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Schipisten — ein Risiko ?

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Schwere Regenfälle im Sommer haben in letzter Zeit häufig Murenabgänge ausgelöst. Sind die allzu zahlreichen Schipisten schuld? Eine Studie ging dieser Frage nach.

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Schwere Regenfälle im Sommer haben in letzter Zeit häufig Murenabgänge ausgelöst. Sind die allzu zahlreichen Schipisten schuld? Eine Studie ging dieser Frage nach.

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Ein typisches Beispiel ist die Hochwasserkatastrophe in Axams vom Juli 1983. Noch lange Zeit danach hieß es, daß die Pisten im oberen Einzugsgebiet des Axamer Baches diese Katastrophe verursacht hatten. Genaue Untersuchungen im Jahre 1986 ergaben jedoch, daß neben dem starken Gewitter eine Baustelle am Schwemmkegel des Axamer Baches der eigentliche Grund dafür gewesen war. Von dort stammten die Erd- und Geröllmassen, die den Ort so verwüsteten.

Franz Greif von der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft zeigt in seiner vor kurzem fertiggestellten Studie mit dem Titel „Wintersporteinrichtungen und ihre Auswirkungen auf die Land- und Forstwirtschaft“, wie viele Probleme der Massenschilauf für die Umwelt mit sich bringt.

Er meint aber, daß bei der Beurteilung der negativen Folgen jedes Gebiet für sich betrachtet werden muß und nicht generalisiert werden darf.

So gibt es auf der einen Seite viele schlecht angelegte und nicht ausreichend gepflegte Pisten, die sehr wohl große Gefahren bezüglich Erosionen und Murenabgängen darstellen.

Auf der anderen Seite wurde die öffentliche Sicherheit in manchen gefährdeten Gebieten gerade durch die Zunahme von Wintersportanlagen erhöht, da dort La-winenverbauungen und Lawinendämme errichtet wurden.

In den letzten 20 Jahren ist es infolge der steigenden Ansprüche der Wintergäste und der immer größer werdenden Förderleistung der Aufstiegshilfen zu einem regelrechten Boom im Pistenbau gekommen.

Bereits 4.000 Schlepplifte, Sessellifte und Seilbahnen gibt es derzeit in Österreich. Allein in Salzburg werden in der Hochsaison 780.000 Personen pro Stunde die Berge hinaufgebracht, damit sie dann auf 5.500 Hektar Pistenfläche hinunterwedeln können.

Vor allem die Verteilung der Aufstiegshilfen wird von Greif kritisch betrachtet. So befinden sich zwei Drittel aller Lifte und Seilbahnen des Landes Salzburg in nur 27 der 120 Salzburger Gemeinden. Derartige Konzentrationen mit bis zu 60 Liften pro Gemeinde gibt es aber nicht nur in Salzburger Schihochburgen, sondern in ganz Österreich.

Und die Entwicklung geht auch weiterhin in Richtung solcher Schizentren. Doch gerade in solchen Bereichen sind Vegetation, Boden und Tierwelt besonders starken Belastungen ausgesetzt. „Sanierungsmaßnahmen sind in bestimmten Gebieten sehr dringend geworden“, warnt Greif.

Immer wieder kritisieren Umweltwissenschaftler ganz konkret bestimmte Eingriffe in den Naturhaushalt und warnen vor den Folgen:

• So können die Pistenpflegege-räte den Boden so stark verdichten, daß die Pflanzenwurzeln ihn nicht mehr durchdringen können. Die Pflanzen sterben ab, und es kommt zu vermehrtem Öberflä-chenabfluß und zu Erosionen.

• Bodenversalzungen und Schädigungen der Bodenstruktur sind die Folgen der chemischen Präparierung.

• Die durch die Pistenschneisen neu geschaffenen Waldränder sind besonderen Belastungen wie der Windwurfgefahr ausgesetzt.

• Bei niedriger Schneelage wird die Vegetation durch die Schikanten kleinflächig abgeschert.

• Eine ständig wachsende Gefahr für die Jungwaldkulturen stellen die Schifahrer dar, die Tiefschneeabfahrten suchen und sich dabei manchmal sogar ihren Weg durch die Abzäunungen mit Hilfe von Drahtzangen bahnen. Die Jungbäume werden von den Stahlkanten verletzt oder abrasiert.

Die Warnungen und so manche der bereits eingetretenen Schäden und Katastrophen werden jedoch angesichts der wirtschaftlichen Vorteile des Fremdenverkehrs leicht vergessen. Vertraglich festgelegte Entgelte für die Flächenbe-- - nützung bedeuten für viele Bauern ein wertvolles Zusatzeinkommen, und als Liftwart kann man auch einiges verdienen.

Zur Verbesserung der Infrastruktur errichten Seilbahnunternehmen Zufahrten zu Hofgebäuden und Grundstücken und versorgen entlegene Gebäude mit Wasser, Strom und Telefon. Außerdem werden durch die Anlage von Schipisten zusätzliche Grasflächen anstelle früher unproduktiver Flächen für die Bauern geschaffen.

Die Düngung und Pflege dieser Grünflächen hat die Seilbahnwirtschaft übernommen. „Alibigrün“ wird diese Begrünung von Schipisten des öfteren bezeichnet. Doch gerade diese Wiesenflächen sind unbedingt notwendig, um den Wasserabfluß zu verzögern und den Boden vor Erosionen zu schützen.

Aus den gleichen Gründen wird auch heute nicht mehr jede Unebenheit einer Piste planiert, außerdem vielerorts der Oberboden mit dem wertvollen Humus vor einer Planierung abgegraben, danach wieder aufgetragen und sofort begrünt, damit er nicht weggeschwemmt wird.

Aber auch wenn man den Seilbahnunternehmern und Pistenverantwortlichen zugestehen muß, daß sie — mehr oder weniger aus wirtschaftlichen Gründen — schon einiges zur Gefahrenverminderung beigetragen haben, „sollte sich in einem Fremdenverkehrsland wie Österreich doch der Gedanke durchsetzen, daß nicht in jedem Fall das technisch Mögliche auch realisiert werden muß“, meint Franz Greif. Gerade auf die Argumente der Umweltwissenschaftler ist intensiv einzugehen.

So sollte vor jedem neuen Pistenbau eine Eignungsuntersuchung einschließlich einer Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden. Ein genereller Pistenbaustopp ist nach den Ergebnissen der Studie nicht notwendig. Allerdings wird für jedes weitere Vorhaben die größtmögliche Schonung aller Naturfaktoren dringend empfohlen.

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