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Schiapanitz und der Feldherrnhügel von Pratzen

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Slavkov u Brna: Bekannt wurde Austerlitz durch die „Dreikaiserschlacht" vom 2. Dezember 1805 nach der Besetzung Wiens, der der Friede von Preßburg folgte. Tolstois „Krieg und Frieden" wird in der Erinnerung wach.

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Slavkov u Brna: Bekannt wurde Austerlitz durch die „Dreikaiserschlacht" vom 2. Dezember 1805 nach der Besetzung Wiens, der der Friede von Preßburg folgte. Tolstois „Krieg und Frieden" wird in der Erinnerung wach.

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Der Hügel von Pretzen (Prace): wie aus dem Bilderbuch breitet sich eine liebliche Landschaft am Fuße der Anhöhe aus. Weiler und Kirchen, Felder und kleine Wäldchen, am Horizont eine weitere Anhöhe. Nicht vorzustellen, daß auf diesen Feldern, zwischen Bächen und hinter versteckten Hecken vor bald 186 Jahren an einem einzigen Tag, besser innerhalb weniger Stunden, Zehntausende Menschen ihr Leben lassen mußten -Russen, Österreicher, Franzosen und Mährer. Ein einziger Mann hatte die Hügel und Wiesen - ein ideales Aufmarschgelände - zum Schlachtfeld gegen die österreichische-russische Allianz bestimmt: Napoleon Bonaparte, Kaiser der Franzosen.

Tolstois „Krieg und Frieden" wird lebendig: „Es war neun Uhr. In der Tiefe verbreitete sich Nebel wie ein wallendes Meer, aber auf der Höhe, bei dem Dorfe Schiapanitz, wo Napoleon mit seinen Marschällen stand, war es hell. Die französischen Truppen und Napoleon selbst mit seinem Stabe standen aber nicht jenseits der Bäche und der unteren Teile der Dörfer Sokolnitz und Schiapanitz, hinter welchen wir unsere Positionen einnehmen und die Schlacht beginnen wollten, sondern diesseits, so nahe unseren Reihen, daß Napoleon mit unbewaffneten Augen den Reiter vom Fußgänger unterscheiden konnte. Schweigend sah er über die Hügel hin. Was er vermutet hatte, war eingetroffen: die russischen Truppen hatten zum Teil das Tal an den Teichen erreicht und die Höhen von Pratzen, die er für den Schlüssel der Position hielt und anzugreifen beabsichtigte, zum Teil verlassen. ... Aus den Berichten, welche er am Abend zuvor erhalten hatte, schloß er mit Bestimmtheit, daß ihn die Verbündete weit entfernt glaubten. Er streifte den

Handschuh von seiner schön geformten Hand .... gab den Marschällen einen Wink und erteilte den Befehl, die Schlacht zu beginnen." Die „Dreikaiserschlacht" vom 2. Dezember 1805.

Daß diese Entscheidungsschlacht des dritten Koalitionskrieges nicht nach dem Hügel von Pratzen benannt wurde, von dem aus der kommandierende Oberbefehlshaber der Verbündeten, General Michail Illariono-witsch Kutosow die Schlacht leitete und auf dem er die größte Niederlage seiner Laufbahn erlitten hatte, hängt mit der Bekanntheit beziehungsweise mit der Stätte das Vorfriedens im unweit gelegenen Brünner Ausflugsort Austerlitz (Slavkov u Brna) zusammen.

Heute steht auf dem Pratzener Hügel ein Friedensmahnmal (Mohy la miru), das in den Jahren 1909 bis 1912 auf Anregung des Brünner Religionsprofessors Alois Slovak nach Plänen des Architekten Josef Fanta errichtet worden ist. Die pyramidenförmige Jugendstil-Gedenkstätte mit einem zehn Meter hohen Kreuz an ihrer Spitze beinhaltet ein zum Großteil unterirdisches Ossarium zur Aufnahme der Gebeine aller Gefallenen auf dem Schlachtfeld.

Napoleons Quartier

In der Führung durch die Gedenkstätte wird betont, daß bei Feldarbeiten noch immer Totengebeine oder Reste von Ausrüstungsgegenständen und Waffen gefunden werden. Ende der siebziger Jahre seien die sterblichen Überreste eines österreichischen Offiziers unterhalb des Hügels gefunden und anschließend feierlich beigesetzt worden. Neben dem Friedensmal befindet sich ein kleines Schlachtenmuseum mit äußerst interessanten Ausstellungsstücken vom Schlachtfeld oder aus dem Besitz der Familien Gefallener.

So wie der Hügel von Pratzen, ist auch die Erinnerungsstätte beim Dorfe

Schiapanitz (Slapanice) mit dem ehemaligen Befehlsstand Napoleon' zu besichtigen.

Das eindrucksvollste im Umkreis des Schlachtfeldes ist wohl das Schloß von Austerlitz selbst. Der zur Straße zu hufeisenförmig angelegte Bau hat sein heutiges Aussehen umfangreichen Umbauten in der Zeit zwischen 1730 und 1790 zu verdanken. Den neuesten Forschungen nach soll Josef Emanuel Fischer von Erlach, der Sohn von Johann Bernhard Fischer von Erlach, für den Um- und Neubau verantwortlich gewesen sein. Schloß Austerlitz war von 1700 bis 1848 im Besitze der Familie Kaunitz.

Der Kanzler Maria Theresias, Wenzel Anton Kaunitz, ließ in den Jahren 1786 bis 1790 neben dem Schlosse eine klassizistische Kirche „Zur Auferstehung des Herrn" vom Hofarchitekten Johann Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg erbauen. In dieser Kirche heiratete der Kanzler Lothar Wenzel Metternich, ein Enkel des Grafen, Lori Kaunitz. Sowohl Schloß als auch Kirche sind zu be-sichten. Das Schloß enthält zum Großteil noch die Reste der einstens berühmten Gemäldegalerie der Familie Kaunitz.

Im ersten Stock wird auch das Bett gezeigt, in dem Napoleon, der unmit-talbar nach der Schlacht im Dezember 1805 hier Quartier bezogen hatte, hätte schlafen sollen. Der Franzosenkaiser zog es jedoch vor, in einem mitgebrachten Feldbett im Prachtsaal zu nächtigen.

Im Rahmen der Führung kommt man auch in den ovalen Konferenzsaal Metternichs, der eine ausgeklügelte Akustik aufweist, die freiwilligen oder unfreiwilligen Lauschern das Zuhören unmöglich macht. Im Erdgeschoß isteine Napoleonausstellung untergebracht, die äußerst liebevoll zusammengestellt ist und die wegen der frankophilen Ausrichtung viele französische Touristen anzieht.

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