilfsbereitschaft trifft ihn, der vor einem Jahr- zehnt in seiner berühmt gewor- denen Welser Rede den Österrei- chern ins Gewissen geredet hat, die „ Sümpfe und sauren Wiesen " trockenzulegen, ganz besonders. Und diese Enttäuschung hat er sich als „Geburtstagsgeschenk" weder erwartet noch verdient: Rudolf Kirchschläger, Öster- reichs Bundespräsident der Jah- re 1974 bis 1986, wird am 20. März 75.

Die Bescheidenheit der Le- bensumstände, in die er hinein- geboren wurde, hat ihn geformt. Mit Fleiß und Arbeit hat er sich Schulausbildung und Studium erst verdienen müssen, ehe er - von den Schrecken des Krieges auch am eigenen Leib geprägt - erst Richter wurde, dann Lan- desgerichtsrat in Wien. 1954 in den diplomatischen Dienst beru- fen, 1956 dann zum Leiter der Völkerrechtsabteilung, hat er an den Vorarbeiten zum Staatsver- trag und zum Neutralitätsgesetz maßgeblich mitgewirkt.

1962 stellvertretender Gene-ralsekretär, 1963 Kabinettschef im Außenamt, wurde er 1967 mit der Leitung der Gesandtschaft in Prag betraut, deren Türen er im denk- würdigen Jahr 1968, als Panzer den „Prager Frühling" niederwalzten, den Schutz- und Hilfesuchenden auch im Konflikt mit Wien offenge- halten hat. 1970 wurde er zum Außenminister berufen und 1974 als Kandidat der SPÖ mit 51,7 Prozent für eine erste Amtsperiode, 1980 dann mit fast 80 Prozent zum zweiten Mal als Bundespräsident gewählt. Kein „erster Mann" vor ihm und seither hat größeres Ver- trauen gewonnen.

„ So wahr mir Gott helfe!" Rudolf Kirchschläger hat sich immer-auch bei seiner Angelobung - als gläubi- ger und praktizierender Katholik, der Kraft und Zuversicht aus der Frohen Botschaft schöpft, bekannt, bescheiden und zeugnishaft, nie sich zur Schau stellend. So hielt und hält er es auch mit seiner Familie, in deren private Sphäre und Har- monie er keine medialen „Schlüs- sellochspäher" eindringen ließ - ganz im Gegensatz zu jenen, die, weil im öffentlichen Leben stehend, nur zu gern auch öffentlich leben. „Der Friede beginnt im eigenen Haus" ist daher nicht zufällig für Kirchschläger zum Buchtitel ge-worden.

Er hat sich nicht mit der Rolle des „Protokollpräsidenten" oder des „Staatsnotars" begnügt, vielmehr hat er sich besonders in seiner zweiten Amtsperiode mutig und offen zu Wort gemeldet. „Das Amt des Bundespräsidenten wurde", beschrieb es Manfried Welan, „durch ihn ein Wächter- und Mah- neramt. " Daß die Autorität, die er dem Amt verliehen hat, bei Speku- lationen über eine neuerliche Kan- didatur mitschwingt, beweist zu-mindest, daß nicht nur das Amt ihn, sondern er ebenso das Amt geprägt hat.

Rudolf Kirchschläger ist es als erstem Bundespräsidenten der Zweiten Republik vergönnt, nach dem öffentlichen Leben auch noch Jahre privaten Lebens ge- schenkt zu bekommen. Daß der „Ruhestand" den Fünfundsieb- zigjährigen nicht zur Ruhe kom- men läßt, ist Ausdruck der Wert- schätzung, die in unzähligen Einladungen zu Vorträgen und Gesprächen ihren Ausdruck fin- det. Viele wollen hören, was er zu sagen hat. Aber haben wirklich viele gehört, was er ihnen schon früher sagen wollte? Seinen Ruf nach „charakterlich starken Demokraten"? Seinen Rat für eine „heilsame Kur" unserer Republik? Und heilsam hätte die 1980 empfohlene Kur sein kön- nen, „wenn wir bereit sind, uns nicht nur daran zu ergötzen, daß eine Anzahl von Menschen ein- gesperrt und an den Pranger ge- stellt wird, sondern wenn wir auch für uns persönlich die Art unserer Pflichterfüllung und die Gewohnheiten unseres täglichen Lebens vom Gesichtspunkt der Ehrlichkeit, der Aufrichtigkeit, der Treue gegen die übernomme- nen Pflichten, kurz gesagt, vom Gesichtspunkt der Moral über-denken".

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