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Sadat hat wenig Zeit

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In Kairo reagieren Führung und öffentliche Meinung außerordentlich zufrieden auf die Ergebnisse des Salzburger Treffens zwischen dem amerikanischen Präsidenten Gerald Ford und dem ägyptischen Staatschef Mohammed Anwar es-Sadat. Man teilt hier keineswegs die Skepsis der Europäer und die Vorsicht der Amerikaner. Europäische Pressemeldungen, wonach außer einer Klärung der gegenseitigen Standpunkte nichts dabei herausgekommen sei, werden am Nil ebenso entschieden zurückgewiesen wie die amerikanische Darstellung, man müsse jetzt erst die für die zweite Juniwoche in Washington vorgesehene Begegnung Präsident Fords mit dem israelischen Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin abwarten. Ein wichtiges Hauptergebnis sei schon gewesen, daß Ford sich mit dem ägyptischen Präsidenten an einem neutralen Ort als gleichberechtigter Partner getroffen habe, während er den israelischen Regierungschef zu sich ins Weiße Haus zitiere. Das zeige die Bedeutung, die Ägypten für die Washingtoner Nahostpolitik habe.

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In Kairo reagieren Führung und öffentliche Meinung außerordentlich zufrieden auf die Ergebnisse des Salzburger Treffens zwischen dem amerikanischen Präsidenten Gerald Ford und dem ägyptischen Staatschef Mohammed Anwar es-Sadat. Man teilt hier keineswegs die Skepsis der Europäer und die Vorsicht der Amerikaner. Europäische Pressemeldungen, wonach außer einer Klärung der gegenseitigen Standpunkte nichts dabei herausgekommen sei, werden am Nil ebenso entschieden zurückgewiesen wie die amerikanische Darstellung, man müsse jetzt erst die für die zweite Juniwoche in Washington vorgesehene Begegnung Präsident Fords mit dem israelischen Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin abwarten. Ein wichtiges Hauptergebnis sei schon gewesen, daß Ford sich mit dem ägyptischen Präsidenten an einem neutralen Ort als gleichberechtigter Partner getroffen habe, während er den israelischen Regierungschef zu sich ins Weiße Haus zitiere. Das zeige die Bedeutung, die Ägypten für die Washingtoner Nahostpolitik habe.

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Das „Drumherum“ des Salzburger Treffens hat dem trotz der bevorstehenden Wiedereröffnung des Suezkanals noch immer laicht zu erschütternden ägyptischen Selbstbewußtsein neuen Auftrieb gegeben. Es-Sadats Prestige erhielt nach innen und nach außen eine Aufwertung. Die anderen „Konfrontationsstaaten“ aus dem Oktoberkrieg, Syrien, Jordanien, Saudi-Arabien und Kuweit, die man wegen ihrer aktiven Teilnahme am Erdölboykott dazurechnet, werden seiner Politik nun leichter folgen. Die Kritiker, also Libyen und der Irak, haben kaum noch -stichhaltige Argumente. Im Inneren erhielt die ägyptische Hoffnung auf amerikanische Wirtschaftshilfe neuen Auftrieb, die Presse macht in dieser Beziehung zwar nur dunkle Andeutungen, aber jeder Ägypter hofft jetzt wieder einmal auf das „große Geld'“ aus Uncle Sams Portemonnaie.

Hier zeigt sich übrigens ein gefährlicher Pferdefuß der Salzburger Gipfeldiplomatie. USA-Präsident Ford dürfte sich, sollte er es-Sadat tatsächlich gewisse Finanzhilfen in Aussicht gestellt haben, kaum gegen einen akzentuiert israelfreundlichen Kongreß durchsetzen können.

In Ägypten ist man sich darüber einig, daß Salzburg einen wesentlichen Fortschritt in Richtung auf Frieden für den Nahen Osten ge-

bracht habe. Schon vorher hatte Präsident es-Sadat erklärt, seine Begegnung mit dem Führer der westlichen Supermacht entscheide über Krieg und Frieden. Jetzt glaubt man sich hier darüber sicher sein zu können, daß die ägyptischen Argumente in Washington Gehör fänden

und daß die persönliche Sympathie zwischen es-Sädait und Ford ein wichtiger Beitrag zur Annäherung auch zwischen Kairo und Washington sei.

Nachdem auch Syrien durch den — freilich wegen des Streites mit dem Irak um das Euphrat-Wasser erzwungenen — Abzug von Panzereinheiten von der Golan-Front einen „Beitrag zum Frieden“ geleistet habe, müsse sich Israel jetzt ohne weitere arabische Gegenleistung zu einem weiteren Truppenflechtungs-abkommen bereiterklären. Wie man in Kairo erklärt, ist die von Jerusalem bislang dafür geforderte formelle Beendigung des Kriegszustandes vorläufig noch nicht möglich.

Die Ägypter warten jetzt mit Spannung auf das Ergebnis des Treffens Ford - Rabin in Washington und auf die binnen Monatsfrist angekündigten neuen Vorschläge der USA. Sie würden es am liebsten sehen, wenn USA-Außenminister Henry Kissinger noch im Juni oder doch im Juli seine direkten Vermittlungsbemühungen wieder aufnehmen würde. An eine Wiederauf-

nahme der Genfer Friedensverhandlungen noch in diesem Jahr glaubt man arabischerseits nicht. Das habe auch nur Sinn, wenn vorher ein politisches Vertrauensklima entstanden sei, das einen Erfolg in Genf einigermaßen wahrscheinlich ..yerden lasse.

Präsident es-Sadat hat wenig Zeit Im kommenden Jahr läuft seine Amtsperiode ab, und er bleibt bislang bei seiner Absicht, nicht ein zweitesmal zu kandidieren. Die Aushebung der dritten orthodox- islamischen Widerstandsgruppe gegen seine Politik in den letzten Monaten ist ein zusätzliches Alarmsignal. Kaum waren vorige Woche einige Teilnehmer an der letzten Verschwörung zum Tod verurteilt worden, entdeckte man eine neue. Es fällt schwer, nicht zu erkennen, das dahinter der nach der Macht am Nil schielende libysche Militärdiktator Moammer el-Gaddafi steckt. Und dieser besorgt, willentlich oder nicht, damit die Geschäfte Moskaus. Es-Sadat ist also schwächer, als man bisher annahm. Doch gerade diese Schwäche ist im Nah-Ost-Konflikt seine Stärke. Er ist der einzige arabische Führer, der mit Israel einen dauerhaften Frieden zu schließen bereit ist. In Ägypten glaubt man, daß man das jetzt auch in Washington verstanden habe.

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