Österreich hat mit Kuba nie ernstliche Schwierigkeiten gehabt. Aber das ist die große Ausnahme im westlichen Lager, das dem US-Vorbild folgend die diplomatischen Beziehungen nach der Revolution abgebrochen und erst zögernd wieder hergestellt hat. (Bis heute unterhalten die USA keine Verbindung mit Kuba auf Botschafterebene.)
Solche Schwierigkeiten haben sogar bis dato das wissenschaftliche Gespräch über Kuba behindert. Vor kurzem wurde in Bonn eine Ausnahme gemacht: Die Friedrich-Ebert-Stiftung lud zum Symposion „Kuba in den achtziger Jahren“ und brachte Spitzenleute aus Kuba und aus den USA an einen Konferenztisch.
Auf dem Boden eines dritten Landes konnte miteinander geredet werden. Kein Thema blieb ausgespart. Unüberbrückbare Differenzen wurden ebenso abgeklärt wie jene Themen, bei denen Übereinstimmung oder zumindest Annäherung'möglich ist. Aus Kuba waren hohe Politiker und Beamte gekommen, aus den USA Kubaspezialisten des Außenministeriums und Kubanologen aus dein Forschungsbereich.
Zwei Dinge zeigten sich deutlich: Vorurteile über Kuba, etwa, daß Kuba ausschließlich im Auftrag Moskaus in Afrika handle, halten sich nicht nur in Europa , zäh, sondern auch bei den US-Außenpolitikern; das Sprechen über Kuba ist immer noch ein Testfall für die Grenzen der Kommunikation zwischen ideologisch anders denkenden Ländern.
Bei wirtschaftlichen Fragen klappte das Gespräch gut. Uber die vom kubanischen Ökonom Pr. Jose Luis Rodriguez vorgelegten Daten über den Erfolg auf den Sektoren Gesundheit, Erziehung, Sport und Ernährung waren sich die US-Kubanologen und die Kubaner einig (über die politischen Kosten natürlich nicht). Nelson Valdės (USA) sprach sogar davon, daß in Kuba die Quadratur des Kreises, nämlich Wirtschaftswachstum und Einkommensumverteilung, gelungen sei.
Der Pferdefuß dieses Erfolges: er war nur mit massiver Finanzhilfe aus Moskau möglich. Der Fall Kuba, den Havanna im Zu sammenhang mit einem notwendigen Ausbau einer Entwicklungspolitik sieht, der für die gesamte Dritte Welt gilt, wird von den USA-Kubanologen nur als Einzelerfahrung gesehen, weil die Sowjetunion sich einen zweiten Fall aus Kostengründen gar nicht leisten könne.
Einigkeit herrschte auch darüber, daß Kuba deswegen mit den westlichen Industriestaaten — Österreich liegt gut im Rennen — Zusammenarbeiten muß. Die daraus resultierenden Hartwährungsschulden der Zuckerinsel machten eine Umschuldung notwendig; sie wurde im März erfolgreich abgeschlossen.
Schattenboxen, Zänkereien, kompromißlose Hahnenkämpfe gab es jedoch in punkto kubanische Außenpolitik. Hier pralltėp Kubas Vizeaußenminister Ricardo Alacron und Miles Frechette aus dem Kuba-Bür#des US-Au- ßenministeriums aufeinander.
Die Apparatschiks aus Kuba langweilten mit den Litaneien über die Geschichte Kubas und seiner Befreiung durch Castro (was übrigens die Tatsache gut beleuchtete, daß auch im Pakt mit der Sowjetunion die eigene Autonomie an erster Stelle steht, und der Sozialismus, den Havanna pflegt, mit einem kräftigen Schuß Nationalismus versetzt ist). Die Vertreter aus Washington hingegen wärmten die „Söldnerthese“ auf.
Aber dagegen protestierten sogar die US-Kubanologen, indem sie darauf hinwiesen, daß zumindest in der US-Forschung Übereinstimmung über die Rolle Kubas in Afrika herrscht: Nicht als Söldner Moskaus, sondern als eigenständiger, wenn auch recht ungewöhnlicher Akteur sei Kuba in Angola und in Äthiopien vertreten. Dabei versuche Kuba Drit- te-Welt-Strategien mit sozialistischen und nationalistischen Zielen umzusetzen. In Bonn bestätigten die US-Analytiker Kuba auch seinen Platz in der Avantgarde der Dritten-Welt-Politik — und zwar im Ostblock wie im westlichen Lager.
Einen völligen Kommunikati onsstopp gab es in der Frage der US-kubanischen Beziehungen. Sackgassen wurden auch bei der Einschätzung der innenpolitischen Lage in Kuba sichtbar. Da stieß das stereotype Argument der Kubaner, die „soziale Dynamik der Revolution“ löse alle Widersprüche, auf die 1 soziologischen Interpretationen aus den USA (Castros „Charisma“, „bürokratischer Zentralismus“, „Mobilisierungskontrolle“). Wobei ersteres Gähnen im deutschsprachigen Publikum und letzteres verhaltenes Lachen bei den Kubanern auslöste. Wo Dogmen auf Analyse stoßen, gibt es eben keinen gemeinsamen Nenner
Zwei Aspekte wurden den europäischen Zuhörern in Bonn k’-'*-: Kuba wird, erstens, — allen wii• schaftlichen Schwierigkeiten zum Trotz—1984 aus konsolidierter Position heraus den 25. Jahrestag der Revolution feiern. Kuba wird sich, zweitens, in seiner Außenpolitik vęm den USA nicht unter Druck setzen, aber ebensowenig von der UdSSR behindern lassen.
Der mittelamerikanische Raum gilt Havanna als Testfall für seine eigenständige Dritte-Welt-Revo- lutions-Politik. Da auch die Reagan-Administration kompromißlos agiert, könnte es noch heuer zwischen der Großmacht und dem Kleinstaat mit seiner „großen Außenpolitik“ zu einer Feuerprobe kommen.