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Sanieren durch Privatisieren

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Die Verlagerung von öffentlichen Aufgaben in private Unternehmerhände darf kein Selbstzweck sein. Wo sie aber einen handfesten - sprich finanziellen Nutzen - bringt, darf die Diskussion darüber kein Tabu sein.

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Die Verlagerung von öffentlichen Aufgaben in private Unternehmerhände darf kein Selbstzweck sein. Wo sie aber einen handfesten - sprich finanziellen Nutzen - bringt, darf die Diskussion darüber kein Tabu sein.

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Dort, wo es sinnvoll und möglich ist, sollen bisher von der öffentlichen Hand wahrgenommene Aufgaben abgebaut, sollen Tätigkeiten und Vermögenswerte der öffentlichen Hand in den privaten Bereich verlagert werden. Was im Einzelfall möglich und sinnvoll ist, sollte nach einheitlichen Kriterien wie: grundsätzliche Eignung der Aufgabe; Wirtschaftlichkeit privater Leistungserstellung; Sicherung der Leistung und angemessene Lösung für die betroffenen Beschäftigten entschieden werden.

Solche Verlagerungen sollen und dürfen kein Selbstzweck sein, sie müssen unter ordnungs-, fi- nanz- und gesellschaftspolitischen Aspekten einen handfesten Nutzeh abwerfen. Es ist vielfach erwiesen, daß im Wettbewerb erzeugte Leistungen im allgemeinen kostengünstiger sind als staatlich erzeugte Leistungen —

trotz oftmals höherer Steuerlasten. Vor allem ist es der Wettbewerb, der private Unternehmen zu ständigen Anstrengungen und permanenter Rationalisierung zwingt.

Ein paar Beispiele: Die Privatisierung des Schlachthofs Hannover hat nicht nur die Stadt von laufenden Zuschüssen in Höhe von zuletzt mehreren Millionen Mark pro Jahr befreit, sondern auch die Gesamtkostenbelastung der Benutzer zusätzlich gemindert.

Die Privatisierung der Müllabfuhr im Landkreis Grafschaft Bentheim hat in nur einem Jahr die Deckung des Defizits der vergangenen vier Jahre von über 4,2 Millionen Schilling (600.000 Mark) ermöglicht. Die Privatisierung des Hafenumschlags in Leer hat die Stadt von Defiziten befreit.

Man sieht an diesen Beispielen auch deutlich, daß sogenannte „Rosinenpickerei“ in der Praxis nicht stattfindet. Es waren eindeutig Verlustbereiche, deren sich Unternehmen angenommen ■ und die sie rentabel gestaltet haben.

In vielen Bereichen tritt die öffentliche Hand in Konkurrenz zu privaten Unternehmen, die Leistungen derselben Art produzieren. In diesen Bereichen beantwortet sich die Frage nach der grundsätzlichen Eignung für privatwirtschaftliche Betätigung von selbst. Ich denke hierbei nicht nur an sogenannte „Annexbereiche“ wie Druckereien, Datenverarbeitungsbetriebe, Heizwerke, Wäschereien, Fuhrparks, Erholungsheime, Handwerksbetriebe, die von öffentlichen Verwaltungen oder Körperschaften vorgehalten werden.

Vielmehr sollten auch die Beteiligungen der öffentlichen Hand an Wirtschaftsunternehmen sehr genau auf Erforderlichkeit und Rentabilität überprüft werden. Im Bereich der Daseinsvorsorge erkenne ich der öffentlichen Hand durchaus die wichtige Funktion der Sicherstellung zu. Das bedeutet aber keinesfalls immer die Notwendigkeit eigener konkreter Ausführung.

Die Leistungen selbst, sei es die Verkehrsleistung, die Müllentsorgung, die Straßenreinigung und anderes mehr, sollten von privaten Unternehmen erbracht werden, wenn diese kostengünstiger zu leisten imstande sind.

Die Chancen, zu nachhaltigen Kostenentlastungen zu kommen, liegen darüber hinaus in vielen weiteren Bereichen. So ist es kein Geheimnis, daß privat getragene Krankenhäuser durchschnittlich einen erheblich niedrigeren Pflegesatz haben als Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft.

Energieversorgungsunternehmen werden in sehr großem Umfang von der öffentlichen Hand getragen. Dies ist kein Naturgesetz und kann auch nicht mit übergeordneten energiepolitischen Gründen erklärt werden, weil die Energieaufsicht als echte Staatsfunktion insoweit gar nicht zur Debatte steht. Angesichts des für die Elektrizitätsversorgung riesigen Investitionsbedarfs der nächsten Jahre ist auch der Gedanke einer breiteren Streuung über die Börse nicht abwegig.

Daß mit Privatisierungsmaßnahmen ein durchaus beachtlicher Beitrag zur Haushaltsentlastung und damit auch zur wirtschaftlichen Gesundung insgesamt geleistet werden kann, hat die Praxis nachhaltig bestätigt. Heute kommt es weniger darauf an, die theoretischen Einsparungschancen — Schätzungen aus dem wissenschaftlichen Bereich sehen hier Reserven in zweistelliger Milliardenhöhe pro Jahr — zu beziffern. Ich meine, wichtig ist vielmehr, daß die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung die Chancen der Privatisierung in einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen nutzen.

Birgit Breuel ist Niedersächsischer Wirtschaftsminister, dieser Beitrag ein Auszug aus einem Artikel in „Epoche“ Nr. 7/1983.

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