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Sakralmusik und Romantiker

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Die letzte Textzeile, die Arnold Schönberg vertonte, lautete „Und trotzdem bete ich“. Sie findet sich im 85. Takt des „151. Psalms“, den der Komponist unvollendet hinterließ. Die Komposition beruht auf einer Zwölftonreihe, deren zweite Hälfte den Krebs der ersten bildet. Die komplizierten Verschränkungen, in denen die beiden 'Sechstongruppen aufscheinen, ergeben ein Klanggewebe von äußerster Dichte. — Man hörte das selten aufgeführte Werk dankenswerterweise in einem ORF-Konzert aus Anlaß des 9. Internationalen IMZ-Kongresses. Ihm zur Seite stand „Kol Nidre“ op. 39 für Sprecher, gemischten Chor und Orchester. Obwohl 1938 geschrieben, steht dieses Stück ganz im tonalen Bereich, wobei G den Grund- und Zentralton bildet. Die Komposition basiert auf einer alten Synagogenmelodie, die beim Festgottesdienst zu Jörn Kippur erklingt. Das Werk schließt in strahlendem G-Dur.

Die christliehe Sakralmusik wurde bei diesem Konzert durch die Messe für gemischten Chor und Bläser von Igor Strawinsky vertreten, die in der Verwendung mittelalterlicher Techniken, wie der im 15. Jahrhundert gebräuchlichen „Deklamationsmotette“, ein Beispiel für die historisierenden Neigungen des Komponisten in seinen Altersjahren bildet. Auch die Messe für gemischten Chor a cappella von Paul Hindemith — 1963 für Hans Gillesberger und den Wiener Kammerchor geschrieben und somit das letzte Werk des Meisters — offenbart die neoklassizistischen Gedankengänge des Autors.

Als Einleitungsstüok hörte man die „Meditations sur l'Ascension“ des 25jährigen Oliver Messiaen: eine hymnische Apotheose des zum Himmel aufsteigenden Christus, die vor allem dem Schlagwerk und den Trompeten dankbare Aufgaben stellt.

Der ORF-Chor erwies sich — bei Hindemith unter der kundigen Leitung von Gottfried Preinfalk — als Klangkörper von bemerkenswerter Subtilität. Das ORF-Symphonieorchester war weniger glücklich disponiert. Auch neigt Milan Horvat, der die übrigen Werke dirigierte, immer mehr zu einer recht summarischen Wiedergabe. Hans Christian war ein sehr eindrucksvoller Spreeher.

R. E.

Ein Orchesterkonzert des „ORF“ stellte zwei Werken der Romantik ein Opus des polnischen, in die Moderne überleitenden Komponisten Karol Szymanowski, eine Konzert-Ouvertüre, gegenüber. Szymanowski, 1883 geboren, zeigt in dieser Partitur seiner Frühzeit die Handschrift eines Musikers der Jahrhundertwende, macht „verschleierte“ Anleihen an Richard-Strauss-Symphonien, jedoch keine an die damals schon existente Mahlersche Klangwelt. Das 16 Minuten dauernde Stück verfehlt seine Wirkung auf das Publikum nicht, ohne eine Einreihung in eine hohe Wertskala zu beanspruchen. Daß man von Webers Klavierwerken mit Orchester fast nur sein Konzertstück in f-Moll vorgesetzt bekommt, tut seinem 1. Klavierkonzert in C-Dur Unrecht, da dieses auf Grund seiner melodischen Erfindung und eines dankbar-virtuosen Klaviersatzes verdiente, doch manchmal aufgeführt zu werden. Peter Efler erwies sich musikalisch und technisch als voll entsprechender Interpret des Soloparts. — Das Glanzstück des Abends bescherte Karl Österreicher mit Mendelssohns „Italienischer Symphonie“, in welcher der vorzügliche Dirigent die so verschiedenen emotionsstarken Stimmungen des Werkes zu ausdrucksvoller Darstellung brachte. Viel Beifall im Großen Sendesaal. P. L.

Bernhard Haitink, dem Wiener Publikum vor allem als verläßlicher Dirigent der Wiener Philharmoniker bekannt, eröffnete den Internationalen Chor- und Orchesterzyklus mit dem London Philharmonie Orchestra im Musikverein. Eher enttäuschend dabei die Begegnung mit William Waltons Variationen über ein Thema von Paul Hindemith: Klassizistisch ebenmäßiges Material wird hier mit gedanklich ähnlichen polyphonen Verarbeitungsmethoden wie bei Hindemith, teils in Form von Charaktervariationen, teils in strukturell-harmonischer Verwandlung, vorgeführt. Dem Werk fehlen freilich organisch entwickelte Spannungen, deren Mangel auch durch die elegante, stellenweisesogar__originelle nstrumentation nicht“ 'ausgeglichen wird. Das Philharmonie Orchestra, ein vorzügliches, sehr homogen klingendes Ensemble von erstaunlicher Frische und Virtuosität des Bläserkörpers, bestätigte hier und vor allem auch bei Haydns c-Moll-Sym-phonie (Hob. 1/95) seinen hervorragenden Ruf. Weniger wußte Haiitink mit Bruckners „Vierter“ anzufangen, die ein wenig kontrastarm, zu schematisch, vor allem im Finale ohne jede glanzvolle Erhebung realisiert wurde. Was um so mehr störte, als man weiß, daß gerade dieses Orchester Bruckner mit packender Intensität und Klangschönheit wiederzugeben vermag.

K. H. R.

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