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Ruhensmücke als Arbeitselefant

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Zwischen der Regierung und ihren Beamten geht es hart auf hart: um die Ru-hensbestimmungen. Diesen wird eine Bedeutung beigemessen, die ihnen gar nicht zukommt.

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Zwischen der Regierung und ihren Beamten geht es hart auf hart: um die Ru-hensbestimmungen. Diesen wird eine Bedeutung beigemessen, die ihnen gar nicht zukommt.

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Am Abend des 22. März schieden Regierung und Staatsdiener im Zorn: Ein Gespräch zwischen Bundeskanzler Fred Sinowatz und dem Chef der Beamtengewerkschaft, Rudolf Sommer, über die vom Koalitionskabinett geplante Einführung von Ruhens-bestimmungen für Beamte endete mit einem handfesten Krach.

Sinowatz jedenfalls ließ jenen Maßstab missen, den er kurz zu-

vor bei den VOEST-Arbeitern angelegt hatte: Vor die Wahl gestellt, zwischen einer Kürzung der freiwilligen Sozialleistungen, wie sie von der Unternehmensleitung für notwendig erachtet wurde, und einem VÖESTler-Streik zu entscheiden, entschied sich der Kanzler nachgiebig für den sozialen Frieden.

Auf die Streikdrohung der ÖVP-dominierten Beamtengewerkschaft hingegen reagierte die Arbeitgeberseite Bund mit unnachgiebiger Härte, weshalb Sommer die geplanten Ruhensbe-stimmungen als „Diktat der Regierung" brandmarkt, gegen das entschieden angekämpft werden wird: „Die Konsequenzen wird der Bundeskanzler bald zu spüren bekommen."

Die Möglichkeit von Kampfmaßnahmen, die im Fall VÖEST zur Streitschlichtung geführt hat, führt bei den Beamten schlicht zum Streit: Die SPÖ-dominierten Gewerkschaften der Post, Bahn und Gemeindebediensteten sind zähneknirschend bereit, sich den Wünschen der großen Koalitionspartei zu beugen. Damit wurden die Sommer-Mannen vorerst isoliert.

Und damit kann die SPÖ Um-

sturzparolen trommeln. Wie aus einem Mund tönt es von Karl Ble-cha bis Fritz Marsch, der ÖVP gehe es doch eigentlich nur darum, daß Streik in Österreich „nicht mehr in Sekunden, sondern in Tagen und Wochen gezählt wird". Die Opposition wolle Österreich in „italienische Verhältnisse" stürzen.

Nur: Dem Thema wird eine Bedeutung beigemessen, die ihm nicht zukommt.

Worum geht es?

Derzeit ist es den öffentlichen Bediensteten erlaubt, im Ruhestand zuzüglich zur Pension ein Einkommen zu haben — und das unbeschränkt. Hingegen durften ASVG-Pensionisten schon bisher nur beschränkt dazuverdienen, mit Beschluß des Nationalrates

vom 21. Oktober 1983 werden die Ruhensbestimmungen nun per 1.. April noch weiter verschärft (siehe Kasten).

Jetzt will die Regierung auch für Staatsdiener Ruhensbestimmungen schaffen. Der Vorschlag sieht vor, daß ein Ruhen der Beamtenpension bei einem zusätzlichen Verdienst von mehr als 3.614 Schilling und im Ausmaß von maximal 3.614 Schilling eintreten soll.

Das hieße: Wenn ein pensionierter Beamter ein „Zubrot" von angenommen 10.000 Schilling verdient, werden 3.614 Schilling als Anteil von seiner Pension einbehalten.

Die Regierung führt ins Treffen, daß die Einführung von Ruhensbestimmungen — allerdings

auf ASVG-Basis - „Hunderte neue Arbeitsplätze und Mehreinnahmen für den Bund von 290 Millionen Schilling" (Staatssekretär Franz Löschnak) bringen würde. Sommer kontert, daß durch eine derartige Maßnahme „kein einziger Arbeitsplatz für junge Menschen" frei würde. Und Ärztekammerpräsident Richard Piaty sieht mit den Ruhensbestimmungen auch gleich die „Gefahr einer Verödung der Wissenschaft" herankommen. Denn beispielsweise würden dann pensionierte Universitätsprofessoren keine Beiträge oder Fachartikel mehr schreiben.

Welche Beschäftigungseffekte sind wirklich durch die jetzt geplante Form der Beamten-Ru-hensbestimmungen zu erwarten?

Der zuständige Experte im Wirt Schaftsforschungsinstitut, Georg Busch, ist skeptisch: „Ich glaube, daß der Beschäftigungseffekt nicht sehr hoch angesetzt werden sollte. Man darf ja nicht vergessen, worum es geht — hauptsächlich um Akademiker, Universitätsprofessoren, die oft eher eine Konsulententätigkeit ausüben. Daß das durch jüngere Arbeitskräfte substituiert werden könnte, würde ich nicht sehr hoch veranschlagen."

Trifft dann Piatys Einwand zu? Busch: „Ich glaube nicht, daß sich jemand von seiner Wissenschaftstätigkeit abhalten ließe, wenn er eine geringfügige Einkommenskürzung in Kauf nehmen müßte."

Pfusch als Ausweg

Und nicht einmal arbeitslose Jungakademiker könnten wirklich profitieren. „Nehmen Sie eine Konsulententätigkeit", meint der Wirtschaftsforscher, „da ist die Leistung an die Person gebunden und nicht so einfach substituierbar."

Noch dazu greifen die Ruhensbestimmungen nur bei den Ehrlichen, die mit einer zweiten Lohn-steuerkarte arbeiten. „Und die Leute, die schwarzarbeiten", verweist Busch auf die Kehrseite der Medaille, „sind von dem ohnehin nicht betroffen. Wohl aber sehe ich das Problem, daß überall dort, wo es möglich ist, in Pfusch und unangemeldete Tätigkeit auszuweichen, das eher begünstigt wird. Denn natürlich versucht jeder, einer drohenden Einkommenskürzung zu entgehen."

Kurzum: Eigentlich wird au der Ruhensbestimmungsmücke ein Arbeitsplatzelefant gemacht.

Zahlt sich die geplante Einführung dann zumindest finanziell für den Staat aus? „Selbst der Einsparungseffekt sollte nicht zu hoch veranschlagt werden", warnt Busch, „weil eben die Ruhensbestimmungen im Vorschlag doch eher mild gefaßt sind und nicht so stringent wie im ASVG-Bereich." Allerdings: „Der Kostenentlastungseffekt fällt mehr ins Gewicht."

Vielleicht. Vielleicht kostet aber auch der Verwaltungsaufwand, um die neue Regelung zu administrieren, mehr als sie bringt.

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