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Scharfe Schnitte
Seit Hannes Androsch hinterläßt jeder österreichische Finanzminister seinem-Nachfolger ein Budget, das weniger geordnet ist als jenes, das er bei seinem Amtsantritt übernommen hatte:
1970 „erbte“ Hannes Androsch ein Nettodefizit von 0,60 Prozent des Brutto-Inlandsprodukts (BIP). 1981 hinterließ er Herbert Salcher ein solches von 2,60 Prozent. 1984 trat Franz Vranitzky sein Amt bei einem Defizitstand von 4,45 Prozent an.
Beim fliegenden Wechsel zu Ferdinand Lacina zeichnet sich jetzt für 1986 ein Nettodefizit von ziemlich genau fünf Prozent des Brutto-Inlandsprodukts ab, und das mit der (Beirats-)Aussicht, daß es bis 1990 weiter auf 5,7 Prozent zu steigen droht, wenn nicht der Absichtserklärung, das Budget zu konsolidieren, bald konkrete Taten folgen.
Wie könnten diese konkreten Taten aussehen? So einhellig sich Regierung und Opposition zur Notwendigkeit einer Budgetkonsolidierung bekennen, so einhellig scheuen sich - es stehen ja Wahlen vor der Tür! - Regierung und Opposition, klipp und klar zu sagen, mit welchen Maßnahmen diese Budgetkonsolidierung bewirkt werden soll.
Politisch ist diese Scheu verständlich, denn populär ist keine einzige der überhaupt denkbaren Konsolidierungsmaßnahmen, und bei so gut wie jeder käme eine Gruppe potentieller Wähler zum Handkuß.
Noch am wenigsten wäre dies bei der Veräußerung von Bundesvermögen der Fall. Der Einwand, daß dies dem Verkauf des Familiensilbers gleichkäme (Harold Macmillan hat das Margaret Thatcher vorgeworfen), ist läppisch:
Werden mit dem Erlös Schulden getilgt, ändert sich am „Nettovermögen“ des Staates nichts, und auch dessen künftige Finanzlage würde sich nur dann verdes Bundes-Wohn- und Siedlungsfonds.schlechtern, wenn diese Vermögenswerte mehr an Ertrag gebracht hätten, als sich der Staat an Schuldzinsen erspart. Das ist bei den für eine Veräußerung in Betracht kommenden Bundesbeteiligungen - ausgenommen vielleicht die AUA - nirgends der Fall. Erst recht nicht bei den Bundesforsten und auch nicht bei den ausstehenden Darlehen des Wohnhaus-Wiederaufbau- und
Das Problem ist vielmehr ein ganz anderes: daß der ganz überwiegende Teil des Bundesvermögens gar nicht veräußert werden könnte, weil er ertraglos oder sogar verlustbringend (Verstaatlichte!) ist und folglich keine Käufer fände. Der kleine Rest könnte daher nur einen sehr bescheidenen Beitrag zur Budgetkonsolidierung liefern, bei der es um einen Betrag in der Größenordnung von gut 100 Milliarden geht, wenn bis „spätestens 1991“ (Vranitzky) das : Nettodefizit schrittweise auf 2,8 Prozent des BIP reduziert werden soll. (Bei einer Neuverschuldung in diesem Ausmaß würde der Schuldenstand in Relation zum Sozialprodukt nicht weiter wachsen.)
Folglich kann die Budgetkonsolidierung zum weitaus größten Teil nur mit Maßnahmen bewirkt werden, die irgend jemand „weh tun“. Einnahmenseitig wäre das insbesondere die steuerliche Erfassung der Einkünfte aus Kapitalvermögen mit einer generellen Quellensteuer nach dem Vorbild der 35prozentigen Rentensteuer in der Schweiz. Mit der — unverzichtbaren — Anonymität bei Sparbüchern und Wertpapierdepots wäre dies aber, genau wie in der Schweiz, nur vereinbar, wenn auch Lohnsteuerpflichtige eine Einkommensteuererklärung abgeben und in dieser die einbehaltene Quellensteuer geltend machen können.
Die Hauptlast der Konsolidierung muß jedoch — darüber herrscht sogar politische Einigkeit - die Ausgabenseite des Budgets tragen. Aber ohne nachteilige Folgen für die „Qualität“ des Staatshaushaltes dürfen nicht die sogenannten Ermessensausgaben (Investitionen!) weiter gekürzt, sondern es muß bei den gesetzlichen Verpflichtungen der Rotstift angesetzt werden.
Am vordringlichsten, aber auch am brisantesten wird das beim Bundeszuschuß für die Sozialversicherung sein. Zu verhindern ist dessen rasches Ansteigen nämlich nur durch zwei drastische Eingriffe ins Leistungsrecht: Abschaffung der Frühpension wegen langer Versicherungsdauer und Einführung von Ruhensbestim-mung beim Zusammentreffen von Eigen- und Witwenpension.
Kaum weniger brisant wird aber, wie die sich mehrenden Bauerndemonstrationen zeigen, der Abbau der staatlichen Subventionierung der landwirtschaftlichen Uberproduktion sein (zumal da die Abwanderung aus der Landwirtschaft die ohnehin prekäre Lage auf dem Arbeitsmarkt ebenso verschärfen würde wie der spätere Pensionsantritt, auf den die Reform der Sozialversicherung ausgerichtet sein müßte).
Der dritte große Brocken ist das ÖBB-Defizit. Was hier wirklich auf Anhieb eine wesentliche Budgetentlastung bringen würde, wird jedoch wegen des Widerstandes der allmächtigen Eisenbahnergewerkschaft gar nicht erst diskutiert: die Umwandlung von drei Vierteln aller Bahnhöfe in unbemannte Haltestellen (wie in Schweden) und der Fahrkartenverkauf beim Schaffner...
Der Autor ist Herausgeber der „Finanznachrichten“.
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