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Ruhe vor dem Sturm

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Daß die eiserne Lady Margaret Thatcher auch in der Außenpolitik ihren Mann steht, hat sie in Sambias Hauptstadt Lusaka eindringlich bewiesen - zur Überraschung der internationalen Öffentlichkeit. Denn ein derart souveränes Agieren auf dem glatten und emotionsgeladenen Parkett der Commenwealth-Konferenz hätte man ihr nicht zugetraut.

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Daß die eiserne Lady Margaret Thatcher auch in der Außenpolitik ihren Mann steht, hat sie in Sambias Hauptstadt Lusaka eindringlich bewiesen - zur Überraschung der internationalen Öffentlichkeit. Denn ein derart souveränes Agieren auf dem glatten und emotionsgeladenen Parkett der Commenwealth-Konferenz hätte man ihr nicht zugetraut.

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Auch in der Innenpolitik hat die resolute Lady bislang deutlich gezeigt, daß sie gewillt ist, ihre Wahlversprechungen einzulösen und dem Land mit ihrem marktwirtschaftlichen Rezept neuen Schwung zu verleihen: mehr Freiheit, mehr Selbstbestimmung, mehr Eigeninitiative für alle. Das bedeutet konkret: Rückzug der verstaatlichten Industrie, steuerliche Anreize für Private und - nicht zu vergessen - eine Regulierung der Macht der Gewerkschaften.

Letzteres ist eine Aufgabe, für die Thatcher auf Grund des deutlichen Wahlergebnisses vom Mai ein „absolutes Mandat“ zu haben vermeint. Schließlich waren es letztlich die Gewerkschaften, die für die Niederlage der Labour Party bei diesen Wahlen verantwortlich waren, zerstörten sie durch ihre „Streikorgie“ doch das Märchen, daß nur Labour-Regierungen mit den Gewerkschaften auskommen können.

Nicht zum ersten Mal, dafür mit der ihr eigenen Entschlossenheit, steuert eine britische Regierung nunmehr auf Konfrontationskurs mit den Gewerkschaften. John Elliott, Journalist und Autor eines Buches über die englischen Gewerkschaften spricht ungeschminkt aus, worum es geht: „Nichts haben die britischen Gewerkschaften in den letzten Jahr; zehnten erbitterter verteidigt als ihre Immunität vor dem Gesetz.“

Bereits in der Herbstsession soll ein Gesetzesentwurf im Parlament eingebracht werden, der in einigen Punkten Wildwüchse verhindern beziehungsweise abstellen soll: das Streikpostenrecht soll geregelt, die Wahl der Gewerkschaftsfunktionäre künftig in geheimer Wahl erfolgen und das „Closed shop“-Prinzip gemildert werden. („Closed shops“ sind Betriebe, in denen jeder Arbeitneh--mer einer Gewerkschaft angehören muß. Tritt,er aus der Gewerkschaft aus, oder wird ausgeschlossen, verliert er automatisch seinen Posten, und zwar ohne Schadenersatzanspruch.)

Obwohl der linksliberale „Guardian“ zu den Regierungsplänen meinte, daß von Einschränkung gewerkschaftlicher Grundrechte keine Rede sein könne, daß die Vorschläge eher der Demokratie in den Gewerkschaften förderlich wären, sehen radikale Gewerkschafter ihre Rechte bedroht.

Aber nicht nur diese Pläne beschäftigen die Gewerkschaften und die Labour Party, auch die bewußte Zurückdrängung der Rolle der verstaatlichten Betriebe beziehungsweise die teilweise Reprivatisierung von Betrieben wie BP oder British Airways beunruhigen die zentralistisch und interventionistisch eingestellten Genossen.

Wenn auch nach knapp drei Monaten noch kein Urteil über die neue Tory-Wirtschaftspoütik gefällt werden kann, muß doch festgestellt werden, daß die richtige Basisstrategie gewählt wurde: Bekämpfung der Inflation über eine strikte Geld- und Fiskalpolitik, also ohne dirigistische Eingriffe wie Preis- und Lohnkontrollen.

Um das Budget zu entlasten, wurden die Ausgaben um rund drei Milliarden Pfund (rund 90 Milliarden Schilling) gekürzt: Mit dem „Drauf-los-Wirtschaften“ bei den Staatsausgaben soll es vorbei sein, das Vertrauen in die britische Währung wieder gestärkt werden.

Dieses „Programm“ bedingt jedoch, daß Großbritannien kurzfristig eine schwierige Zeit durchzustehen haben wird: Hohe Zinsen, eine Steigerung der Inflationsrate, dement-sprechende Lohnforderungen für den Herbst (rund 20 Prozent) sowie eine Zunahme der Arbeitslosigkeit in der Übergangsperiode.

Die Regierung hat also kein Schönwetter-Budget gemacht, sie ist gewillt nach Jahren der Gefälligkeitspolitik den Engländern eine Therapie zu verordnen. Und die hat das Land dringend nötig, wie auch internationale Wirtschaftsexperten bestätigen.

Während sich die britischen Gewerkschaften für die bevorstehende herbstliche Auseinandersetzung rüsten, ist die Labour Party vornehmlich mit sich selbst und den verlorenen Wahlen beschäftigt. Warum hatte sie mit 37,8 Prozent ihr'schlechtestes Ergebnis seit 1931? Wer ist schuld an diesem Debakel?

Sicherlich: Das auslösende Moment waren die Streiks gewesen, die jeden einzelnen Briten regelrecht schädigten. Labour-Denker finden unter der Oberfläche jedoch auch andere Ursachen: Etwa das Bild einer Partei im Niedergang, die sich jahrelang im „sterilen Dialog erschöpfte“ und den Wählern wenig Neues und Mitreißendes zu bieten habe (so die intelligente Labour-Dame Shirley Williams).

Sehr geschadet hat der - vom Mitgliederschwund heimgesuchten -Partei aber vor allem auch die Fernsteuerung durch die Gewerkschaften. Eine Fernsteuerung, die eine erstarkende linke Gruppe in der Labour Party unter Führung des ehrgeizigen Wedgwood Benn beim nächsten Parteitag nutzen will, um das Partei-Establishment zu erschüttern:

Bislang wurde der Labour-Parteichef von der Unterhausfraktion gewählt. Dies bewirkte eine für den Labour-Premierminister vorteilhafte Unabhängigkeit von der Partei. Konkret: die Partei konnte wiederholt ein radikales Wahlprogramm beschließen, der Premier konnte sich aber erlauben, Teile daraus zu ignorieren.

Nicht zuletzt von der Frage, wie lange die Labour Party für ihre Konsolidierung braucht, wird es auch abhängen, wie lange die derzeitige „Schonfrist“ für Margaret Thatcher dauert.

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