6820020-1973_30_05.jpg
Digital In Arbeit

„Scherbenhaufen“

Werbung
Werbung
Werbung

Zwar wird in den Parlamenten der ganzen Welt gelogen — eine Wahrheit aber, die in unserem Hohen Hause gesagt worden ist, ist nicht zu bestreiten: das Bundesheer ist ein Scherbenhaufen. Dabei möchten wir's strikt ablehnen, es als unser Bundesheer zu bezeichnen. Es ist nicht einmal Lütgendorfs Bundesheer, es ist allein und ausschließlich Krei-skys Heer.

Denn es ist ausgeschlossen, daß ein General, der immerhin den Zweiten Weltkrieg mitgemacht hat, einen mangelhaft bewaffneten, reduzierten und entwürdigten Haufen, wie es das Bundesheer ist, als seinen Haufen bezeichnet. Darüber täuscht auch alles politische Geschwätz nicht hinweg. Das Heer ist für den Kriegsfall da, und „der Krieg ist die fortgeführte Politik mit anderen Mitteln“, aber nicht mit den gleichen, das heißt mit Herumredereien. Man mag reden, soviel man will, wenn der Gegner schießt, nützt alles Reden, welches man ihm, in etwa, als einziges entgegenzusetzen hat, nichts.

Ich habe Schusehnigg sehr geschätzt, doch i9t ihm nicht zu verzeihen, daß er, als Hitler einrückte, nicht schießen ließ. Einige wenige Munitionsverschläge, auf das einrückende Brudervolk, wenn auch nur pro forma, verfeuert, hätten uns vor vielem Elend der Kriegs- und Nachkriegszeit bewahrt. Schon wenn der verhängnisvolle, von Ludwig XVI. gefertigte Zettel: „Le Roi ordonne aux Suisses, de cesser le feu immediatement“, dem Befehlshaber der Schweizer Garden nicht übermittelt worden, sondern wenn er irgendwo stekken geblieben wäre, hätte er nicht nur Hunderten von Schweizern, sondern Millionen von Soldaten aus den Napoleonischen Kriegen das Leben gerettet. Statt dessen hat, damals, der König von Frankreich vorgezogen, Hunderten von Halbstarken der Revolution das Leben zu retten.

Auch bei Kreisky können sich wohl nur unsere Halbstarken bedanken, daß er ein paar Hunderten von ihnen das Leben rettet; und dabei ist's, wie in solchen Fällen stets, das Tragische, daß derjenige, der das Unheil herbeiführt, es zum besten meint. Denn Kreisky glaubt wirklich, daß er den wenn auch noch nicht faktisch, sondern bloß potentiell einrückenden Gegnern der alten und der bei uns schon eingerückten neuen Linken mit bloßer Politik begegnen kann. Das ist der schlimmste aller Irrtümer überhaupt.

Ich gestehe offen, mit dem — hoffentlich — seligen Emst Fischer befreundet gewesen zu sein.

Aber ich habe kein Wort mehr mit ihm gewechselt, seit er an der Erfindung der „neuen Linken“ mitbeteiligt gewesen ist; und Ich zögere auch jetzt nicht, dem Kanzler entgegenzuhalten, daß ein Mann, der keine Ahnung vom Kriege hat, auch über die Erhaltung des Friedens nicht befinden kann. Si vis pacem, para bellum! Eine neuere Weisheit als diese uralte gibt es auf diesem Gebiet ganz einfach nicht.

Freilich haben Gewehre die Eigenschaft, loszugehen — vor allem deutsche Gewehre —, aber man braucht sie ja nicht zu laden, und dieses Laden der Gewehre war, genau genommen, der einzige Fehler des deutschen

Militarismus. Auch der schöne Ausspruch: „Das Militär, ist für die Kaserne da und nicht fürs Feld“, wäre hier ebenso zu zitieren wie die Ansprache des Spießes an seine Kompanie nach dem Siebzigerkrieg: „So, nun hat der Spaß“, nämlich mit dem Feldleben, „ein Ende, jetzt beginnt wieder der Emst des Lebens“, nämlich auf dem Kasernenhof. Ich bitte den Setzer dringend, hier nicht etwa aus Antimilitarismus „Spießers“, sondern „Spießes“ zu setzen. Der Spieß war die „Mutter der Kompanie“. Aber da man schon wieder nicht wissen wird, was das war — das kommt alles vom Antimilitarismus —, so sei auf österreichisch hierhergesetzt: er war der dienstführende Feldwebel.

Doch genug der ohnedies vergeblich gewordenen militärischen Erziehung. Auf jeden Fall dient die militärische Erziehung dem Frieden und nicht dem Krieg. Sie ist der einfachste Weg, auf dem sich das Volk zur Disziplin erziehen läßt. Nur glaubt das der Kanzler leider nicht.

Doch sollte er mir's glauben, denn er war während des Krieges in Schweden. Und hätte man jetzt, im Frieden, die sage und schreibe 100.000 (einhunderttausend) jungen Leute, die man seither in Schweden höchst überflüssigerweise zu Doktoren gemacht hat und die nun, als solche, keine Anstellung finden, „einrückend gemacht“, wie der schöne Kommißausdruck lautet, so hätten sie jetzt wahrscheinlich bessere Manieren, kürzere Haare und Boll hätte mit Sicherheit den Nobelpreis nicht bekommen.

Das ist alles, was über die Bun-desheerpolitik des Kanzlers zu sagen ist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung