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Sammler entdecken die neue Keramik

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Nach England, den Niederlanden und der Bundesrepublik Deutschland hat mit jahrzehntelanger Verspätung auch der Österreicher seine Liebe zu Gegenständen aus einem Material entdeckt, das schon in der Frühgeschichte des Menschen eine wichtige Rolle gespielt hatte: der Keramik. Ganz allmählich beginnt der eine und der andere, nicht nur handgetöpferte Tee-und Kaffeeservice den Serienprodukten aus dem Großkaufhaus vorzuziehen. Seit einigen Jahren - die Gründung einer speziellen Keramik-Galerie in der Wiener Krugerstraße markiert das deutlich — gibt es in der Alpenrepublik in zunehmendem Maß sogar Keramik-Sammler.

Freilich gilt unter den kaufkräftigen Sammlern zumeist die Keramik des Jugenstils beziehungsweise des Art Deco, die beide in der Wiener Kunstgewerbeschule und später in der „Wiener Keramik“ sowie in der „Wiener Werkstätte“ kreiert worden sind, als begehrenswerteste Trophäe. Doch mit den Schöpfungen aus der Blütezeit des österreichischen Kunsthandwerks, als in der Donaumetropole revolutionäre Künstler auf dem Gebiet der Keramik ebenso tätig waren wie auf jenem der Malerei und Architektur, verhält es sich ähnlich wie mit seltenen Briefmarken: Nicht jeder kann eine „Blaue Mauritius“ erwerben. Zudem hat Österreich auch heute beachtenswerte Keramiker. Die Werke eines Kolo Moser, Josef Hoffmann, Michael Po-wolny, Berthold Löffler oder Eduard Klabenas sind teuer und rar geworden — doch nicht nur aus diesem Grund interessiert man sich hierzulande endlich auch für die Keramik der Zeit.

Die Palette der heimischen Keramikszene ist bunt. Bunter als in den Nachbarstaaten, wo die Keramik ihr individuelles Gesicht verloren hat; wo die Künstler fast durchwegs im Fahrwasser der Amerikaner werken, die sich einer aus Japan übernommenen Technik verschrieben haben: der sogenannten Raku-Technik, mit der ganz eigenartige Farbschattierungen erzielt werden. Hinsichtlich der Form regiert bei ihnen das Abstrakte, der Gegenstand ohne Funktion, und beim Dekor wird das Florale bevorzugt.

Anders arbeiten die Engländer. Sie geben sich leicht verspielt und voller Bewegung. Anders sind auch die österreichischen Künstler. Zumindest derzeit noch. Denn die Keramiker, die sich bei uns durchgesetzt und etabliert haben, stehen in einer starken und fruchtbaren Tradition. Sie bringen neben ihrer eigenen Persönlichkeit noch die Technik mit, die sie bei großen Lehrern gelernt ha-

„... fallen die österreichischen Künstler daher positiv aus dem Rahmen“ ben. So zum Beispiel bei Robert Obsieger. Dieser ging 1945, als außer der folkloristischen Gmundner Keramik dieser Zweig des Kunsthandwerks tot zu sein schien, daran, den Jugenstil weiterzuführen. Sein genialer Schüler, Kurt Ohnsorg, erfüllte seine Werke dann mit einem neuen Geist. Die Bildhauer Wander Ber-toni und Heinz Leinfellner machten ihre Schüler auch mit der Gestaltung großer Objekte und Figurinen vertraut. Die leidenschaftliche Keramikerin Maria Bilger erwies sich als Künstlerin wuchtiger und archaischer Visionen.

Auf internationalen Ausstellungen fallen die österreichischen Künstler daher positiv aus dem Rahmen. /

In der von Heidelinde Warlamis geführten Keramik-Galerie zeigt sich, daß die Sammler eigentlich keinem bestimmten Künstler oder Stil den Vorzug geben. Wie bei Gemälden sammeln sie auch bei der Keramik, was ihnen gefällt und was sie sich finanziell leisten können. Das mögen die Gefäße und Objekte von Lilo Schrammel sein, die durch erdige Farben charakterisiert werden, oder die orientalisch heiteren Gebilde von Rosemarie Benedikt oder die bewundernswerten Arbeiten Peter Gangls, der als Professor an der Akademie für angewandte Kunst tätig ist und hauptsächlich für das Ausland arbeitet. Besonders seine Reliefs werden hochgeschätzt.

Einen eigenen Weg geht die Keramikerin Heide Breuer. Ihre expressiven Figuren nach den phantastischen Gestalten des Wiener Serapionstheaters, ihre poetischen Skulpturen (unter ihnen eine Pieta) sind längst Sammelobjekte geworden. Die gleiche verfeinerte und doch lebensnahe Formsprache charakterisiert auch ihre Schüsseln, Vasen und Windlichter, die vor Weihnachten in einem Geschäft in der Wiener Burggasse präsentiert werden. Von urwüchsiger Kraft sind die Objekte von Marianne Slupecky. Beide Künstlerinnen meiden den sterilen Manierismus und sind gerade durch ihre ausgewogene Ästhetik richtungweisend.

Franz Josef Altenburger beschreibt seine Arbeiten selbst als „Kleinplastiken, die durchaus eine Funktion erfüllen können“. Gundi Dietz ist besonders durch ihre grotesk-unheimlichen Porzellanpuppen bekannt geworden. Heidelinde Warlamis wiederum zielt auf die Mitte zwischen Wirklichkeit und Abstraktion. Rosemarie Ramskogler bringt Graphisch-Malerisches ins Spiel, Anton Raidl orientiert sich an asiatischen Kulturen. Alfred Seidl aus Gmunden, Kurt und Gerda Spu-rey, Linde Wächter-Lechner, Iris Brendel und Angela Varga stellen die Lebendigkeit und die Vielfalt

„Reich werden die Keramiker im allgemeinen trotzdem von ihrer Hände Arbeit nicht“ der österreichischen Keramik unter Beweis. Sie zeigen — wie die Studenten der Akademie, die erst kürzlich in Faenza ausgestellt haben und ihre Arbeiten demnächst in New York präsentieten werden —, daß Österreich ein Land mit experimentierfreudigen Künstlern ist.

Reich werden die Keramiker im allgemeinen trotzdem von ihrer Hände Arbeit nicht. Auch wenn Skulpturen im Durchschnitt zwischen 9.000 und 17.000 Schilling, Services rund 1.500 Schilling und Schüsseln ungefähr gleich viel kosten.

Wie sich die Kunst der Keramik weiterentwickeln wird, welche Trends morgen den Markt beherrschen und von Sammlern bevorzugt werden, läßt sich schwer voraussagen. Das Interesse der Sammler für neue österreichische Keramik ist jedenfalls zu begrüßen.

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