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Rüstungswettlauf im Nahen Osten

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Politische Lösungen im Nahen Osten sind dringend gefordert. Jedes Land setzt aber auf Raketen. Die Waffenhändler haben jetzt Hochsaison. Und die Dollars rollen.

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Politische Lösungen im Nahen Osten sind dringend gefordert. Jedes Land setzt aber auf Raketen. Die Waffenhändler haben jetzt Hochsaison. Und die Dollars rollen.

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Monatelang verhandelte Saudiarabien mit den USA, um sie zu bewegen, Mittelstreckenraketen an das Arabische Königreich zu verkaufen. Dabei waren die Saudis bereit, jede ihnen gebotene Boden-Boden-Rakete zu akzeptieren. Nachdem sie einsehen mußten, daß das Pentagon sich hier nicht erweichen läßt, suchten sie andere Quellen.

Diese fanden sich schnell in der Volksrepublik China, die für Dollars sogar bereit ist, das „superreaktionäre“ Saudiarabien zu beliefern. Das kommunistische China hatte schon einige Monate vorher „Silkworm“-Raketen an den

nicht weniger reaktionären Iran geliefert. Dabei handelt es sich um eine verbesserte Version einer russischen Rakete, die mit großem Erfolg gegen irakische Ziele eingesetzt worden ist — insbesondere gegen Städte, wo die Zielsicherheit nicht so ausschlaggebend ist, weil es sich um ziemlich große Angriffsflächen handelt.

Saudiarabien kaufte CSS 2-Ra-ketenbatterien, die eine Reichweite bis zu 3000 Kilometer haben und in der arabischen Wüste innerhalb von drei Monaten installiert werden sollen. Mit diesen Raketen körinen fast alle Ziele im Nahen Osten getroffen werden, wie zum Beispiel Tel-Aviv oder Jerusalem.

Nach amerikanischen Protesten behaupteten die Saudis, diese Raketen nur gekauft zu haben, um sich gegen den Iran im Kriegsfall behaupten zu können. Jedenfalls sollen fürs erste chinesische Techniker die Abschußrampen bedienen.

Der Irak, welcher russische „Skad“- und „Frog“-Raketen von der Sowjetunion ähnlich wie Syrien bereits im Jahr 1972 erhalten hatte, entwickelte die „Skad“-Ra-kete, die nur eine Reichweite von 300 Kilometern hat, zu einer Reichweite von 800 Kilometern und konnte diese bereits mit Erfolg gegen den Iran einsetzen.

Der Irak und Ägypten arbeiten gemeinsam an der Weiterentwicklung russischer Raketen, die sich in ihrem Besitz befinden. Erst dieser Tage konnten amerikanische FBI-Agenten eine ägyptische „Herkules'-Maschine vor ihrem Abflug von Baltimore aufhalten und eine Kiste mit 200 Kilogramm einer besonderen geheimen chemischen Legierung beschlagnahmen, die als Oberflächenbelag amerikanischer Raketen dient.

Die Legierung sollte zur Produktion einer neuen ägyptischirakischen Rakete dienen, die eine Reichweite von 750 Kilometern haben soll. Dem Verdacht nach wurde diese Legierung aus einem amerikanischen Rüstungsbetrieb entwendet.

Zur Zeit verhandelt Syrien über den Ankauf von 9-M-Raketen, die eine eigene chinesische Entwicklung sind und innerhalb von drei Monaten einsatzbereit sein können. Die 9-M hat eine Reichweite von 600 Kilometern und kann, von Innersyrien aus, alle wichtigen Ziele in Israel treffen.

Das bankrotte Syrien hat nur das Problem, wie es den Raketenankauf finanzieren soll. Nachdem sich Saudiarabien anfänglich weigerte, hier weitere Millionen zuzuschießen, ließ es sich letztlich doch erweichen, nachdem Syrien sich verpflichtete, bei

einem iranischen Angriff Saudiarabien beizustehen, trotz der Freundschaft mit dem Iran. Nun hängt alles davon ab, ob die USA China überzeugen können, keine weiteren Raketen in Spannungsgebiete zu verkaufen.

Die Volksrepublik China behauptet zwar, selbst keine Raketen an die genannten Länder verkauft zu haben, sondern nur an Waffenhändler, doch ändert dies nichts an den Tatsachen.

Dies ist der Hintergrund zur Unterzeichnung eines Abkommens zwischen den USA und Israel, wonach sich beide Staaten an der Entwicklung einer Antiraketen-Rakete mit der Bezeichnung „Pfeil“ durch die israelische Militärindustrie beteiligen werden. Man schätzt die Kosten auf 130 Millionen Dollar, von denen 80 Prozent die USA zahlen werden. Doch bis diese Antirakete einsatzbereit ist, können noch drei Jahre vergehen, und inzwischen fühlt sich Israel ernstlich bedroht,

sodaß es derzeit den Ankauf der amerikanischen „Patriot“-Rake-te erwägt, die man auch als Antirakete einsetzen kann. Bekanntlich hat diese bei Manövern einige bereits fliegende „Hawk“-Rake-ten abgeschossen.

Schon während des Jom-Kip-pur-Krieges wurden von Syrien und Ägypten „Skad“- und „Frog“-Raketen gegen Israel eingesetzt. Doch galt damals noch ein ungeschriebenes Abkommen, Raketen und Bombardements nur gegen militärische Einrichtungen einzusetzen.

Dieses ungeschriebene Gesetz wurde erst im Golfkrieg gebrochen, als der Irak und der Iran Anfang dieses Jahres den sogenannten Städtekrieg begannen und gegenseitig die Zivilbevölkerung mit Mittelstreckenraketen beschossen.

Inzwischen wurde in diesem Krieg auch Gas gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt, und allein in Kurdistan wurden rund 5000

Personen durch den chemischen Krieg getötet. Das Vergehen der Kurden: Sie sympathisierten mit dem Iran.

Die genannten Raketen können auch mit chemischen Sprengköpfen geliefert werden. Man kann aber auch die konventionellen gegen chemische oder sogar Atomsprengköpfe austauschen.

Mit Raketen, sogar mit Gasraketen kann man keinen Krieg gewinnen oder eine Entscheidung erzielen. Man kann jedoch die Moral der Zivilbevölkerung untergraben. Die Frage ist nun, wie man sich der Raketen erwehren kann, solange es noch keine effektive Gegenrakete gibt. Nur indem man vor dem Abschuß der Raketen die Raketenrampe bombardiert. Dann wird aber der Verteidiger zum Aggressor.

Der neue Rüstungswettlauf im Nahen Osten zeigt, wie wichtig es ist, um jeden Preis einen Frieden zu erreichen, um weiteres Blutvergießen zu verhüten.

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