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„Salzgärten“

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Vor fast drei Jahrzehnten — im Jahre 1946 — erschien in der FURCHE das erste Gedicht, das sie damals noch unter dem Namen ihres im Zweiten Weltkrieg verschollenen Gatten, Dimt, veröffentlichte. Seit dem Jahre 1947, in dem der „Plan“ sieben wesentliche Gedichte von ihr veröffentlichte und die FURCHE ihr den ersten Preis des Erzählerwettbewerbes für die Franziskus-Legende „Das Fischwunder“ zuerkannte, schreibt die Dichterin unter ihrem Mädchennamen Christine Busta. 1950 erschien bei Herder ihre kleine Sammlung „Jahr um Jahr“ und 1951 im gleichen Verlag ihr erster Gedichtband: „Der Regenbaum“. Dafür erhielt sie schon 1950 den nach dreizehn Jahren wieder zum ersten Mal verliehenen Förderungspreis des Bundesministeriums für Unterricht für Literatur — gemeinsam mit Franz Kießling. Dieser ersten Auszeichnung sollten noch viele folgen — bis zur Verleihung des Großen österreichischen Staatspreises für Literatur und zur Berufung in den Kunstsenat im Jahre 1969.

Vor zwanzig Jahren hat der Otto-Müller-Verlag in Salzburg das Werk der Dichterin in seine Obhut genommen und bisher fünf Versbände von ihr veröffentlicht: „Lampe und Delphin“ (1955), „Die Scheune der Vögel“ (1958), das zauberhafte Kinderbuch „Die Sternenmühle“ (1959), „Unterwegs zu älteren Feuern“

(1965) und nun, nach zehnjähriger Pause, den Band „Salzgärten“ (ebenfalls Otto Müller, Salzburg). Er ist ein Geburtstagsgeschenk für die

Dichterin, die am 23. April 1975 in aller Stille ihren sechzigsten Geburtstag gefeiert hat, und eine Festgabe für uns, ihre seit drei Jahrzehnten dankbaren Leser.

Dieser Band bezeugt in seiner formalen Komposition und seinem sehr dichten Inhalt abermals die Kraft und Geduld des Reifens und Wartenkönnens, die diese Dichterin seit je auszeichnet. Er enthält in konzentrierter Form die gesamte Thematik, die auch ihre früheren Bücher bestimmt hat, und die Christine Busta in ihrer „furchtbaren Treue zum Leben“ und zu ihrer schöpferischen Aufgabe des lyrischen Werkes immer reiner zu gestalten gelernt hat. Es ist die Thematik eines kreativen Lebens voller Angst, Gefahr und Zerstörung . in dieser unserer Zeit, die Rudolf Felmayer so gern die „unvorstellbare“ genannt hat. Es ist die Thematik eines Menschen, dessen „Farben der Kindheit“ grau waren und der Zeit seines Lebens mehr in den Salzwüsten, die er zu „Salzgärten“ gestaltet, als in Rosengärten und glücklichen Oasen gelebt hat. Christine Busta, die die Not am eigenen Leibe erfahren hat, besitzt eine sozialkritische Seele, die voller Barmherzigkeit und Nächstenliebe die „Randexistenzen“ des Lebens, die „anderen Schafe“ Gottes, zu denen sie sich selber zählt, darstellt und sie ihr bitteres „Confiteor“ sprechen läßt, das in die Weisheit mündet: „Aber das unverletzliche Recht/ läßt sich von Faust zu Faust nicht erhärten,/nur die Schuld.“

Dieser Autorin sind die Techniken der Moderne — vom Expressionismus bis zur Gegenwart — keineswegs fremd. Sie weiß auch den „magischen Zauber“ der Sprache zucht- und wirkungsvoll einzusetzen, wo sie seiner bedarf. Aber die Sprache, der sie „im Wort bleibt“, „wird nicht geredet, sie wird erlitten“, wie es in einem der schönsten Gedichte des vorliegenden Bandes heißt. Erst in dieser „erlittenen Sprache“ kann man den „Gesang fürs andere Leben“ anstimmen, den sie schon in ihren „Stoßgebeten für die Nacht“ erfleht hat.

Wenn man das Erscheinen ihres jüngsten Gedichtbandes und ihren sechzigsten Geburtstag zum Anlaß nimmt, sich in ihr lyrisches Gesamtwerk zu vertiefen, dann wird man immer wieder feststellen, daß diese Dichterin noch um die „erste Natur“, nämlich die ursprünglich heile Schöpfung Gottes, die erst durch den Sturz Adams in den Abgrund gerissen worden ist, weiß, jene „erste Natur“, die der Mensch — im Sinne der Darstellungen von Freyer und Guardini — mit dem Netz seiner „Sekundärschöpfung“ als technischer „zweiter Natur“ überzieht. Die Erinnerung an die ursprüngliche Einheit von „Gut-Wahr-Schön“, die längst zerfallen ist, leuchtet hie und da — und gerade in ihren leidvoll-sten Versen — als geheimer Goldgrund durch die „zweite Schöpfung“ unserer schuldbeladenen Tage. Die hochmütige Verdammung der „ersten Natur“ durch Baudelaire, Rimbaud, Mallarme und ihre autistischen Nachfolger lag dieser Dichterin immer fern. Zu ihren tiefsten Erfahrungen — das bezeugen erneut ihre „Salzgärten — gehört die immerwährende Verwandlung des Werdenden, für die sie immer wieder neue Symbole und Bilder findet. Die Dichterin weiß aber auch, daß in allem Wandel nur das „einsame Herz“ bleibt. Fast könnte man ihren Jüngsten Band als „Gesang des einsamen Herzens“, der aus den „Salzgärten“ unseres Lebens ertönt, bezeichnen. Hier erreicht er seine knappste Form, und die „Stoßgebete“, die diese nonkonformistische Christin aus den Salzwüsten ihrer Einsamkeit zum schweigenden Himmel sendet, werden manchmal nur noch zur chiffrierten Aussage. Erschütterndes Zeugnis dafür ist ihr „Psalm vom „verletzlichen Mahlstern Erde“, der ihr gleichzeitig „verfluchter und gesegneter Brotstern ist.

Es jst bezeichnend für sie, daß sie unter allem, was'sie in ihrem Leben gesammelt hat, eines am liebsten „geborgen“ hätte: die „verkommene Güte des Menschen“. Von dieser Güte und Schönheit des Menschen und der Welt sprechen in vielfachen Variationen die Gedichte aus den „Salzgärten“, die da und dort auch zu Denkmalen der Dankbarkeit und Freundschaft werden. Ihre Botschaft verkündet uns die Einsicht, daß wir eben in „Salzgärten“ statt im verlorenen Paradies wohnen müssen. Daß wir dies auch vermögen, dazu verhilft uns nicht zuletzt die aus „erlittener Sprache“ entstandene Dichtkunst Christine Bustas seit bald drei Jahrzehnten.

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