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Ruf des Herolds

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„Gegründet einst als Bollwerk der Selbstfindung der Katholiken, hat Herold entschieden seine Tore für alle aufgetan, denen es ernst ist um die Gestaltung der Zukunft der Menschen.“ Friedrich Heers Leitgedanke hat in den letzten Jahren erfreulich und erneut Bestätigung erfahren.

Das traditionsreiche Druck-und Verlagshaus in Wien-Josefstadt, seit 1976 unter einer Unternehmensleitung mit dem Wiener Dom-Verlag kooperierend, hat in den vergangenen Jahren aufgerüstet. Investitionen in die modernste Druck- und Zeitungstechnologie brachten beispielsweise den langfristigen Druckauftrag der großformatigen Tageszeitung „Die Presse“ ein.

Die Druckerei ist zwar das kräftigste, nicht aber das einzige „He-rold“-Standbein. Eine Zeitschrif-tenabteilung zählt unter anderem ebenso dazu wie eine Buchauslieferung. Und ein Buchverlag, der -1947 gegründet — heuer im Jubiläumsjahr steht.

In den achtziger Jahren gelang es, dem alten Ruf neuen Glanz zu verleihen. Ohne den angestammten Bereich des religiösen Buches zu vernachlässigen, bekam das Verlagsprogramm neue Dimensionen: Kultur und Kunst, Literatur und Geschichte fanden sich zu einem reputierlichen Angebot, das national wie international zunehmend Echo und Anerkennung fand.

Zudem wurde — in Zusammenarbeit mit dem „Wiener Journal“ — die „Edition Atelier“ auf die Beine gestellt, qualitativ hochstehender Literatur und pointierter kulturphilosophischer Auseinandersetzung mit aktuellen Fragen der Gegenwart gewidmet.

Ein steiniger Weg. Es braucht Zeit und Geduld, um im Buchhandel akzeptiert zu werden, um Fuß zu fassen. Aber heute sieht man in den Schaufenstern renommierter Buchhandlungen, daß das „He-

rold“-Programm gut plaziert ist. Und das ist ein Barometerwert.

Mitten hinein in diese Entwicklung platzt die Nachricht von Kündigungen. Von einer Einengung des Verlagsprogramms ist die Rede. Und von einem bevorstehenden Wechsel in der Geschäftsführung.

„Wir sind in einem Stadium der Klärung. Im großen und ganzen ist alles offen.“ Generalvikar Rudolf Trpin, Vorsitzender des - einem Auf sichtsrat vergleichbaren - „Herold“-Beirates, der die Interessen des Eigentümers — der

Erzdiözese Wien - vertritt, sieht noch nichts entschieden. Und die nächste Beiratssitzung ist für den 9. Februar anberaumt.

Sein Eigentümerinteresse: „Es soll alles so bleiben, man muß nur trachten, das effizient zu gestalten.“ Konkret geht es um „die Verbesserung des finanziellen Ergebnisses“.

Konkret hat - wie aus Beiratskreisen zu hören ist — vor allem die Bilanz des Jahres 1985 nicht •den Vorstellungen des Eigentümers entsprochen, eines Jahres freilich, in dem auch Investitionen für den „Presse“-Druckauf-trag ganz kräftig - noch ohne entsprechende Einnahmenpost - zu Buche schlugen.

Die Vorgabe des Eigentümers an die Geschäftsführung: „Das kaufmännische Ergebnis soll günstiger werden“ (Trpin).

Die Geschäftsführung: Fritz Müller, aus dem Dom-Verlag kommend, seit 1982 mit der Geschäftsführung betraut und per 1. November 1986 zum Generaldirektor bestellt, lehnt jede Stellungnahme ab: „Kein Kommentar.“

Franz Hörmann, als kaufmän-

nischer Direktor im November des Vorjahres in die Vorstandsetage des 300-Mitarbeiter-Unter-nehmens eingerückt, ist nur bedingt auskunftsfreudig.

„Beide haben unser volles Vertrauen“, erklärt Generalvikar Trpin der FURCHE auf die Frage, ob es eine Veränderung in der Geschäftsführung geben werde. Womit er das Gemunkel, daß Müller so gut wie fix Mitte 1987 aus dem Vorstand — einvernehmlich—ausscheiden wird, zumindest ignoriert.

Andere Entscheidungen zeichnen sich bereits deutlicher ab. „Herold“ wird — nicht nur durch erste Kündigungen signalisiert — den Buchverlag ab Herbst zurückstutzen. Das betrifft, so Hörmann, „die nicht-traditionelle .Herold'-Linie“.

Mit anderen Worten: Religiöses Buch und Studienhelfer ausgenommen, zieht sich der „Herold“-Buchverlag vom Markt zurück. „Das Programm vor 1980“ (Hörmann) wird als Maßstab für das Verlagsprogramm ab 1988 dienen. Hörmann vertritt jedenfalls den Standpunkt, „die Herausgabe von Büchern unter dem verstärkten Gesichtspunkt ökonomischer Überlegungen zu sehen“.

Eine derartige Reduktion bliebe freilich nicht ohne Signalwirkung. Nicht wenige würden ihn als Teilrückzug der Kirche Wiens von ihrer kultur- und gesellschaftspolitischen Berufung deuten. Die fragile Beziehung zu Künstlern und Literaten — schwer genug für die Kirche, in diesen Bereich hineinzustrahlen — könnte unbewußt belastet werden.

Allerdings: „Wir sind ja kein Wohltätigkeitsinstitut für den Büchermarkt“ (Trpin). Wohltäter ist aber wohl auch jener deutsche Interessent nicht, der just dort in eine „Herold“-Sparte einzusteigen gedenkt, wo der Eigentümer zum Rückzug bläst.

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