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Schiele-Werke wurden heimgeholt

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Eine Ausstellung der Superlative. Die größte Egon-Schie- le-Verkaufsschau, die je gezeigt wurde. Und zugleich die wichtigste Schiele-Ausstellung seit der denkwürdigen Albertina- Präsentation von 1968. Die von Anton Schweighofer mit Geschmack und Einfühlung in die Raumproportionen des Jugendstilhauses neugestaltete Galerie Würthle startet damit ihr neues Programm: In Hinkunft sollen hier vor allem Meisterwerke des frühen 20. Jahrhunderts präsentiert und ins Ausland abgewanderte Gemälde der klassischen Moderne nach Wien heimgeholt werden.

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Eine Ausstellung der Superlative. Die größte Egon-Schie- le-Verkaufsschau, die je gezeigt wurde. Und zugleich die wichtigste Schiele-Ausstellung seit der denkwürdigen Albertina- Präsentation von 1968. Die von Anton Schweighofer mit Geschmack und Einfühlung in die Raumproportionen des Jugendstilhauses neugestaltete Galerie Würthle startet damit ihr neues Programm: In Hinkunft sollen hier vor allem Meisterwerke des frühen 20. Jahrhunderts präsentiert und ins Ausland abgewanderte Gemälde der klassischen Moderne nach Wien heimgeholt werden.

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Auch so manches der nun bei Würthle ausgestellten 65 Schiele- Werke ist aus den USA heimgekehrt. Spitzenwerke sind da zu finden: zwei Ölbilder, ein paar Aquarelle von Museumsqualität, wie etwa das Porträt des Malers Erwin Dominik Ösen (1910), der „Kauernde Akt“ (1917), der rote Männerakt (1910), ferner qualität- volle Zeichnungen, darunter die expressiven Selbstporträtstudien, und Druckgraphik. Eine aufsehenerre gende Kollektion, die das Schaffen des bereits mit 28 Jahren verstorbenen Schiele in allen Phasen belegt. Von den streng akademischen Anfängen, als der 17jährige mit Kreide und Kohle seinen „Bärtigen Mann“ (1907) und den .„Knieenden bärtigen Mann“ (1908) penibel ausführte, bis zu seinen letzten Arbeiten: etwa der expressiven Kopfstudie des sterbenden Freundes Gustav Klimt, den er am 7. Februar 1918 auf dem Totenbett zeichnet. Acht Monate später stirbt Schiele selbst.

Es hat Jahrzehnte gedauert, bis sein Werk - diese allzuoft als grell, verkrampft und verzerrt abgeurteilten Bilder - endlich voll akzeptiert wurde. Es hat auch Jahrzehnte gedauert, bis man die Ehrlichkeit und unverblümte Direktheit dieses Künstlers endlich nicht mehr als schockierend empfand. Denn den Menschen Schiele, der 1890 als Sohn eines Tullner Stationsvor- standsin kleinbürgerliche Verhältnisse hineingeboren wurde und gerade mit der kleinbürgerlichen Enge seiner Welt auf Schritt und Tritt zusammenstieß, hat man wegen seiner künstlerischen Offenheit allzu lang verurteilt: 1924 wurde er wegen „pornographischer Tendenzen“ von einem Bezirksrichter in Neulengbach mehr als drei Wochen eingesperrt. Und selbst nach dem Zweiten Weltkrieg schämte man sich noch in mancher großen Galerie, seine „erotischen“ Gemälde überhaupt zu zeigen. Weil sie als unmoralisch galten!

Also ein tiefes Mißverstehen. Man achtete dabei nicht auf die tiefen Zusammenhänge zwischen Kunst und Sinnlichkeit, ohne die gerade das Schaffen so vieler Künstler des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts undenkbar gewesen wäre: Sinnlichkeit der Farben - wer vergißt schon das leuchtende Rot seines Hemds im Selbstbildnis? -, derFormen, der Körperlichkeit, der Bewegung und der Gestik... Sinnlichkeit aber auch in den rein technischen Prozeduren: in der „gewagten“ Flächenteilung, die bei Schiele eine unverkennbare Dynamik bekommt, in der farbig aufgerauhten Fläche, in der gotisch-manierierten Drehung der Figuren, die etwa gegenüber figuralen Arbeiten der faszinierenden Zeitgenossen Klimt und Kokoschka besonders eigenwillig gestaltet werden. Mit einer Direktheit des Bleistiftstrichs und des Pinselschlags, daß Schieies Zeitgenossen diese Werke als „abstoßend“ empfinden mußten. Denn er hatte damit als erster alle gültigen kanonisierten Ausdrucksgrenzen weit überschritten.

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