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Schärfere Konturen erwünscht

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Im Großen Musikvereinssaal wurde am letzten Wochenende durch den Singverein, vier Gesangssolisten, Rudolf Scholz an der Orgel und das ORF-Orchester unter der Leitung von Vaclav Neumann die „MSa Gla-golskaja“ von Leos Janäiek aufgeführt. Wir haben an dieser Stelle das eigenwillige, auch formal unkonventionelle und dramatische Werk, dessen Uraufführung (1927) ein Jahr vor dem Tod seines Schöpfers in Brünn stattfand, wiederholt gewürdigt und wünschen uns, daß es ins Repertoire einer unserer beiden großen Chöre eingehen möge. Denn es gibt, von seinem musikalischen Wert abgesehen, einem so vorzüglichen Ensemble wie dem Simgverein ebenso Gelegenheit, sein Können zu demonstrieren, wie den vier Solisten. An diesem Abend waren es Eva Depoltovä, Eva Radovä, Jaroslav Stajnc und der um eine Generation ältere, aber brillante Anton Dermota. Obwohl es seit 1954 eine lateinische Version dieser Messe gibt, tat man gut daran, sie in der Originalsprache, d. h. in Altslawisch, aufzuführen. (Eine glagolitische Sprache gibt es nämlich nicht, nur glagolitische Schriftzeichen.) Das siebenteilige, knapp 40 Minuten dauernde Werk mit großer Biäser-und ScMagwerkfbesetziung endet- und schließt mit Orchesterstücken: einer Initraduktion und einer „Intrada“ mit Bläsergeschmetter, wohl zu Einern Volksfest, der noch ein großes Orgel-solo vorausgeht. — Den 1. Teil des Konzertes bildete Beethovens 4. Symphonie, wohlausgewagen in Klang und Tempi, nur nicht immer ganz präzise gespielt, die dem Dirigenten, seit zehn Jahren Chef der Tschechischen Philharmonie, mehr zu liegen schien, als die Janacek-Messe, der man an manchen Stellen schärfere Konturen und stärkeren Ausdruck gewünscht hätte.

H. A. F.

*

Das wohl Erfreulichste an der jüngsten Aufführung der „Jahreszeiten“ von Haydn war das Solistenterzett, allen voran zu nennen ist dabei Claes H. Ahnsjö; der Schwede, der zur Zeit an der Bayerischen Staatsoper im Vertrag steht, konnte mit seinem hellen lyrischen Tenor, den er auch geschmackvoll einzusetzen wußte, Erinnerungen an heute noch unvergessenen Namen, wie Svanholm, wachrufen. Helmut Ber-ger-Tuna leistete sich zwar einige Bassisten-Grobheiten, aber er ließ viel Musikalität, Stilwissen und Ausdruckskraft erkennen; seine Wandlung zu einem ausgezeichneten Oratoriensänger scheint uns nur eine Frage der Dirigenten, mit denen er arbeitet. Felicity Palmer hat ebenfalls eine schöne Stimme, manche affektierten Ansätze mit überdeutlichem Glottdsschlag trübten den guten Eindruck. Am Cembalo wirkte Ernst Würdinger, sein Baßbeglelter war Cellist Walther Schulz, und die Leitung hatte Carl Melles. Er war um einen flüssigen Ablauf mit richtigen Tempi bemüht, und das ist ihm

auch gelungen. Darüber hinaus kann man nicht viel Vorteilhaftes über ihn und seine Symphoniker sagen. Auch die in starker Qualitätssteigerung begriffenen Singakademie konnte, trotz ausgesprochenen Wohlklanges, nicht restlos überzeugen. Die „Jahreszeiten“ leiden natürlich auch etwas an ihrem gezielt biedermännischen Text; ihn vergessen zu lassen, das schaffen nur sehr gute Aufführungen; diesmal hörten wir eine gute.

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