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Rückgrat zeigen!

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Es ist eine Auseinandersetzung zwischen einem ganz kleinen David und einem großen Goliath. Trotzdem heißt es Rückgrat zeigen, wenn es auch nur für einen Nasenstüber reicht.

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Es ist eine Auseinandersetzung zwischen einem ganz kleinen David und einem großen Goliath. Trotzdem heißt es Rückgrat zeigen, wenn es auch nur für einen Nasenstüber reicht.

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Man mag zu Kurt Waldheim stehen wie man will, aber was sich die US-Regierung geleistet hat, als sie Waldheim auf die sogenannte „watch list“ setzte, ist eine schamlose Menschenrechtsverletzung.

Zweifellos verdanken wir den Amerikanern sehr viel. Marshall-Plan, Hilfe beim Staatsvertrag et cetera. Aber es gab keinen Akt der UdSSR, Frankreichs oder Großbritanniens, der Signatarmächte des Staatsvertrages, der sich mit diesem „unfreundlichen“ Akt vergleichen ließe.

Wir wissen, daß auch andere Staaten solche Listen haben. Sie halten sie jedoch geheim.

Weiters geht es hier um einen demonstrativen Akt der Regie-

nmg der Vereinigten Staaten, der praktisch insoferne bedeutungslos ist, als ja überhaupt nicht die Absicht Waldheims bestand, in die USA zu reisen, erst recht nicht als Privatmann. Es handelt sich daher um einen demonstrativen Akt, der sich in die außenpolitische Raffinesse der Reagan-Administration überzeugend einfügt.

Nun handelt es sich dabei um ein Verfahren, in dem der .Angeklagte“ (er ist gar nicht „wirklich“ angeklagt, wie es heuchlerisch heißt) nicht einmal die Anklageschrift wirklich kennt, also auf die Details, auf die sich die Anklage stützt, gar nicht replizieren kann.

Was immer in diesen Dokumenten steht, das Verfahren selbst ist ein Hohn auf die Menschenrechte.

Wenn ein Staat eine geheime „watch list“ hat, kann er im gegebenen Fall ohne Angabe von Gründen ein Visum verweigern, obwohl auch dies eine fragwürdige Praxis ist. Jemanden jedoch in aller Öffentlichkeit nach einem Femeverfahren, aus welchen Gründen auch immer, zur Unperson zu erklären, ist eine Frechheit.

Auch in der katholischen Kirche gab es solche Verfahren gegen Theologen, doch hat sich dies nach dem Zweiten Vatikanum etwas gebessert, wenn sich solche Verfahren auch heute noch nicht auf der juridischen Höhe etwa des Menschenrechtsgerichtshofes in Straßburg befinden.

Wie reagiert man mm auf eine solche Verletzimg der Menschenrechte durch eine Supermacht?

Die Amerikanisten in Osterreich wollen, daß Osterreich kriecherisch und demütig mit allerhand Gerichtsverfahren in den USA winseln kommt. Das Unrecht wxirde jedoch nicht durch eine Zeitung oder einen privaten Verein begangen, sondern durch eine Regierimgsinstanz.

Wenn nun jemand glaubt, daß ihm von einer Instanz Unrecht getan wurde, geht er zur nächsten. Die nächste Instanz sind nun, da unserer Rechtsauffassung nach die Regierung der Vereinigten Staaten einen Rechtsbruch begangen hat, die Vereinten Nationen. Sie sind die entscheidende Instanz, bei der angeblich die kleinen und großen Staaten gleich behandelt werden, und hier ist die letzte Instanz wieder die Generalversammlung.

Ich bin zu wenig vertraut mit den Institutionen der Vereinten Nationen, aber nötigenfalls wäre eben die Generalversammlung mit dem Fall zu befassen, um eine Verurteilung der Vorgangsweise der US-Regierung zu erreichen. Im übrigen nicht nur, weil es sich um den österreichischen Bundespräsidenten handelt, sondern auch um einen früheren Generalsekretär der Vereinten Nationen.

Weiters sollte die Republik Osterreich auch die Nachfolgekonferenz von Helsinki mit dem Fall befassen, da er prototypisch für eine neue Art der Menschenrechtsverletzung ist. Die USA hätten dieses Verfahren grundsätzlich zu ändern, um dem Rechtsempfinden in kultivierten Staaten Rechnung zu tragen.

Ich möchte hier nochmals betonen, daß es hiebei überhaupt nicht um den Inhalt der Anklage geht. Vielleicht gibt es tatsächlich neues Material, das Waldheim belastet. Aber von dem wissen wir nichts. Und solange es kein faires Verfahren gibt, hat er als unschuldig zu gelten. Darüber scheint man sich auch in der österreichischen Regienmg einig zu sein.

Dann aber auch ein Gegenzug mit Rückgrat. Ich bin darüber hinaus überzeugt, daß es auch in den USA genug anständige Menschen gibt, die imserer Argumentation folgen würden.

Nichts liegt mir ferner als hier einen Antiamerikanismus zu predigen. In dieser Auseinandersetzung zwischen einem ganz kleinen David imd einem ganz großen Goliath geht es ja gar nicht um allzu viel. Im besten Fall bekommt der Goliath vom kleinen David einen Nasenstüber. Aber wir sind dies unserer Ehre schuldig, daß wir ims für einen Fußtritt nicht auch noch bedanken.

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