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Rundfunkmonopol bedarf Überprüfung

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FURCHE: Herr Landeshauptmann, die ÖVP hat bei den letzten Salzburger Landtagswahlen ein Mandat verloren. Was sehen Sie jetzt, nachträglich, als Hauptgrund für diesen Mandatsverlust an?

HASLAUER: Zunächst muß ich feststellen, daß wir bei den Landtagswahlen in diesem Jahr das zweitbeste Wahlergebnis seit dem Jahr 1949, seit also drei Parteien für den Salzburger Landtag kandidieren, erreicht haben. Wenn ich daran erinnern darf, daß sich im Jahr 1969 bei den Landtagswahlen bereits eine totale Pattstellung zwischen ÖVP und SPÖ ergeben hatte, daß damals nämlich der Abstand zwischen ÖVP und SPÖ nur mehr ganze 600 Stimmen betragen hat, muß man das dabei berücksichtigen. Und ein Traumergebnis, wie wir es im Jahr 1974 erzielen konnten, ist - noch dazu bei einem Wechsel im Kandidaten - sehr, sehr schwer zu wiederholen.

Wir haben natürlich trotzdem sorgfältige Analysen vorgenommen und haben dabei festgestellt, daß rund 2600 ÖVP-Mitglieder und rund 11.000 erwiesene ÖVP-Sympathisanten nicht zur Wahl gegangen sind. Nicht aus Protest, sondern weil, wie sich dann herausgestellt hat, viele so zuversichtlich waren, daß ohnedies nichts passieren könnte, und uns halt wieder einmal die These auf den Kopf gefallen ist: „Auf meine Stimme wird es schon nicht gerade ankommen.“ Wenn diese beiden Gruppen sich an der Wahl beteiligt hätten und ÖVP gewählt hätten, hätten wir nicht nur das 18. Mandat gehalten, sondern sogar noch ein 19. dazugewonnen. Das ist das eine.

Das zweite ist, daß sicherlich unsere Landtagswahlen im März bereits im Vorwind für die Nationalratswahlen gelegen sind, und das dritte, daß es uns nicht gelungen ist, was dann bei den Gemeindevertretungswählen sehr wohl geschehen ist, unsere Funktionäre so zu mobilisieren, daß sie Hausbesuche in größerem Maß gemacht hätten, weil sie alle miteinander zu optimistisch waren.

FURCHE: Seit die SPÖ bei den Vorarlberger Landtagswahlen mit ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der Aktion „Pro Vorarlberg“ offenbar recht gut gefahren ist, wird wieder etwas weniger über das Thema Föderalismus gesprochen. Wird sich die ÖVP jetzt einen neuen Anlauf in dieser Richtung nehmen?

HASLAUER: Ich glaube, wir dürfen uns nicht beeindrucken lassen durch momentane Stimmungsbilder in einzelnen Parteien. Für mich ist die Stärkung der föderativen Idee in Österreich überhaupt das entscheidende gesellschaftspolitische Anliegen. Ich habe das in meiner Antrittsrede im Landtag auch sehr deutlich dargelegt. Ich habe schon damals gesagt: Salzburg ist ein kleines Land, und wir können nur in dem uns gegebenen engen Rahmen wirken, aber wir können Beispiele setzen, Initiativen entwickeln, Vorschläge erarbeiten und überall, wo unser Einfluß wirkt, zur Eigeninitiative ermutigen. Darauf beruht im Grunde auch die Idee der föderativen Ordnung.

Für uns muß der Föderalismus mehr sein als nur eine staatsrechtliche Idee, wir müssen vielmehr im Föderalismus jenes umfassende politische Gestaltungsprinzip erkennen,das das natürliche Gegengewicht zur Vereinheitlichung, zur Konzentration und zur Zentralisation schafft. So wird die föderative Idee zur unentbehrlichen Infrastruktur der Demokratie und zur territorialen Teilung staatlicher Gewalt. Das ist gerade in einem Stadium staatlicher und gesellschaftlicher Entwicklung um so wichtiger, in dem die Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung und Vollziehung und zwischen Justiz und Verwaltung in der klassischen Form immer stärkere Funktionsschwächen zeigt.

Allerdings ist der österreichische Föderalismus gemessen an anderen Ländern mit bundesstaatlicher Ordnung schwach ausgebildet. Entscheidende Kompetenzen fehlen, die Abhängigkeit vom Gesamtstaat im finanziellen Bereich ist perfekt. Deshalb wird es auch darauf ankommen, die föderative Ordnung in Österreich zu stärken. Das gilt ebenso für die Gemeinden wie für die Länder. Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um den Gemeinden und

Ländern zu einer Verbesserung ihrer materiellen Leistungskraft zu verhelfen.

FURCHE: Können Sie einige konkrete Aufgaben nennen, die ein Land wie Salzburg vom Bund übernehmen könnte oder sollte?

HASLAUER: Es geht uns nicht nur darum, daß die Gesetzgebungskompetenzen der Bundesländer ausgebaut werden, darüber gibt das Forderungsprogramm der Bundesländer entsprechend Auskunft. Es ginge darüber hinaus auch darum, das System der mittelbaren Bundesverwaltung mit Dezentralisierung weiter auszubauen. In vielen Bereichen des Handelsministeriums, des Landwirtschaftsministeriums, des Unterrichtsministeriums wäre es nicht notwendig, alle Entscheidungen Wien vorzulegen, sondern, wie es in anderen Bereichen ja auch der Fall ist, die Landeshauptleute im Wege der mittelbaren Bundesverwaltung zu delegieren.

Dazu gehört auch mein Vorschlag, der aber schon einmal auf Ablehnung gestoßen ist, daß man die Sicherheitsdirektionen wieder den Landeshauptleuten unterstellt und sie ihres unmittelbaren bundesbehördlichen Charakters entkleidet. Auch auf finanziellem Gebiet wäre es durchaus möglich, eine Abgabenteilung vorzunehmen und das ausschließliche Abgabenmonopol des Bundes wenigstens zum Teil zugunsten der Länder aufzulösen.

FURCHE: Können Sie aus dem Unterrichtsbereich ein konkretes Beispiel nennen, wo man nicht Wien fragen, sondern im Land die Entscheidung fallen sollte?

HASLAUER: Jede Bestellung eines Schulinspektors wird endlos lang in den Landesschulratskollegien beraten und in mühsamen Prozeduren dann beschlossen. Aber dieser Beschluß bedeutet beileibe nicht eine Bestellung des Schulinspektors, sondern das ist lediglich als ein Antrag an das Bundesministerium zu werten, das dann die Entscheidung trifft. Es wäre doch für beide Teile einfacher und zweckmäßiger, wenn in solchen Fällen auf Grund des Beschlusses des Landesschulrates, eines Kollegiums, das ja bundesgesetzlich geregelt ist, der Präsident des Landesschulrates die Ermächtigung hätte, die Bestellung im Sinne des Beschlusses des Kollegiums vorzunehmen.

FURCHE: Sie häben vor anderthalb Jahren mit Ihrem steirischen Kollegen Niederl ein Konzept zur Neuordnung der Ründfunkland- schaft vorgelegt, das einen stärkeren Einfluß der Bundesländer vorsah. Stehen Sie heute, nachdem nicht der Kandidat der SPÖ ORF-Generalintendant geworden ist, noch zu diesem Konzept?

HASLAUER: Wir stehen unverändert zu diesem Konzept. Das damalige Konzept war nicht nur stärkerer Einfluß der Bundesländer, sondern auch eine Teilliberalisierung. Dieses Konzept wurde von maßgeblichen SPÖ-Kreisen in Grund und Boden verurteilt. Um so bemerkenswerter war es für mich, als vor etwa einem halben Jahr sowohl Bundeskanzler Kreisky als auch Zentralsekretär Blecha, der unsere Idee ein Jahr davor als abwegig und irreal hingestellt hatte, die Idee einer Teilliberalisierung nun für durchaus erwägenswert ansahen. Wir sehen hier einen bemerkenswerten Gesinnungswandel, der allerdings erst in wenigen Bemerkungen des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Zentralsekretärs zum Ausdruck gekommen ist, und eine nachträgliche Rechtfertigung unserer damaligen Initiative.

FURCHE: Werden Sie allein oder gemeinsam mit Niederl, Ihre Forderung nach Liberalisierung in Zukunft lautstark wiederholen bzw. neue Vorschläge zu dieser Thematik machen?

HASLAUER: Ich habe in Salzburg vor ungefähr einem Jahr für verschiedene Themenbereiche Salzburg-Kommissionen eingesetzt, die nur mit Fachleuten ohne Rücksicht auf Parteizugehörigkeit, Weltanschauung, Konfession zusammengesetzt sind. Diese Salzburg-Kommissionen beschäftigen sich mit Fragen der Bürgerbeteiligung, mit den weiten Problemen der Lebenskultur, mit den Fragen der Raumordnung und der Umwelt, weil ich glaube, daß wir es notwendig haben, in einer immer komplizierter werdenden Welt, noch stärker als bisher zu einer Kooperation zwischen dem differenzierten Sachverstand und den politischen Instanzen zu kommen.

Eine vierte Salzburg-Kommission habe ich für Fragen der Medienpolitik eingesetzt. Und in dieser Kommission wird nun auch der Niederl- Haslauer-Plan eingehend diskutiert. Wir erhoffen uns gewisse weitere Anregungen, und wir werden zur gegebenen Zeit versuchen, unsere Idee neuerlich zur Sprache zu bringen.

Wir verfolgen mit großem Interesse die gegenwärtigen Bemühungen in der Bundesrepublik Deutschland auf Verbesserung der Länderpositionen in der BRD in bezug auf die Fernseheinrichtungen, und wir werden sicherlich auch daraus neue Erfahrungen für unsere weiteren Maßnahmen gewinnen können.

FURCHE: Das läuft dann auf Aufhebung des ORF-Monopols hinaus?

HASLAUER: Es läuft auf eine teilweise Aufhebung des Monopols hinaus. Wir haben das ja in unserem Papier damals sehr deutlich dargelegt. Wir hätten uns eine Dreiteilung vorgestellt: eine gesamtösterreichische Einrichtung, einen von allen Bundesländern getragenen Fernsehkanal und als drittes den Versuch, auch private Einrichtungen zuzulassen.

FURCHE: Halten Sie es auf Grund der allgemeinen politischen Situation und auf Grund der letzten Erklärungen des Bundeskanzlers und des SPÖ-Zentralsekretärs Blecha für wahrscheinlich, daß innerhalb der begonnenen Legislaturperiode das Rundfunkmonopol fallen wird?

HASLAUER: Ich bin nicht in der Lage, das beurteilen zu können. Ich bin allerdings überzeugt, daß über früh oder spät kraft der faktischen Entwicklung sich Österreich nicht einem allgemeinen Prozeß entziehen kann, der unter Umständen aus benachbarten Ländern auf uns zukommt. In England hat man mit diesem System teilliberalisierter Medienpolitik im Bereich des Rundfunks und des Fernsehens gute Erfahrungen gemacht, in Italien ist es mit über 1000 privaten Radiosendern zu anarchischen Verhältnissen gekommen, in der BRD überlegt man gegenwärtig eine Teilliberalisierung bzw. eine gewisse Strukturänderung, und ich bin daher überzeugt, daß Österreich auf die Dauer sich nicht der Notwendigkeit verschließen kann, die Frage der Aufrechterhaltung des Rundfunkmonopols einer neuen gründlichen Überprüfung zu unterziehen.

Mit Landeshauptmann Dr. Wilfried Haslauer sprach Heiner Boberski.

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