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Schichtwechsel im Vorsitz ÖVP-Vorstoß zur Reform

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Drei Jahre hindurch hat die ÖVP den Vorsitzenden des Bundesrates gestellt („Im Vorsitz des Bundesrates wechseln die Länder halbjährlich in alphabetischer Reihenfolge“, heißt es im Artikel 36 der Bundesverfassung), nun kommt mit Wien wieder ein SPÖ- regiertes Bundesland an die Reihe. Eineinhalb Jahre - nach Wien folgen das Burgenland und Kärnten - ist der Vorsitz „rot“. Aber die Mehrheit „schwarz“. Denn der Vorsitzende stimmt nicht mit. Und bei der Sitzverteilung in der Länderkammer von 29 zu 29 ist dies entscheidend.

Da die Volkspartei in sechs der neun Länder den Ton angibt und damit den Vorsitzenden stellt, fühlt sie sich benachteiligt. Um so mehr ist sie gewillt, im Rahmen der verfassungsrechtlichen Gegebenheiten, nun. wieder ihre Stärke ins Spiel zu bringen - zum ersten Mal seit 1974, nachdem erst im November 1973 der Gleichstand der Mandate erreicht worden war. Bundesrat Herbert Schambeck, Verwal- tungs- und Verfassungsrechtler an der Universität Linz, Bezirksparteiobmann von Baden, seit November 1975 dynamischer (Dauer-)Stellvertreter des Vorsitzenden und Fraktionsboß der ÖVP, hat die feste Absicht, in den eineinhalb Jahren, die seiner Partei - bei unveränderten Mehrheitsverhältnissen - gegeben sind, den Bundesrat nach Möglichkeit aus seinem immer wieder beklagten Schattendasein herauszuholen.

Erster Akt könnte schon im Juli ein Beschluß des Bundesrates sein, mit dem der Nationalrat aufgefordert wird, die Bundesverfassung im Sinn des Forderungsprogrammes der Bundesländer zu ändern, auf dessen Wichtigkeit schon der Vorsitzende des Bundes rates während des letzten Halbjahres, der Vorarlberger Hans Bürkle, in seiner Antrittsrede hingewiesen hat. Dieses Forderungsprogramm war 1976 von allen Landeshauptleuten - auch den sozialistischen

- einstimmig beschlossen worden. Es enthält zum Teil Forderungen, die schon 1964 und 1970 erhoben wurden, aber immer noch offenstehen. Ziel der Vorschläge ist es, wie es in der Begründung heißt, „das österreichische Verfassungssystem in Richtung auf einen kooperativen Bundesstaat weiter auszubauen und geltende verfassungsrechtliche Bestimmungen den modernen Erkenntnissen anzupassen“.

Der Bundesrat als Länderkammer hat die Aufgabe, die Anliegen des Föderalismus zu unterstützen. „Der vorliegende Gesetzesentwurf dient dazu, die parlamentarische Behandlung der von allen Bundesländern einstimmig beschlossenen Verfassungsvor schläge einzuleiten“, heißt es weiter. Und um allfällige Bedenken des Finanzministers abzüfangen: „Durch die Verwirklichung der Verfassungsvorschläge dieses Gesetzesantrages entstehen keinerlei neue Kosten; im Gegenteil, die Vorschläge zielen auf eine Vereinfachung der Verwaltung und werden damit beträchtliche Einsparungen bei den Verwaltungsausgaben bringen.“

Inhaltlich stehen unter den 33 Punkten des Forderungsprogramms vor allem die Übertragung des Denkmalschutzes in mittelbare Bundesverwaltung und der Wegfall der Zustimmung der Bundesregierung zur Bestellung des Landesamtsdirektors im Vordergrund - beim Wiener Magistratsdirektor, der dieselbe Position einnimmt, ist diese Zustimmung jetzt schon nicht erforderlich - ferner die Umwandlung der Einspruchsmöglichkeiten der Bundesregierung gegen Landtagsbeschlüsse zur Wahrung der „Bundesinteressen“ in eine solche zur Wahrung von „Bundeszuständigkeiten“, womit der Gefahr allfälliger Bevormundung des Landesgesetzgebers aus bloß politischen Gründen vorgebeugt werden soll.

Im Bundesrat waren bisher die Sozialisten für die Beschlußfassung einer bloßen Resolution eingetreten, nach welcher die Regierung aufgefordert wird, mit den Bundesländern Gespräche aufzunehmen. Da diese Notwendigkeit schon durch die Überreichung des Forderungsprogrammes durch die Landeshauptleute-Konferenz von Haus aus gegeben war, hat die Bun- desrats-Fraktion der Volkspäftei nicht die Selbstverständlichkeit noch einmal verlangt, sondern direkt eine Gesetzesinitiative an den Nationalrat ergriffen, um das Forderungsprogramm der Bundesländer einer konkreten Behandlung durch den erstzuständigen Gesetzgeber zuzuführen.

Um seine Mannen auf die neue Lage vorzubereiten, führte Schambeck sie kürzlich in Klausur in den Bregenzerwald, wo sie drei Tage lang intensiv mit der politischen Lage in Österreich, den speziellen Aufgaben des Bundesrates und den Problemen der Länder konfrontiert, aber auch technisch geschult wurden.

Hiebei kamen auch jene Ideen für eine Stärkung des Bundesrates zur Sprache, die Schambeck schon kurz vorher in einem Vortrag vorgelegt hatte (vgl. FURCHE von 27. 5. 77). So sollte das aufschiebende Veto des Bundesrates auch auf das Bundesfi nanzgesetz - das Budget - ausgedehnt werden (bisher ist hier kein Einspruch möglich), denn gerade dieses ist angesichts der immer weiter um sich greifenden Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes von zunehmender Bedeutung für die Länder.

Der Bundesrat als Länderkammer ist ebenso reformbedürftig wie der Föderalismus im allgemeinen, meint Schambeck. Österreich ist ein Parteienbundesstaat geworden. Im Bundesrat drücken sich seismographisch die Mehrheitsverhältnisse in den neun

Landtagen aus - auch während einer Legislaturperiode des Nationalrates kann sich hier das Mehrheitsverhältnis ändern, ja sogar umkehren. Der Föderalismus kann daher ein Ausdruck der Gewaltenteilung und so zu einer Möglichkeit der Kontrolle im Parteienstaat werden.

Wenn der Nationalrat das Gesamtvolk vertritt, der Bundesrat aber die Länder - sollte man dann nicht die Länder im Bundesrat in gleicher Mandatsstärke vertreten sein lassen? fragt Schambeck. (Bisher gilt hier ein Mischsystem zwischen „arithmetischer“ und „geometrischer“ Berechnung: Jedes Bundesland hat mindestens drei, höchstens aber zwölf Sitze zu vergeben. Das Burgenland, Salzburg und Vorarlberg bleiben bei der Mindestzahl, Wien erreicht die Höchstzahl, die ändern liegen dazwischen.)

Was könnte verbessert werden? Bundesratsmitglieder sollten mit beratender Stimme an den Ausschüßsit- zungen des Nationalrates teilnehmen können. Der Bundesrat könnte das Recht der Stellungnahme zu Gesetzesentwürfen im Begutachtungsverfahren bekommen. Im Fall einer Verfassungsänderung, die auf Kosten der Länder ginge, sollte der Bundesrat nicht nur aufschiebend, sondern blok- kierend Einspruch erheben können. Schließlich sollten - wie die Regierungsmitglieder im Nationalrat - die Landeshauptleute im Bundesrat das Recht erhalten, sich zu Wort zu melden. Fragestunde, Enqueterecht, Recht der Anfechtung von Gesetzen beim Verfassungsgerichtshof, Prü- fungs- und Kontrollantragsrecht beim Rechnungshof sollten die Reform ergänzen.

Wie schrieb Friedrich Funder am 25. Oktober 1952-vor bald 25 Jahren- in der FURCHE? Er meinte, dem Bundesrat, der „verbauten Kammer“, müsse die Funktion zufallen, „für jeden Grenzfall ausgleichende Kraft, Sicherung gegenüber der Dynamik einer von Parteileidenschaften oder Diktaturerscheinungen befallenen Demokratie zu sein. Diese Funktion wird der Bundesrat in der Enge der ihm zugestandenen Rechte nie ausüben können, wie er auch nie als ein Organ *

wirksam sein kann.“‘‘ o .

Seither hat die Kritik in allen Parteien nicht aufgehört, analysierte im November 1975, als der Bundesrat sein dreißigjähriges Bestehen beging, der kürzlich verstorbenen Zeithistoriker Ludwig Jedlicka. Wird diese Kritik nun endlich zu einem Erfolg führen?

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