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Schaufenster Palästina

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Welchen Stellenwert nimmt die Palästina-Frage in der Politik der arabischen Ländern überhaupt ein? Falls ein in Bagdad abgehaltenes Treffen zwischen arabischen und europäischen Journalistengewerkschaftern sowie Reportern auf diese Frage eine Antwort geben konnte, dann die eine: Bei den Arabern dreht sich die ganze Weltpolitik um dieses Problem - zumindest nach außen hin.

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Welchen Stellenwert nimmt die Palästina-Frage in der Politik der arabischen Ländern überhaupt ein? Falls ein in Bagdad abgehaltenes Treffen zwischen arabischen und europäischen Journalistengewerkschaftern sowie Reportern auf diese Frage eine Antwort geben konnte, dann die eine: Bei den Arabern dreht sich die ganze Weltpolitik um dieses Problem - zumindest nach außen hin.

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Zusammengekommen war man vergangene Woche in der irakischen Hauptstadt Bagdad eigentlich, um Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen arabischen und europäischen Journalisten zu besprechen. Jedenfalls hatten sich das die westeuropäischen Teilnehmer so vorgestellt, vor allem die Vertreter der „International Federation of Journa-lists" (Internationale Journalisten-Föderation), die keine politische Organisation ist, sich deshalb auch nicht vor einen politischen Propagandawagen spannen lassen wollte.

Eingeladen hatte zu diesem arabisch-europäischen Journalistendialog die Föderation Arabischer Journalisten. Im Grunde genommen war den Arabern auch wirklich daran gelegen, kooperative Kontaktgespräche gerade auch mit den Westeuropäern zu führen, zumal mit den osteuropäischen Journalisten und deren Standesvertretungen schon seit längerem offizielle Kontakte bestanden.

Freilich nahm die viertägige Konferenz dann ihren eigenen Lauf, ohne daß die Westeuropäer und die im großen und ganzen politisch sehr gemäßigt auftretenden irakischen Gastgeber die Debatte in Richtung konkreter Vorschläge und Beschlüsse über die arabisch-europäische Zusammenarbeit auf journali-1 stischer Ebene lenken konnten.

Und so rollten denn stundenlang die Angriffe gegen US-Imperialismus, Kolonialismus, Kapitalismus und Zionismus von allen Seiten -Arabern, Osteuropäern, westeuropäischen Linken bis hin zur englischen Filmschauspielerin und selbsternannten Trotzkistin Vanessa Redgrave.

Was sie als Schauspielerin in diesem journalistischen Forum zu suchen hatte, wollte nicht so recht aufleuchten, selbst wenn Mrs. Redgrave mit Kampfparolen für die westeuropäischen Journalisten aufwarten konnte: „Weigern Sie sich, antiarabische und antipalästinensische Artikel in Ihren Zeitungen abzudrucken, veröffentlichen Sie keine zionistische Propaganda!" Heftiger Beifall von arabischer und auch europäisch-kommunistischer Seite, Stoßseufzer bei so machen Westeuropäern: Schließlich hatte man Vanessa Redgrave schon in besseren Rollen bewundern können ...

Aber Frau Redgrave war nur eine der Überraschungen bei diesem Dialog. Der italienische Journalist Fulrio Grimaldi etwa wußte den arabischen Kollegen zu berichten, daß das ganze Problem der Berichterstattung in Westeuropa nur auf die „kapitalistische Struktur der europäischen Presse und die Tatsache zurückzuführen ist, daß hinter jeder Zeitung ein mächtiges Monopol steht, das seine politischen und wirtschaftlichen Interessen vertreten haben will".

Allzu viele offene Ohren dürfte Grimaldi bei seinen Reden selbst in Italien nicht mehr finden. Sonst müßte er nicht bis nach Bagdad, um ausgeleierte Platten abzuspielen ...

Worum es einigen arabischen Kollegen bei diesem Journalistendialog ging, machte Saber Falhout deutlich, der in einem aufgelegten Dokument zu dieser Journalistenkonferenz schrieb: „Unserer Ansicht nach kann der Erfolg dieses arabisch-europäischen Dialoges daran ermessen werden, wie die arabisch-zionistische Frage auf dem Gesprächstisch behandelt wird ..."

Der jordanische Kollege Ibrahim Abu Nab schloß sich dieser Ansicht an: „Das Palästina-Problem ist das Schaufenster, durch das wir Araber auf die ganze Welt blicken."

Sicherlich ist daran auch viel Wahres. Freilich wurde man aber bei soviel massiver politischer Propaganda den Eindruck nicht los, daß die Araber die Palästina-Frage auch dazu benützen, die eigenen, zum Teil schwerwiegenden Probleme zu überdecken. In einem' weiteren Beitrag wollen wir auf die gesamtarabische Problemfülle noch eingehen.

Jedenfalls waren sämtliche Teilnehmer überrascht, als ein junger Palästinenser zum Podium schritt und seinen arabischen Kollegen vorwarf: „Niemand in diesem Forum hat bisher davon gesprochen, daß arabische Staaten rechtsgerichtete Parteien in Europa unterstützen; niemand hat erwähnt, daß in der arabischen Welt nach wie vor Journalisten eingesperrt und hingerichtet werden; niemand hat angeführt, daß Tausende Palästinenser von Arabern umgebracht worden sind, mehr als von Zionisten.."

Widerstand gegen diese harten Worte erhob sich von arabischer Seite vorerst nicht, Verlegenheit war die Antwort. Der Vorsitzende der Föderation arabischer Journalisten, der Iraker Saad Quassim Hammoudi, verwies auf den demokratischen Charakter der Zusammenkunft, bei der jeder seine Meinung kundtun könne. Ein jordanischer Kollege bezeichnete den Palästinenser als „zornigen jungen Mann".

Daß dann trotz all der verschiedenen politischen Ansichten und Grundauffassungen ein gemeinsames Schlußkommunique zustandekam, war der Standfestigkeit der westeuropäischen Gewerkschafter und der Kompromißbereitschaft der arabischen Seite zuzuschreiben. Den kommunistischen Gewerkschaftsvertretern aus Europa war diese arabisch-westeuropäische Verständigung freilich ein Dom im Auge.

Mit allen nur möglichen Tricks versuchte der französische Kommunist Gerard Gatinot den Kompromiß zu torpedieren und einen Keil zwischen Araber und Westeuropäer zu treiben, indem er die Palästina-Frage auch in der Resolution verankert haben wollte, die unpolitisch abgefaßt war. Das Manöver des französischen Kommunisten mißlang allerdings.

Heraus kam schließlich ein Schlußkommunique, das in einem einleitenden Teil den Verlauf der Debatte wiedergab, also all die Attacken gegen US-Imperialismus, Zionismus usw. beinhaltete. In einem zweiten Teil des Kommuniques, der eigentlichen Resolution, wurden dann frei von politischen Parolen die Fragen der weiteren Zusammenarbeit abgehandelt.

So recht zufrieden war dann niemand der 200 Teilnehmer mit dem Endergebnis. Die Kommunisten aus Europa nicht, weil sie die Verständigung zwischen Westeuropäern und Arabern nicht verhindern konnten, die Westeuropäer nicht, weil zu viel Politik in den ersten Teil des Kommuniques eingeflossen war, manche Araber nicht, weil zu wenig Politik im Schlußdokument vorkam.

Der allgemeine Tenor eines Großteils der Teilnehmer war dennoch positiv: Es war der Anfang eines Dialogs zwischen arabischen und europäischen Journalisten, der in Zukunft hoffentlich auch Früchte bringen wird.

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