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Rückenwind für Kery

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Wenige Wochen vor den burgen-ländischen Landtagswahlen scheint der SPÖ-Trend weiter anzuhalten: Die jüngste Meinungsforschung des Gallup-Institutes bietet augenscheinlich für die Sozialisten die bestmögliche Ausgangsbasis. Trotz galoppierender Teuerung, einem demolierten Bundesheer und einer nicht spürbar werdenden Gesundheitspolitik, aber auch trotz einer angekündigten Baubremse und dem Hinweis, daß der Lohnzuwachs nicht mit der Teuerung werde Schritt halten können, haben Kreisky und sein Team die Vormachtstellung gehalten.

Das bereinigte Ergebnis der Umfrage gleicht auf das Haar dem Wahlergebnis des letzten Urnenganges: 50,5 Prozent für die SPÖ, 43,5 Prozent für die ÖVP und 6 Prozent für die FPÖ. Betrachtet man aber das „unbereinigte“ Ergebnis, so sieht die Sache schon anders aus. 39 Prozent stehen nach wie vor zur SPÖ, 32 Prozent halten es mit der ÖVP, 5 Prozent mit der FPÖ, aber ganze 24 Prozent — also rund ein Viertel — haben eine Antwort verweigert.

Die große Zahl der Antwortverweigererungen bedeutet aber sicherlich, daß die Zahl der SPÖ-Bekenner geringer geworden ist. Welcher SPÖ-Wähler der letzten beiden Jahre würde nicht, sollte er mit der SPÖ-Mannschaft einverstanden sein, das frei heraussagen? Da das aber nicht der Fall ist, scheint die Zuordnung der Antwortverweigerer nach den erhobenen Prozentsätzen zu den einzelnen Parteien problematisch.

Das Ergebnis der letzten Meinungsumfrage ist aber auch in anderer Hinsicht interessant: Geht man um einige Jahre zurück, so stößt man auf ein „Spiegelbild“. Im Jänner 1967, also nicht einmal ein Jahr, nachdem Klaus mit der Volkspartei die absolute Mehrheit erobert hatte, lag die ÖVP mit 38 Prozent vor der SPÖ, die es auf 30 Prozent gebracht hatte. 3 Prozent sympatisierten mit der FPÖ und 29 Prozent waren unklar.

Die hohe Zahl der Antwortverweigerer — damals wie heute — läßt darauf schließen, daß der Wähler nach erfolgter Wahl einmal in eine Wartestellung geht. Vieles, was er sich gleich am Beginn der „neuen

Herrschaft“ erwartet hat, ist nicht eingetroffen. Er wird kritisch und beginnt sich auf einen neuen Entscheidungsvorgang einzustellen.

Und noch etwas läßt das „Spiegelbild“ 1967/1972 realistischer werden: Wohl hatte Klaus die absolute Mehrheit hinter seiner Alleinregierung stehen, der politische Widerpart befand sich aber erst im „Aufrüsten“. Erst langsam formierten sich die Sozialisten, kam es zum Wechsel an der Parteispitze, bevor von einer echten Profilierung gesprochen werden konnte. Ähnlich verhält sich die Situation heute:

Während Kreisky schon reines Haus hat, ist Schleinzer damit beschäftigt, Adaptierungsarbeiten vorzunehmen.

Eine Trendumkehr in der Wählermeinung ist also zum derzeitigen Zeitpunkt noch gar nicht möglich. Der Wähler hat noch nicht die Möglichkeit, sich mit Haut und Haar dieser oder jener Partei zu verschreiben, für einen Wechsel in der Gunst sind die einen noch nicht zu „schlecht“, die anderen noch nicht gut genug.

„„Schwankphase“

Es steht aber zu erwarten, daß sich die Zahl der unentschlossenen Antwortverweigerer ständig verringern wird. Bedeutsam scheint dabei das, was sich in dieser „Schwankphase“ ereignet. Steigen die Preise weiterhin in diesem Tempo, so könnte eventuell proportional dazu die Wählergunst für Kreisky sinken.

Einstweilen freilich interessiert mehr die burgenländische Landtagswahl. Ist dort eine Trendumkehr vielleicht schon in Sichtweite? Wohl kaum. Die Wahlen am Neusiedlersee fallen eben in die genannte Zwischenphase. Noch dazu führen Kery und Soronics einen ausgeprägten Persönlichkeitswahlkampf. Dieser könnte allerdings durch die letzte Meinungsumfrage beeinflußt werden: wenn auch nur im letzten Moment.

Eine Untersuchung der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft vor den Nationalratswahlen 1970 hat zu klären versucht, welchen Einfluß die Meinungsforschung auf die Wahlentscheidung hat. Diese Untersuchung dürfte aber nicht nur damals ihre Gültigkeit gehabt haben, sondern auch heute noch zutreffen.

Während gleichviel Wähler — nämlich je 6 Prozent — damals erklärt haben, sie würden entweder ÖVP oder SPÖ wählen, wenn die eine oder andere Partei die Mehrheit erhält — um als Gleichgewichtswähler einen Ausgleich zu schaffen — haben immerhin 10 Prozent der Befragten rundweg erklärt, daß sie es mit dem Stärkeren halten würden. 71 Prozent — das sind ebenso viele, wie sich bei der Gallup-Um-frage dezidiert für die eine oder andere Großpartei ausgesprochen haben — würden sich durch die Meinungsforschung aber nicht beeinflussen lassen.

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