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Ruf nach Ruhe

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In Amman ernannte König Hussein nach dem überraschenden Rücktritt des Kabinetts Achmed Abdel Kerim el-Lausi den erst knapp 37jährigen Berufsdiplomaten es-Said er-Rifai zum neuen Regierungschef Jordaniens. Er-Rifai übernahm gleichzeitig die bisher von Salach Abu Seid und von seinem Vorgänger verwalteten Ämter des Außen- und Verteidigungsministers. Der Regierungswechsel ist in erster Linie eine Reaktion auf den dreiwöchigen blutigen Bürgerkrieg zwischen Palästina-Guerillas und regulären Streitkräften im Nachbarland Libanon, deutet nach Ansicht politischer Beobachter in der jordanischen Hauptstadt aber auch auf eine bevorstehende Verschärfung des Kurses gegenüber Israel.

Jordanien hatte schon kurz nach Ausbruch der Beiruter Wirren aus Furcht vor einem Übergreifen der Auseinandersetzung auf Amman vorsorglich den Ausnahmezustand verhängt. Die Kontrolle der aus Syrien kommenden Reisenden wurde wieder verschärft, um die Hafenstadt Akaba reaktivierte man den Sicherheitskordon und Beduinentruppen wurden in die Nähe der Hauptstadt verlegt. Im Ammaner Stadtbild traten mehr Uniformierte in Erscheinung als jemals seit dem Ende des „Schwarzen September“ vor rund zweieinhalb Jahren. Den Insassen der Flüchtlingslager und den Sympathisanten der Freischärler unter ihnen sollte deutlich vor

Augen geführt werden, daß der Haschimitenstaat entschlossen war, jeden Ansatz zu neuen Unruhen im Keim zu ersticken.

Die Bevölkerung nahm diese Vor-sorgemaßnahmen ohne Murren hin. Sogar die meisten Palästinenser wünschen keine Wiederholung des blutigen Herbstes von 1970. Die Jordanier wollen ihre Ruhe haben. Die Beiruter Ereignisse warfen allerdings lange Schatten auch auf Jordanien. Die wochenlange Unterbrechung ds Transithandels via Hafen Beirut, durch die der libanesischen Wirtschaft täglich schätzungsweise fast zwei Millionen Dollar verlorengingen, führte auch zu Engpässen auf dem jordanischen Versorgungs- und Imvestitionsgütermarkt.

In Amman sieht man in der Berufung er-Rifais zum Nachfolger des seit langem kränklichen Ministerpräsidenten el-Lausi vor allem eine Warnung König Husseins an die Adresse der Palästina-Guerillas. Er-Rifai gilt als ebenso entschlossener Gegner der „Fedaijjin“ wie der seinerzeit in Kairo ermordete damalige Premierminister Wasfi et-Tell, dem die jordanische Postverwaltung nicht von ungefähr gerade jetzt eine Sonderbriefmarkenserie widmete. Er-Rifai entging in seiner Londoner Botschafterzeit von 1970 bis 1972 nur knapp einem Anschlag auf sein Leben. Der 1936 geborene Berufsdiplomat wurde am Kairoer Viktoria-College erzogen und studierte in Harvard und Columbia. Be-

reits als Einundzwanzigjähriger ging er 1957 in den diplomatischen Dienst an den Botschaften seines Landes in Kairo, Beirut, London und bei den UN in New York. 1965 wurde er königlicher Protokollchef und hatte nacheinander mehrere wichtige Vertrauensstellungen am Hofe inne. Seit

dem Ende seiner Botschaftertätigkeit in London, im vergangenen Jahr, war er persönlicher politischer Berater Husseins und galt als Premier im Wartestand. Er-Rifai gilt seit dem Tod Wasfi et-Tells als einer der loyalsten Monarchisten und eine der stärksten Führungspersönlichkeiten der jordanischen Politik.

Die neue Regierung wird wie man in Amman annimmt, künftig einen schärferen Kurs auch gegenüber Israel und dessen Politik im besetzten Westjordanien einschlagen. Premierminister er-Rifai gilt zwar als Feind jeder Beteiligung Jordaniens an einem weiteren bewaffneten Konflikt, aber auch als ausgesprochener Gegner direkter Verhandlungen mit Jerusalem. Für ihn ist die vollständige Rückgabe des westlichen Jordanufers und die Rückkehr Ost-Jerusalems zur haschemitischen Krone unabdingbare Voraussetzung für jedes Gespräch mit Israel. Nachdem bereits die vorige Regierung den bisher weitgehend unbehinderten Reiseverkehr jordanischer Untertanen nach und von dem besetzten Westufer einschränkte (Jordanier dürfen jetzt nur noch alle zwei Jahre und unter Mitnahme von nur fünfzig Dinar ihre Verwandten in Palästina besuchen) und die Lebensmitteleinfuhren aus diesem Gebiet durch einen zwölfprozentigen Zoll erschwerte, will er-Rifai jetzt auch das dem Parlament bereits vorliegende Gesetz durchbringen, demzufolge Landverkäufe an Israelis oder jüdische Organisationen mit der Todesstrafe bedroht werden. Diese Maßnahmen sollen den Israelis klarmachen, daß Jordanien nicht länger gesonnen ist, der zielstrebigen Überfremdung tatenlos zuzusehen.

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