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Sachentscheidungen gemeinsam anstreben

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Wenn am 4. Februar über 100 Persönlichkeiten, nicht nur der Wissenschaft, zu einer Enquete des Wissenschaftsministeriums über die Forschungsorganisation zusammentreten, wird man sich an das Projektteam „österreichische Forschungskonzeption” erinnern, das seine Arbeiten mit der Publikation der Ergebnisse 1972 abgeschlossen hat. Stehen wir vor einer bloßen Wiederholung der Diskussion bei vergrößerter Teilnehmerzahl - damals waren es rund 70? Diese Frage kann von verschiedenen Gesichtspunkten aus beleuchtet werden:

• Von allgemeinen Zielvorstellungen abgesehen hat das Ministerium etwa die gleichen Themen wie seinerzeit in Form eines Fragebogens zur Debatte gestellt: Finanzierung, Koordination, Schwerpunkte, Kooperation, Information, Beratungsorgane, Management. In den schriftlichen Stellungnahmen von weit über 100 Institutionen und Einzelpersonen sind daher auch viele Aussagen enthalten, die aus der „Forschungskonzeption” bekannt sind, aber bisher ohne Konsequenzen geblieben sind. Die Entwicklung seit 1972 hat aber zu Gewichtsverschiebungen geführt.

• In den Institutionen dürfte zum Teil gründliche Meinungsbildung betrieben worden sein. Der Kreis der Befragten wurde erweitert, überdies konnte sich jeder Interessierte zuWort melden. So treten bisher weniger beachtete Probleme, etwa des privaten gemeinnützigen Sektors, aber auch persönliche Erfahrungen und geschlossene theoretische Konzepte, stärker in den Lichtkreis.

• Methodisch hätte die schriftliche Aufarbeitung der Stellungnahmen zu einer Synopsis von fast 700 Seiten und einem zusammenfassenden Arbeitspapier von 120 Seiten eine recht gute Gesprächsbasis geschaffen; hätte - weil in einer eigenen Enquete mit so vielen Teilnehmern kaum eine intensive Auseinandersetzung möglich ist.

Es scheint, daß diese Aufgabe einem Redaktionsbeirat - 31 Vertreter von Institutionen - zugedacht ist (wie Minister Fimberg in der „österreichischen Hochschulzeitung” ankündigte).

• Schon die „Forschungskonzeption” hatte Wissenschaftspolitik in größere Zusammenhänge mit Geesellschafts-, Wirtschafts-, Sachbereichspolitik gestellt Einige ideologische Ausflüge innerhalb der Fragebogenaktion führen zu wissenschaftsfemen Wertvorstellungen: etwa, daß Förderung durch den Bund von der demokratischen Struktur der geförderten Institution abhängig zu machen sei; daß man den von Forschung Betroffenen, also den Konsumenten, Mitsprache bei der Begutachtung von Projekten einräumen solle. Wenn man jetzt Grundsatzdiskussionen dieser Art beginnt, wird man zum eigentlichen Thema „Organisation” kaum vorstoßen. Die schriftlichen Aussagen dazu waren ohnedies eher spärlich und noch nicht sehr konkret

• Der Mangel an finanziellen Mitteln plagt die Forschungsstellen offenbar immer noch viel stärker als allfällige Mängel der Organisation. Die Hochschulen stehen unter UOG-Einwir- kung; die Wirtschaft spürt die Rezession. Vielfach werden organisatorische oder gar gesetzliche Regelungen nicht als Chance zur Situationsverbesserung betrachtet.

Es ist unmöglich, auf knappem Raum einen inhaltlichen Überblick über Thema und vorliegende Aussagen zu geben. Es sei aber auf einige Leerstellen und allgemeine Begriffe hingewiesen, die auf der Linie Zentralismus - Föderalismus - Selbstverwaltung liegen und in der Diskussion ausgespart werden dürften.

Auf Grund der Verfassung zielt die Regelung der Forschungsorganisation auf die Bundesebene ab, im Förderungsbereich macht sich der Wunsch nach Koordination aller Förderungsträger bemerkbar. Ein Amt einer Landesregierung fordert Mitsprache aller Länder in einem erweiterten „Wissenschaftsforum”; eine politische Stelle schlägt Landesforschungsgesellschaften vor, in deren Aufsichtsorganen Vertreter des Bundes sitzen sollen. Beide Gremien sollen auf ihrer Ebene bestimmend sein. Wer besorgt dann die Förderung von Vorhaben, die für den Bund zu klein, für die Länder nicht einschlägig, für die wissenschaftliche Prominenz nicht bedeutend genug sind?

Soll es in Zukunft statt der bestehenden beiden Forschungsforderungsfonds (Wissenschaft, Wirtschaft) nur einenFonds geben, weil das für ein kleines Land genügt, oder braucht man im Gegenteil weitere Fonds für Sozialforschung, Humanmedizin, Landwirtschaft, Ressortforschung? Und - wie viele Fonds es auch geben mag - sollen sie neben der Antragsforschung physischer Personen auch die juristischen Personen, auch Auftragsforschung, Schwerpunkte, Kleinvorhaben, Publikationen fördern?

Mit der Zahl der Fonds steht die ausgewogene Besetzung der Gremien mit Fachgelehrten zur Debatte, mit der Aufgabenstellung hängt die Besetzung der Sekretariate mit Spezialisten zur sachgerechten Entscheidungsvorbereitung zusammen. In beiden Fällen hat man sich mit der Forderung herumzuschlagen, in die Entscheidungsgremien eine größere Zahl von Vertretern gesellschaftlicher und politischer Bereiche aufzunehmen. Das führt wieder zur allgemeineren Frage, wer die hautnaheren Entscheidungen trifft: Wissenschafter, Beamte, Politiker, Wirtschafter, gemischte Kommissionen, Dachverbände… ?

Organisiert man Wissenschaftsforum, Forschungsrat, interministerielle Komitees zu einem dichten Netz ständiger formeller Beziehungen, wird Beweglichkeit verlorengehen. Aber auch volle Bewegungsfreiheit der Förderer wie der Forschungsinstitutionen ist keine Garantie für Erfolg.

Wenn man haltbare Lösungen für die Organisation der Forschung sucht, wird man daher wahrscheinlich jene Vorschläge besonders beachten müssen, die in Gesetzen nur einen Rahmen sehen, die maßgeschneiderte sektorale Absprachen bevorzugen, die in ad hoc gebildeten Projektteams beraten wollen, die unvermeidliche Lenkungsmaßnahmen motivieren, die zur Zusammenarbeit nicht zwingen, sondern einladen, wie dies etwa in einem Vorschlag aus der Wirtschaft zur Ausschreibung von Forschungsthemen statt zur Vergabe von Forschungsaufträgen vorgesehen ist.

Gegensätze sind nicht in faulen Kompromissen, wohl aber im Entgegenkommen aufzuheben. Es gibt in den vielen Stellungnahmen genug gemeinsame Treffpunkte.

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