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Sanktionen verletzen
Mit der Unterschrift Präsident Reagans unter die vom Kongreß gegen seinen Willen durchgesetzte Gesetzesvorlage sind am 27. Oktober die bisher umfangreichsten Sanktionsmaßnahmen der Vereinigten Staaten gegen Südafrika in Kraft getreten. Das Paket verbietet unter anderem neue Investitionen und Kredite, untersagt die Einfuhr von südafrikanischem Eisen und Stahl, von Kohle, Uran, Agrarprodukten und Waffen und entzieht den South African Airways das Landerecht in den Vereinigten Staaten. Ländern, die weiterhin Rüstungsbeziehungen zum Apartheidstaat unterhalten, kann in Hinkunft US-amerikanische Militärhilfe entzogen werden.
Waren es 1985 noch „selektive Sanktionen“, die als Antwort auf den südafrikanischen Ausnahmezustand vom 20. Juli von einzelnen Staaten verhängt wurden, so konnten 1986 vor allem Staatengemeinschaften zu „konzertierten“ Aktionen mobilisiert werden.
Gegen den Widerstand Großbritanniens, das die Gemeinschaft an den Rand einer Zerreißprobe brachte, einigte sich Anfang August der Commonwealth auf elf teilweise substantielle Sanktionen gegen sein ehemaliges Mitglied Südafrika.
Auch der Ministerrat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft stimmte Mitte September einem Importstopp für Eisen, Stahl und Goldmünzen aus Südafrika sowie einem Verbot von Neuinvestitionen zu. Weniger der Geltungsbereich als das politische Signal ist dabei bemerkenswert: Erstmals bekannten sich so traditionelle Freunde Südafrikas wie die RRD und Großbritannien zu Wirtschaftssanktionen.
Unterschiedliche Faktoren sind es, die diese Haltungsänderung herbeigeführt haben. Zum einen haben sich „Vermittlungsmissionen“, mit denen sowohl der Commonwealth wie auch die EG Südafrika zur Selbstreform bewegen wollten, als weithin wirkungslos -erwiesen. Angesichts des eskalierenden Rürgerkriegs am Kap gelten Sanktionen als das wohl letzte verbleibende friedliche Mittel, um die an der Macht befindlichen Weißen zu einer Haltungsänderung zu zwingen.
Zum anderen hat sich die traditionelle Sorge, Sanktionen würden vor allem der schwarzen Re-völkerung schaden, im Licht der faktischen Entwicklung der letzten Jahre als unbegründet erwiesen. Es ist vielmehr die Funktionsfähigkeit des militärischen und wirtschaftlichen Herrschaftsapparats, die durch Sanktionen geschwächt wird.
Selbst von offizieller südafrikanischer Seite wird heute zugegeben, daß das 1977 vom Weltsicherheitsrat beschlossene bindende Waffenembargo die Rüstungsentwicklung des Landes — vor allem auf dem Marine- und Luftwaffensektor — bedeutend erschwert hat. Die von Pretoria immer wieder ins Treffen geführte Autarkie im Rereich der Waffenerzeugung wird international ohnehin in Zweifel gezogen.
Auf wirtschaftlichem Gebiet ist die spezielle Auslandsabhängigkeit Südafrikas vor allem im Verlauf der Zahlungskrise des letzten Jahres zutage getreten. Ein Kapitalabfluß von mehr als zehn Milliarden Dollar, gefördert durch die innenpolitische Krise, verursachte Liquiditätsprobleme in allen Rereichen der Südafrika- 1 nischen Wirtschaft. Südafrika mußte ein Zahlungsmoratorium erklären, das erst im Februar 1986 durch ein Entgegenkommen der Gläubigerbanken überbrückt werden konnte.
Die Erfahrung, daß Sanktionen gegen Südafrika vor allem die Machtbasis des weißen Regimes schwächen, erklärt auch den Umstand, daß Südafrikas nichtweiße Revölkerung in ihrer übergroßen Mehrheit für einen Abbruch der Auslandsbeziehungen zu Pretoria eintritt. Rei zwei im Herbst 1985 von Gallup und unabhängigen Soziologen durchgeführten Meinungsumfragen sprachen sich jeweils über 70 Prozent der befragten Township-Rewohner für wirtschaftliche Sanktionen des Auslands aus.
Es ist das Kennzeichen der aktuellen Entwicklung, daß sich dieser bislang von den Ländern der Dritten Welt und den Anti-Apart -heid-Rewegungen wiedergegebe-ne Standpunkt nunmehr auch in den führenden Industriestaaten durchsetzt: Denn wie die He-schlüsse der EG und der USA zeigen, werden Sanktionen in zunehmendem Ausmaß auch dort als Instrument zur Eliminierung der Apartheid, des letzten auf rassistischen Prinzipien beruhenden Gesellschaftssystems unserer Tage, grundsätzlich anerkannt.
Mit Recht: Denn daß auch Wirtschafts- und Außenpolitik an ethischen Maßstäben zu messen sind, ist wohl nicht die unwichtigste Lehre, die aus der Kontroverse um Sanktionen gegen Südafrika zu ziehen ist.
Der Autor, Mitarbeiter der österreichischen Anti-Apartheid-Bewegung, ist Herausgeber des Buches „Die Apartheid-Connection. Österreichs Bedeutung für Südafrika“ (Verlag für Gesellschaftskritik, Wien 1984).
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