7063229-1991_45_04.jpg
Digital In Arbeit

Sammeltiere in Deutschland

19451960198020002020

Der Streit um die richtige Marschroute in der Asylpolitik der Bundesrepublik Deutschland reißt auch nach der Mitte Oktober erfolgten Parteieneinigung über eine neues Asylverfahren nicht ab. Herumgemäkelt wird an der Realisierbarkeit des Konzeptes.

19451960198020002020

Der Streit um die richtige Marschroute in der Asylpolitik der Bundesrepublik Deutschland reißt auch nach der Mitte Oktober erfolgten Parteieneinigung über eine neues Asylverfahren nicht ab. Herumgemäkelt wird an der Realisierbarkeit des Konzeptes.

Werbung
Werbung
Werbung

Das am 10. Oktober von allen Parteivorsitzenden in Bonn abgesegnete Konzept gilt als Grundlage für die Ergänzung des bestehenden Asylrechtes. Regierung und Opposition wollen bis zum 1. Jänner 1992 die Pläne in ein Gesetz umwandeln. Grundsätzlich soll künftig innerhalb von sechs Wochen über Asylanträge entschieden werden. In der Praxis sind davon Asylwerber betroffen, deren Anträge offensichtlich unbegründet sind. Diese müssen dann innerhalb von sechs Wochen Deutschland verlassen.

Neben der sechswöchigen Verfahrensdauer sieht das neue Konzept noch folgendes vor:

□ Das Verfahren wird grundsätzlich auf eine Instanz verkürzt.

□ Eine Abschiebung soll binnen einer Woche vollzogen werden. Dafür müssen noch die Länder die Voraussetzungen schaffen.

□ Asylwerber sollen generell erkennungsdienstlich behandelt werden. Dafür müssen manche Gesetze geändert werden.

ü Schlepper sollen härter bestraft werden. Statt zwei drohen bald fünf Jahre Haft.

Außerdem sollen die 16 Bundesländer dem Beschluß zufolge zentrale Gemeinschaftsunterkünfte für Asylwerber einrichten. Nach Berechnungen besteht in der Bundesrepublik ein Bedarf an ungefähr 90 Sammellagern für etwa 45.000 Flüchtlinge. Die Bundesregierung hat bereits zugesagt, daß sie den Ländern freiwerdende Liegenschaften - beispielsweise Kasernen - zur Verfügung stellen wird. Die Länder sollten auch die Beschleunigung der Gerichtsverfahren ermöglichen, in Deutschland ist das Asylrecht ein vom Grundgesetz garantiertes Recht, das einklagbar ist. So sollten etwa 400 Richter zusätzlich eingestellt werden, die in der Nähe der Wohnheime oder an Ort und Stelle über die Anträge entscheiden.

Besorgt über die geplante verstärkte Einrichtung von Sammelunterkünften haben sich Menschenrechtsorganisationen geäußert. Amnesty International erklärte, die Konzentrierung von Asylwerbem in solchen Großunterkünften drohe das Konfliktpotential zu verstärken. Die asylanten-feindliche Stimmung in Teilen der Bevölkerung könne damit weiter geschürt werden. Asylwerber würden zu Sammeltieren degradiert.

Bayerns Ministerpräsident, der die Einigung zwischen SPD und Koalitionsparteien begrüßte, äußerte Zweifel an der Durchführbarkeit der Maßnahmen. , Jxh halte es für unrealistisch, daß Asylverfahren in sechs Wochen abgewickelt werden können." Bayern wird aber an den vorgesehenen Maßnahmen mitwirken.

Vom 1. Jänner bis 9. Oktober registrierte das Bundeskriminalamt bundesweit 177 ausländerfeindliche Anschläge mit Brandsätzen, darunter sieben in Bayern. Ende 1989 gab es in Bayern 763.043 Ausländer, Ende 1990 35.547 Asylbewerber.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung