7033015-1989_38_13.jpg
Digital In Arbeit

Salzburgs neue Köpfe

Werbung
Werbung
Werbung

Die Würfel sind gefallen, das neue Führungsteam, das Unterrichtsministerin Hilde Hawlicek sich ab 1991 für die geistige und organisatorische Erneuerung der Salzburger Festspiele gewünscht hat, wartet in den Startlöchem, um im Herbst seine Arbeit aufzunehmen. Als letzter wurde nun der Salzburger Bankier Heinrich Wiesmüller zum neuen Festspiel-Präsidenten ab 1991 und Nachfolger von Präsident Albert Moser bestellt.

Wiesmüller ist - wie er selbst sagt - „der Salzburger im Festspiel-Team“, der die Interessen des Bundeslandes gegenüber dem zukünfti-genkaufmännischenFestspielleiter aus Wien, Hans Landesmann, und dem „künstlerischen Leiter“ und „Intendanten“, dem Brüsseler Opemchef Gerard Mortier, vertreten wird. Eine Lösung, wie Kenner der Salzburger Situation sie erwartet haben. Schon Wochen vor der Bestellung stand eine solche Kombination fest, denn man wollte, ja mußte, es allen rechtmachen, den Bundes- wie den Landespolitikern, aber auch all jenen, die kategorisch gefordert hatten, daß in Salzburg unter die Phase der Skandale und Auseinandersetzungen - und des künstlerischen Leerlaufs - der vergangenen Jahre endlich ein Schlußstrich gezogen würde.

Garantien, daß das neue Team Wunder vollbringen wird, gibt es nicht. Aber die „neuen Köpfe“ haben fast zwei Jahre Zeit, für 1991 die Festspielübernahme und eine geistige und künstlerische Neu-strukturierung zu planen. Sie arbeiten bereits jetzt im Festspieldirektorium mit und sie sind Spitzenkräfte ihres Fachs.: Gerard Mortier, Mittvierziger und erfolgverwöhnter Brüsseler Opernchef, hat an der Hamburgischen Staatsoper und in Frankfurt die Betriebsführung gelernt, sein Haus mit bescheidenen Budgetmitteln, viel Phantasie und mutigen Spielplänen zum meist diskutierten Opernhaus Europas gemacht. Er hat mit Spitzenregisseuren wie Luc Bondy und Karl-Emst Herrmann einen neuen Mozart-Stil initiiert, Regisseure wie Peter Seilars geholt und zuletzt auch noch die Leitung der Opernhäuser von Antwerpen und Gent übertragen bekommen.

Hans Landesmann zeigte schon als Generalsekretär des Wiener Konzerthauses und als geschäftsführender Chef des Gustav-Mahler-Jugendorchesters mit engen Kontakten zu Künstlern wie Claudio Abbado, daß er alle Voraussetzungen mitbringt, um etwa der Planung der Konzerte der Salzburger Festspiele auch neue Ideen und Akzente zu geben.

„Unterbetreut“ scheint hingegen vorerst der Festspielsektor Sprechtheater . Doch wer Mortier und seine Kontakte zum deutschsprachigen Theater kennt, weiß, daß er auch da fraglos neue Wege gehen und Namen wie Luc Bondy, Patrice Che-reau, Niels-Peter Rudolph und andere einbringen wird. Intern hört man von Gesprächen, zwei der profiliertesten Regisseure, den Hamburger Theaterchef Jürgen Flimm und den Wiener Burgtheaterdirektor Claus Peymann, als Konsulenten an die Festspiele zu binden, die für entsprechend spektakuläre Uraufführungen sorgen sollen.

Keine Frage, die beiden intellektuellen Kosmopoliten, der Reformer Mortier und der immerhin um einiges behutsamere Landesmann, werden für Erneuerung sorgen. Präsident Heinrich Wiesmüller wird es an ihrer Seite möglicherweise nicht leicht haben. Er wird souverän den Prellbock spielen müssen, wenn beide in ihren Forderungen nach Erneuerung dem Notwendigen, Unbequemen den Vorrang geben vor dem „geistig Komfortablen“, Bequemen. Schon an der Berufung Claus Peymanns als Konsulentwerden sich die Geister scheiden.

Und daß Mortier es da nicht mit sanfter Salzburg-Kosmetik bewenden lassen und auch Konfrontationen nicht scheuen wird, bestätigte er erst kürzlich, als er in einem Gespräch „für die Künstler in Salzburg“ eintrat und gegen die „internationalen Musikkonzerne und die internationale Musikmafia“ wetterte, deren Einfluß auf die Festspiele er wohl gern Schritt für Schritt ausschalten möchte.

Bundeskanzler Vranitzky, Unter-richtsroinisterin Hawlicek, Salzburgs Landeshauptmann Katsch-thaler und alle, die für die Zukunft von einem „immerwährendenSalzburger Festspielfrieden“ mit Weltstars, Erfolgen und klingelnden Kassen träumen, könnten also auch schnell wieder aufschrecken. Kulturpolitische und künstlerische Konfrontationen scheinen durchaus vorprogrammiert, weil Erneuerung in der Kunst immer aufscheucht und provoziert.

Aber schließlich kann's nur besser werden gegenüber einem Festspielbetrieb wie in den vergangenen Jahren, in dem Salzburg zu einer „Wiederaufbereitungsanlage“ für Aufführungen aller Art gemacht wurde.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung