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Schindeldecken steht am Lehrplan

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Nicht nur die überraschend beschränkte Lebensdauer modischer Betonarchitektur und ihre im wahrsten Sinne des Wortes „unverwüstlichen“ Materialien sowie die in Herstellung und Gebrauch sich als „Giftschleu-dem“ bewährenden Schaumstoff/ Kunstharzprodukte haben den Ruf nach alten Handwerkstechniken aufkommen lassen. Auch vorausschauende Leute im Denkmalschutz haben eine in Jahrhunderten herausgebildete, schadstofffreie verläßliche Bautechnologie am Leben zu erhalten versucht.

Handwerksdokumentation mit gleichzeitigem Lehrbetrieb in der Kartause im niederösterreichischen Mauerbach hat das Bun-desdenkmalamt initiiert. Gleichzeitig mit der schrittweisen Restaurierung der Kartause werden jedes Jahr mehrere Seminare über Dachdeclaing, Fensterbau, Färbelung, Maurer- und Putztechniken bis zu Fußbodengestaltung abgehalten. Oft bringen sie die letzten Meister alter Gewerbe mit entsprechenden Firmen in Kontakt. Die Atmosphär^e gegenseitigen Kennenlernens und des Informationsaustauschs hat zur Erhaltung unschätzbaren praktischen Wissens und zum theoretischen Umdenken bereits Entscheidendes beigetragen.

In Zusammenarbeit mit der Höheren Technischen Lehranstalt (HTL) in Krems werden Kurse und Trainingsprogramme im Restaurieren, in der historischen Steinbearbeitung, im Zimmern, Verputzen und Schindeldecken angeboten, Projektgruppen befassen sich mit der Wiederherstellung der Gartenmauer und des Eckpavillons der Kartause. Heuer im Frühjahr laufen Kurse über Spenglerei, über Holzbehandlung antiker Möbel und Kalkf ärbelung im Innenraum (gemeinsam mit dem WIFI), im Sommer steht Stuckmarmor-Restaurierung am Programm, mit dem ersten eigenen Lehrfilm.

Daneben entsteht auch eine Präsentation alter Handwerke in den ehemaligen geräumigen Mönchszellen, die dafür von der Bundesbaudirektion adaptiert werden. Gemeinsam mit dem Technischen Museum werden zunächst drei Bereiche mit Stein, Putz und Dachaleckung ausgestattet, im Keller entsteht auf dem Lehmstampfboden eine Schmiede, die nicht nur zum Anschauen dienen soll. Vor Jahren anläßlich eines Seminars an diversen

Schadstellen der Dächer probeaufgedeckte Dachziegel verschiedener Hersteller wittern inzwischen zu Demonstrationszwecken unter natürlichen Bedingungen außen dahin.

An der Technischen Universität Wien gibt es seit einigen Jahren die Studienrichtung Denkmalpflege und Lehrveranstaltungen über die Erhaltung historischer Bauten. Mauerbach bietet dazu Praxiskurse am Objekt an. Das Stadtgartenamt und die Bundes-gartenverwaltung überlegen die Rekonstruktion des ehemaligen Prälatengärtleins.

An der HTL hat Architekt Franz Schmid seit 1985 eine Abteilung Bautechnik - Restaurierung und Ortsbildpflege eingerichtet, von deren 120 Schülern im nächsten Jahr die ersten 14 Maturanten in den Beruf abgehen - voraussichtlich wie warme Semmeln. Neben einer gründlichen fachübergreifenden theoretischen Ausbildung in Bauaufnahme und Dokumentation, Vermessungskunde und Stillehre, Photogram-metrie und Revitalisierung von Gebäuden werden sie praktisch in historischen Handwerkstechniken im schuleigenen Bauhof ausgebildet und arbeiten auch an konkreten Projekten in der Mauerbacher Kartause.

Achtundzwanzig Schüler besuchen die neue viersemestrige Kollegstufe in Krems, für die bereits 65 Anmeldungen für den Folgejahrgang vorliegen. Deutsche, Schweizer und Südtiroler befinden sich unter ihnen, da diese Schulart im deutschsprachigen Raum einmalig ist; nur im polnischen Thorun besteht eine ähnliche Einrichtung. Die Absolventen arbeiten im Baumanagement, in der Verwaltung, in Architekten-und Ziviltechnikerbüros, die die Vorteile einer umfassenden Ausbildung mit zusätzlichen Kenntnissen der Denkmalschutzbedingungen, -behörden und des technischen Know-how dafür zu schätzen wissen.

Großbaufirmen lassen - einer Strukturveränderung Rechnung tragend — Spezialisten für die Althaussanierung ausbilden, wofür die Förderungsmittel der Bundesländer und die günstigen Finanzierungsmöglichkeiten durch den Bund hilfreich sind. Autonome Teams und kleine Handwerksbetriebe wenden in selbständigem Zusammenarbeiten geschult. Da das Neubauvolumen ständig abnimmt, werden in den neunziger Jahren in Städten wie Wien oder Salzburg bis zu vierzig Prozent der Arbeiter im Bau- und Baunebengewerbe auf dem Gebiet des Restaurierens und Revitalisie-rens tätig sein. Diesen gewandelten Bedingungen entsprechen die Ausbildungsgänge im Informations- und Dokumentationszentrum für Handwerk und Denkmalpflege in Mauerbach und an der HTL Krems.

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