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Rüstungsindustrie: Bombengeschäft?
Ab 1991 will die SPÖ ein Export- verbotfürschwere Waffen. Eigent- lich einen Produktionsverzicht. Aus für ein Bombengeschäft?
Ab 1991 will die SPÖ ein Export- verbotfürschwere Waffen. Eigent- lich einen Produktionsverzicht. Aus für ein Bombengeschäft?
Die Rüstungsindustrie in Österreich sorgt in letzter Zeit nicht nur für moralisch-ethische Entrüstung, auch wirtschaftliche Pro-Argumente erweisen sich als schwache Munition. Peter Drucker, der legendäre amerikanische Un- ternehmensberater spricht in sei- nemneuenBuch „Neue Realitäten" gar vom wirtschaftlichen Wider- sinn der Militärausgaben.
Zur wirtschaftlichen Problema- tik gibt es jetzt auch aus öster- reichischer Sicht umfangreiches Zahlenmaterial. Das Sozial- ministerium hat eine Studie über Rüstungsproduktion, Militäraus- gaben und Beschäftigung in Auf- trag gegeben. Das Ergebnis, aus arbeitsmarktpolitischer Sicht und
provokant verkürzt: Keine Zukunft für die Rüstungsindustrie in Öster- reich, zumindest in ihrer gegen- wärtigen Situation.
Das Österreichische Friedensfor- schungsinstitut unter der Pro- jektleitung von Arno Truger hat drei Jahre lang akribisch alle nur denkbaren Daten aus offiziellen und inoffiziellen Quellen zur Rü- stungsproduktion gesammelt. So sind, um ein erstes Zahlenbeispiel aus der Studie zu nennen, durch die Rüstungsnachfrage in Österreich genau 4.064 Beschäftige betroffen, was die Autoren zur These veran- laßt, „daß die Bedeutung der indi- rekten inländischen Beschäfti- gungswirkung durch Rüstungsin- vestitionen relativ gering ist".
Dazu Eduard Olbrich, der für Grundlagenforschung zuständige Abteilungsleiter im Sozialministe- rium: „Objektiv gesehen ist unter dem Gesichtspunkt der Marktra- tiönalität die Rüstungsindustrie nur schwer haltbar. Arbeits- marktpolitisch dürfte es - global gesehen - kein Problem geben. Die Arbeitskräfte sind alle hoch- qualifiziert und müßten durch Umschulungen untergebracht wer- den können." Noch dazu sind diese Beschäftigten auf eine Vielzahl von Branchen verteilt (alleine auf die Fahrzeugindustrie entfallen 1.243 Personen), „sodaß kein Unterneh- men wirklich von der Rüstungsin- dustrie abhängig zu sein scheint", heißt es in der Studie.
Vor allem der Inlandanteil der hier getätigten finanziellen Aus- gaben ist innerhalb der letzten Jahre eher gering gewesen. Die Auswir- kungen auf die Beschäftigungslage können daher eher noch niedriger eingestuft werden. Olbrich: „Im Bereich der Rüstung sind bereits Arbeitsplätze verlorengegangen, das Argument der Sicherung der Arbeitsplätze kann daher nicht aufrechterhalten werden - mit ei- niger Phantasie könnte man umrü-
sten auf eher paramilitärische Pro- dukte". Soweit die „harten" Rü- stungsgüter.
Die übrige Zulieferindustrie weist auch eine geringere Betraf fenenrate auf als vorerst angenommen. Es sind nach Angaben des Friedensfor- schungsinstituts 6.360 Personen.
Würde man die gesamten Rü- stungsausgaben auf ziviler Seite tätigen, so die Hochrechnungen von Projektleiter Arno Truger, so könn- te man zusätzlich 7.500 Ar- beitsplätze mehr schaffen als auf dem militärischen Sektor.
Darüber hinaus gibt die Studie zu bedenken, daß zu den tatsäch- lich anfallenden Militärausgaben eigentlich noch der Verdienst- und Leistungsentgang der gerade Wehr- pflichtigen gerechnet werden müs- se. Und dies entspräche durchaus einer Größenordnung, wie sie bei den unselbständig Beschäftigten in der Textilindustrie oder der Eisen- und Stahlerzeugung gefunden wer- den kann.
Insgesamt stellt die 500seitige Untersuchung (der Umfang ist mit ein Grund, warum sich bis jetzt noch niemand so richtig damit be- schäftigt hat) den Exportchancen der österreichischen Rüstungs- industrie unter heutigen Voraus- setzungen ein schlechtes Zeugnis aus. Daß die jetztigen Absatzmög- lichkeiten im Inland nur beschränkt eine österreichische Rüstungsindu- strie rechtfertigen, wird - obwohl hinlänglich bekannt - ebenfalls nachgewiesen. Innerhalb Österreich geht also nichts, und außerhalb laut Studie schon gar nicht.
Von der Seite des Bundesheeres weigert man sich natürlich, die Problematik alleine von ihrer wirt- schaftlichen Seite aus zu be- trachten. Brigadier Ernest König: „Wenn man rein den wirtschaft- lichen Aspekt betrachet, würde ich vielleicht auch zum selben Schluß kommen," aber: über ökonomischen stehen immer noch die sicherheits- politische Interessen Östereichs.
„Es tut weh, wenn man im Ausland als zu weich eingeschätzt wird."
Königs Meinung nach geht man mit der Beschränkung der öster- reichen Rüstungsindustrie aus wirt- schaftlichen Gründen ein Risiko ein, das sich nicht auszahlt. „Im Osten werden die notwendigen Rationa- lisierungsmaßnahmen beim Militär als Waffen- und Truppenabbau verkauft. In Wirklichkeit ist man mit weniger Mann und mehr Elek- tronik effizienter als vorher." Auch glaubt er, daß man durch die Ko- operation mit den anderen Neutra- len eine Marktvergrößerung und damit größere Wirtschaftlichkeit erreichen könnte. Nur müßten die Politiker endlich klare Richtlinien setzen. König mußmaßt, daß über die Studie das Bundesheer in Miß- kreditgebracht werden soll: „Man merkt die Absicht und ist ver- stimmt."
Arno Truger: „Das Argument, daß Österreich seine Rüstungsexporte brauche, weil es sonst die Rüstungs- güter für den inländischen Bedarf nicht kostendeckend produzieren könnte, ist in der jüngsten Debatte über die österreichische Rüstungs- produktion ebenso oft zu hören wie es falsch ist". Einige seiner Argu- mente: Österreichs Rüstungsgüter hätten (mit Ausnahmen) einen re- lativ niedrigen technologischen Standard. Die „Dritte-Welt-Län- der", hauptsächliche potentielle Abnehmer österreichischer Pro- dukte, bieten derartige Rüstungs- güter selber und billiger an.
Der Vergleich mit der Schweiz sei deshalb unzulässig, da sie durch die Rüstungskooperation mit der BRD ungleich bessere Chancen hat. Österreich ist eine derartige Zu- sammenarbeit aber laut Staatsver- trag untersagt.
Alle anderen neutralen Staaten - die Studie vergleicht auch die ent- sprechenden Daten aus Finnland, Schweden und der Schweiz - täti- gen ihre Rüstungsexporte haupt- sächlich in NATO-Länder. Sie können und konnten daher den Einbruch des Waffenmarktes mit den „Dritte-Welt-Ländern" bisher leichter überstehen. Die Chancen Österreichs, den technologischen Abstand zu den Spitzenexporteuren zu verringern um konkurrenzfähig zu bleiben, schätzt Truger aufgrund der geringen finanziellen Möglich- keiten der inländischen Branche als sehr gering ein.
Für Ernest König geht auch hier die Schlußfolgerung in eine andere Richtung, als in der Studie: Wenn dies so sei, dann sollte doch alles getan werden, um diese Rahmen- bedingungen für die heimische Rüstungsindustrie endlich zu ver- bessern.
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