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Sag das nie wieder!

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Ich habe eine sehr nette Freundin, die Maria, und die hat ein überaus hübsches Töchterchen, das Kathrinchen.

Das Kathrinchen ist ein sehr lebhaftes Kind, vom Temperament her ist es mindestens drei Kinder und meine Freundin ist gelegentlich ganz froh, wenn sie den stolzen Vater zur Kindesbeaufsichtigung überreden und sich ein paar ruhige Stunden Ausgang gönnen kann. So auch heute abend.

Wir wollen in ein Konzert und hinterher irgendwo etwas essen gehen; für meine Freundin wieder einmal ein willkommener Anlaß, sich vom strapaziösen Töchterchen zu erholen.

Als ich die Maria abholen komme, ist sie natürlich noch nicht fertig und trocknet erst das frisch gewaschene Haar. Ich werde dazu verurteilt, im Wohnzimmer mit dem Kathrinchen Konversation zu machen. Das ist schwierig. Lieber raufe ich mit dem kleinen Ding auf dem Teppich oder draußen im Garten ein wenig herum, aber heute geht das nicht. Meine Kleidung zwingt mich zu erwachsenem Gehabe.

Bei mir zjj Hause hätte ich keine Probleme, ein viereinhalbjähriges Mädchen zu faszinieren: ich habe Pferde, Katzen und wunderschöne Hasen. Damit läßt sich leicht Eindruck machen bei so einem jungen Menschenkind. Aber heute abend bin ich auf mich reduziert. Auf mich und das Kathrinchen und da ziehe ich meist den kürzeren.

Frech und herausfordernd steht das kleine Geschöpf vor mir, die Fäustchen tief in den Taschen der Latzhose vergraben. Ich mache den klassischen Eröffnungszug: „Na, Kathrinchen, wie gefällt's dir denn im Kindergarten?" „Gut!"

„Hast du wieder etwas Schönes gelernt?" „Jaaa!"

„Na fein. Was denn? Laß doch mal was hören!"

Ich -denke da an ein Gedichtchen oder ein neues Lied wie „Töff töff töff, die Eisenbahn" oder ähnliches.

Das Kathrinchen, energisch und mit Nachdruck:

„Pfuikack!"

Dabei schaut mir das kleine Ding dreist ins Gesicht, um meine Reaktion auf diese neueste verbale Errungenschaft seiner Kindergartenerziehung zu beobachten. Und ich kinderloser Dummkopf tappe in die Falle und frage mit mildem Entsetzen: „Wie bitte?... Was hast du da eben gesagt?"

Das Kathrinchen wiederholt bereitwilligst und triumphierend: „Pfuikack!"

„Ja sag du mir, das ist ja schrecklich!... Pscht!... Sowas sagt man nicht!... Wenn das die Mutti hört! Du mußt doch noch etwas Schöneres gelernt haben als dieses Pfui... äh... als dieses Wort!"

Das Kathrinchen, strahlend, den Schalk im blitzenden Auge: „Ohja!... Viel!"

„Na also; was ist denn das andere, das du gelernt hast?", frage ich Idiot und das Kathrinchen läßt den dicken Hammer, die absolute Steigerung von „Pfuikack" auf mich niedersausen: „Pfuibieselkack!"

Die erhoffte Reaktion wird von mir Tölpel natürlich prompt geliefert. Ich zische ein heftiges „Pschsch!" und hoffe nur, daß uns die Mutter, die immer noch mit ihrem Outfit befaßt ist, nicht gehört hat.

„Kathrinchen, das ist aber kein schönes Wort!... Das mußt du vergessen! Sowas sagt eine kleine Dame einfach nicht!"

Dabei übersehe ich natürlich völlig, daß das Kathrinchen alles sein möchte, bloß keine kleine Dame.

„Versprich mir, daß du dieses Wort nie mehr sagen wirst!"

Und das Kathrinchen, mit weiblichem Raffinement: „Welches Wort?"

Ich, beflissen und in pädagogischem Übereifer: „Na, dieses dämliche Pfuibieselkack!"

Und das ist nun genau der Augenblick, in dem die junge Mutter, strahlend schön wie die schaumgeborene Venus, ins Zimmer kommt und empört auf mich losfährt: „He, wie spricht du mit dem Kind?... Und wir wundern uns immer, wo die Kleine diese häßlichen Ausdrücke herhat!"

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