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Rußlands Freunden droht Gefahr

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Gedanken angesichts des sowjetischen Einmarschs in Afghanistan am 25. Dezember 1979.

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Gedanken angesichts des sowjetischen Einmarschs in Afghanistan am 25. Dezember 1979.

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„Sicher nicht", sagte der aus der Sowjetunion ausgebürgerte Historiker Michail Woslenski auf die „Spiegel"-Frage, ob denn Freundschaftsverträge mit der Sowjetunion ein besonderes Risiko seien. Aber dann mußte auch er zugeben: eigentlich doch. Afghanistan ist nur der vorläufig letzte in einer langen Kette von Fällen, in denen ein sowjetischer Überfall einem Vertragsabschluß folgte.

Die Sowjetunion selber hatte die unabhängige Baltenrepublik Lettland zum Abschluß eines Freundschafts- und Beistandspaktes aufgefordert, der am 5. Oktober 1939 zustandekam. Am 17. Juni 1940 fiel die Rote Armee in Lettland ein.

Während West und Ost knapp vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs bemüht waren, eine Front gegen Hitler zustandezubringen, in der eine russisch-polnische Achse eine wichtige Rolle zu spielen gehabt hätte, machte Stalin von seinem am 23. August 1939 zur Überraschung der ganzen Welt mit Hitler geschlossenen Pakt Gebrauch und besetzte Ostpolen.

Im November 1939 marschierte die Sowjetunion in Finnland ein, mit dem es zu dieser Zeit gerade Verhandlungen über einen Beistandspakt führte.

Knapp vor Ende des Zweiten Weltkriegs erklärte auch die Sowjetunion Japan den Krieg, obwohl sie mit diesem Staat noch am 13. April 1941 einen Neutralitätspakt abgeschlossen hatte.

Daß der Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten in die CSSR am 21. August 1968 der Besetzung eines Landes galt, mit dem es alle möglichen Kooperations-, Beistands- und Freundschaftsverträge gab, ist noch in frischer Erinnerung.

Einen Beistandsvertrag hatte die UdSSR im Dezember 1978 auch mit dem formal neutralen Afghanistan geschlossen. Am 26. Dezember 1979 begannen fünf Divisionen der sowjetrussischen „Freunde" zu marschieren ...

Vermutlich werden jetzt ein paar Regierungen in ihren Vertragspapieren blättern. Fast gleichlautende Beistandsklauseln wie im russisch-afghanischen Pakt stehen auch in den Verträgen, die die UdSSR in den letzten Jahren mit Indien, Irak, Vietnam, Äthiopien, Angola, Mocambique und Südjemen abgeschlossen hat.

Ja, natürlich: Es wird schon nicht so sein, daß in allen diesen Ländern übermorgen die russischen Fallschirmjäger landen. Aber wenn sie nicht landen, dann nur deshalb, weil Moskau vom jeweils verschonten Staat keine Gefahr für eigene Interessen drohen sieht. Droht eine solche, wird gelandet, geschossen und marschiert.

Und wie reagiert das neutrale Österreich, das nie auf Macht, nur auf Recht zur Verteidigung seiner eigenen Unabhängigkeit bauen kann, auf solch eklatante Völkerrechtsverletzung?

Im März 1938 war Mexiko das einzige Land der Erde, das bei Hitler gegen die Besetzung Österreichs protestierte. 1980 gibt es immerhin 43 Staaten, die eine Einberufung des UN-Sicherheitsrates forderten. Österreich war unter diesen dreiundvierzig nicht.

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