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Salzburg: Hofmannsthal und Joan Miro

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„Mich interessiert nichts auf der Welt so sehr, als wie man von einer Sache zur andern kommt" und „Das ist doch ein horreur. Mit neununddreißig Jahren nicht wissen, woran man mit sich selber ist, das ist doch eine Schand".

So beschreibt Hans Karl Bühl, Hofmannsthals „Schwieriger", seinen inneren Zustand und gibt damit gleichsam das Motto dieser Neuinszenierung der Salzburger Festspiele an.

Der Blick in das subtil verwirrende, an gesellschaftlichen Konventionen festhaltende Zusammenleben der Wiener Aristokratie nach dem Ersten Weltkrieg ist Regisseur Jürgen Flimm zu einer spannungsvollen Aufführung ganz ohne nostalgischen Touch geraten. Die Geschichte um das Zustandekommen einer Ehe - unter gleichzeitigem Kitten einer schon bestehenden und der Beendigung einer „Affaire" bezieht ihren Reiz aus dem Wie des Ablaufs.

In den beiden Hauptfiguren Kari Bühl und Helene Altenwyl stehen hier einander zwei Schwierige gegenüber. Menschen, zwar in den zwanziger Jahren angesiedelt (Erich Wonders Bühnenbild und Karl Lagerfelds Kostüme betonen das), die aber in ihrer sensiblen Verletzlichkeit und übersteigerten Enttäuschungsangst durchaus heutig sind, soziale Verhaltensregeln geben ihnen gleichzeitig Halt und sind ihnen Gefängnis.

Ihre Versuche, sich selbst und einander wahre Gefühle zu offenbaren, werden von ihnen als „Angelegenheit überreizter Nerven" empfunden. Helenes von allen gerühmte „Artig-

keit" deutet Flimm eher als Resultat innerer Anspannung, die sie schon bald die Maske artifizieller Ruhe verlieren läßt und wilde Verzweiflung hochbringt. Nicht mit überlegener Gelassenheit hält sie die Zügel des Geschehens in der Hand, unter äußerstem psychischen Druck scheint sie zu entscheiden, bevores für immer zu spät ist.

Mit diesem Motiv der Schwierigkeit, einander nahezukommen, läßt die Salzburger Aufführung die von Hofmannsthal gemeinte Fin-de-siec-le-Gesellschaft deutlich hinter sich.

Julia Stemberger gelingt als Helene die Ausstrahlung spröder Künstlichkeit ebenso wie ein fast psychopathisch anmutendes Schreiduell. Karlheinz Hackl überzeugt in der eitlen Überheblichkeit gegenüber dem Nebenbuhler ebenso wie durch launische Spleenigkeit und anrührende Verwundbarkeit. Auch sein Kari verliert gegenüber seinem vorlauten Neffen Stani (flott und glaubwürdig Boris Eder) einmal seine von Hofmannsthal vorgesehene Contenance.

Ein Poet der Zeichen

Als schillernd-attraktive Antoinet-te legt Nicolin Kunz die faszinierende Anziehungskraft hysterischer Frauen bloß, ihrem Ado verleiht Joachim Bißmeier jene trockenen Züge unwandelbarer Treue und penibler Charme-losigkeit, die schon wieder hilflos machen.

Als Crescence verkörpert Gertraud Jesserer - vielleicht ein wenig zu derb - die kuppel- und tratschsüchtige Variante einer Wiener Aristokratin.

Wolfgang Gässers Poldo Altenwyl, Peter Wolfsberger Sekretär Neugebauer, Edd Stavjaniks Kammerdiener Lukas treffen den richtigen Ton.

Regisseur Flimms Intention spiegeln zwei Haupt-Nebenrollen gut wider: August Zirners Baron Neuhoff, den er clownesk übersteigert und ins Absurde überhöht, und Kitty Spei-

sers penetrante Gesellschaftsdame Edine, deren Surrealität sie grundsätzlich von glanzvoll karikierenden Vorgängerinnen unterscheidet.

Während der Festspiele und bis 13. Oktober zeigt das Salzburger Rupertinum Ölbilder, Arbeiten auf Papier, Lithographien, Radierungen von Joan Miro. Diese erste umfangreiche Aus-

Stellung in Österreich zeigt Werke von 1926 bis 1980. Die Arbeiten des 1893 in Barcelona Geborenen, dessen Heimat Paris wurde und dessen Maler-Väter Pablo Picasso und Andre Masson wurden, sind von seiner frühen Freundschaft mit den französischen Surrealisten geprägt. In starken Farben und voll naivvordergründiger Symbolik geben die verschlüsselten Bildbotschaften dem Betrachter Rätsel auf. Nur selten sind Werktitel wie „Sonnen-Esser", „Pantagonisti-scher Stern", „Der Vogel des Schmieds", „Modenschau in China" oder „Der Ungebildete- grün" für deren Lösung hilfreich.

Charakteristische Kürzel werden verfremdet in andere Bildzusammenhänge einbezogen, eine leicht ironisierende Distanzerleichtert den Zugang („Der Dienstmann", „Das Fräulein am Telefon").

„Ohne Titel", ein Werk aus dem Jahr 1964, zeigt auf schwarzem Untergrund ein weißes Blatt, aus dem zwei Rechtecke fehlen, eines davon erfüllt ein weißer Stern. Den rechten Teil der weißen Fläche ziert ein roter Fleck, die untere Bildhälfte durchzieht eine dünne weiße Linie. „Für mich ist wichtig, ein Maximum an Intensität mit einem Minimum an Aufwand zu erreichen. Daher wird die Leere in meinen Bildern immer wichtiger" äußerte Miro einmal.

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