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Salzburg ist medizinisch auf der Höhe der Zeit

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Die Universität Salzburg platzt aus den Nähten, trotzdem bleibt die seit der Neugründung 1962 vom Gesetz her vorgesehene Errichtung einer Medizinischen Fakultät ein wichtiges Anliegen des Landes. Das betonte Landeshauptmann Dr. Wilfried Haslauer gegenüber den Teilnehmern an einer vom Klub für Bil-dungs- und Wissenschaftsjournalisten veranstalteten Exkursion zu Salzburger wissenschaftlichen Einrichtungen.

Schon die Unterbringung der bestehenden Institute der Alma Mater Paridiana stößt auf erhebliche Schwierigkeiten. Das Großprojekt Freisaal scheiterte an einer Bürgerinitiative und mußte auf den Neubau der Naturwissenschaftlichen Fakultät reduziert werden. Ein großer Teil der Institute soll in der Altstadt bleiben. Dafür wären aber Umsiedlungen verschiedener Behörden notwendig. Das Problem liegt nun darin, daß die fünf Ministerien, die hier zusammenwirken müßten, noch nicht an einen Tisch gebracht werden konnten. Haslauer fordert deshalb ein interministerielles Komitee, in dem Finanz-, Bauten-, Wissenschafts-, Innen- und Verteidigungsministerium vertreten sein müßten, als Gesprächspartner für das in Salzburg bereits gebildete Universitätskontaktkomitee, damit die für die Salzburger Hochschule lebenswichtigen Fragen zuriedenstellend gelöst werden können.

Vielleicht kann der Entschluß, die Universität zu einem großen Teil der Altstadt zu erhalten, auch eine kleine „Verjüngungskur“ für deren Bewohner bedeuten. Derzeit ist der Salzburger Altstadtbewohner im Durchschnitt 68 Jahre alt. Im Rahmen eines Revitalisierungsprogrammes soll

durch eine Novelle zum Salzburger Altstadterhaltungsgesetz, dem ältesten in Österreich, die weitere Ansied-lung von Büros und Geschäften in Altstadtwohnungen - deren sanitäre Ausstattung vielfach zu verbessern wäre -verhindert werden.

Die Medizin hat zwar in Salzburg -schon seit den Zeiten des berühmten Paracelsus - eine gute Tradition, über eine eigene Fakultät verfügte sie aber auch an der alten Benediktineruniversität (1622 - 1810) nur kurzfristig. Beunruhigt durch einen Artikel von Univ.-Doz. Dr. Alfred Rockenschaub in der „Zukunft“, worin eine zweite Medizinische Fakultät für Wien und eine für Linz angeregt wurden, wandte sich Haslauer kürzlich an Minister Firnberg, um unter Berufung auf das Gesetz von 1962 darauf hinzuweisen, daß Salzburg bei Errichtung einer weiteren Medizinischen Fakultät in Österreich den Vorrang beanspruche. Dr. Firnberg soll, laut Haslauer, geantwortet haben, sie könne Rockenschaub nicht vorschreiben, was er schreiben solle, im übrigen halte sie derzeit ein Gespräch über eine Salzburger Medizinische Fakultät für sinnlos. Obwohl Haslauer als Realist in naher Zukunft ebenfalls nicht mit einer Medizinerausbildung in Salzburg rechnet, will er

doch erreichen, daß schon jetzt die entsprechenden Pläne gemacht werden und deshalb noch im Juni diesbezüglich mit der Ministerin Kontakt aufnehmen.

Wieviel heute schon auf medizinischem Gebiet in Salzburg geleistet wird, davon konnten sich die Journalisten im Verlauf der Exkursio» selbst überzeugen. Das schwierige Gebiet der Mikrochirurgie - Replantationen abgetrennter Finger, Hände oder Arme - ist noch keineswegs in allen Großstädten eine Selbstverständlichkeit,, im Salzburger Arbeitsunfallkrankenhaus am Dr.-Franz-Rehrl-Platz wird sie von Oberarzt Dr. Dieter Fink seit Mai 1976 mit recht gutem Erfolg vorangetrieben. Bei den seither behandelten 16 Patienten mit 31 Amputaten konnte eine Einheilungsrate von 69 Prozent erreicht werden. Die Mikrochirurgie kann Menschen dem Leben wiederschenken, die früher zu einem Krüppeldasein verurteilt gewesen wären, ganz abgesehen davon, daß diese nicht mehr lebenslänglich der Sozialversicherung zur Last fallen. Gigantisch ist dabei die Leistung des Operateurs, der die bis zu acht Stunden dauernden Eingriffe unter dem Mikroskop und unter Verwendung von Fäden, die nur ein Drittel der berühmten „Haares-

breite“ erreichen, durchführen muß. Wichtig auch die Arbeit von Physiko-und Ergotherapeutinnen, aber auch des Patienten selbst, bis die angenähten Glieder wieder annähernd voll funktionstüchtig sind.

Seit September 1977 besitzt Salzburg auch ein kleines Institut für Sportmedizin, dessen Aufgaben vor allem die Untersuchung, Beratung und Betreuung der Vereinssportler des Landes Salzburg sind. Institutsleiter Univ.-Doz. Dr. Alfred Aigner stellt gegenwärtig Untersuchungen an den Spielern des Fußballvereins „Austria Salzburg“ an, wie auch vom österreichischen Olympischen Comite und von der Bundessportorganisation zugewiesene Spitzensportler regelmäßig nicht nur auf Herz und Nieren, sondern auch auf Lunge und Leistungsvermögen untersucht werden. „Die Sportmedizin im Leistungssport ist Arbeitsmedizin“, meint Aigner, der den Ehrgeiz mancher Eltern bedauert, die ihre Kinder trotz vorhersehbarer späterer Schädigungen zu Spitzensportlern machen wollen, und den Skilanglauf für den relativ „gesündesten“ Leistungssport hält.

Pionierarbeit hat die Zweite Chirurgische Abteilung an den Salzburger Landeskrankenanstalten unter Primarius Univ.-Prof. Dr. Alfred Zängl geleistet, die als erste derartige Abteilung in Österreich seit nicht ganz einem Jahr ein neues, aus der Schweiz stammendes System eines supersterilen Operationsraumes verwendet - es kostet nur eine halbe Million Schilling. Die Chirurgen arbeiten dabei im „Astronauten-Look“ unter einer Art „Wasserfall“ aus steriler Luft, ihre Atemluft wird sofort wieder abgesaugt. Zängl läßt nur bestimmte Operationen, bei denen eine Infektion besonders gefährlich wäre (Herz, Hüfte, Schenkelhals, Brustkrebs), in diesem Saal durchführen, sämtliche'Operationen aber, wo die akute Gefahr besteht, daß der Patient selbst Keime abgibt, woanders. Das extrem gute Ergebnis bisher, wo nach 270 Operationen kein einziges Mal eine infektionsbedingte Störung des Heilungsprozesses auftrat, fürchtet Zängl zwar, nicht halten zu können, aber auf jeden Fall wurden und werden auch hier der Sozialversicherung enorme Beträge erspart, denn im Durchschnitt muß man sonst in zehn bis fünfzehn Prozent der Fälle mit Komplikationen rechnen.

Daß Salzburg auf dem medizinischen Sektor auch in der Forschung „up to date“ ist, beweist eine demnächst zur Veröffentlichung gelangende Studie unter Federführung des derzeitigen Rektors, Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Revers, über die Zusammenhänge von Herzinfarkt und Psyche. Wie die Psychologen Dr. Hermann Wi-dauer und Dr. Rainer Revers bei Untersuchungen an 39 Infarktpatienten feststellten, spielten bei diesen in der Regel das Problem einer ungelösten Bindung an ihre Mutter, „unerfüllte Grundbedürfnisse“ (Mangel an Liebe, Zuwendung und Anerkennung in der Kindheit) und sexuelle Störungen (oft im Zusammenhang mit verfehlter Partnerwahl) eine Rolle. Wie der Rektor meinte, sei offenbar ein lange schwelender Kummer viel eher verantwortlich für den Herzinfarkt als etwa Streß. Die Redewendung vom „gebrochenen Herzen“ habe zweifellos etwas an sich. Was kränkt, macht krank - dieser Satz wurde wieder bestätigt. Er dürfte sogar für mehr Krankheiten gelten als man heute noch allgemein annimmt. Vom Salzburger Institut für Psychologie darf man sich auf diesem Gebiet noch einige interessante Ergebnisse erwarten, denn die Forschungen gehen weiter.

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