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Schleich-Transit via Brenner

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In dieser Woche beschäftigte sich der Tiroler Landtag erneut mit dem Landes thema Nummer eins: mit dem Transitverkehr. Schon vor allen Beschlüssen wurde klargestellt, daß der Landtag und daß die Landesregierung in dieser Frage eigentlich nichts zu bestellen haben. Aber man erhofft sich in Tirol, daß Minister Rudolf Streicher ah möglichst einstimmig gefaßten Beschlüssen des Landtages nicht Vorbeigehen kann.

Dieser Landtagssitzung ist vor ein paar Wochen ein von den drei kleineren Parteien geforderter “ Sonderlandtag“ vorausgegangen. Obwohl die ÖVP ein paar Tage vor der Sonderlandtagssitzung im Grunde dieselben Anträge verabschiedete wie die drei anderen Parteien, kam es zu keinen einstimmigen Beschlüssen, sondern zur Zuweisung der Anträge an Ausschüsse.

DasEintreten aller ÖVP-Abgeord- neten für ein Nachtfahrverbot bescherte der ÖVP eine Zerreißprobe sondergleichen: Heimgekehrt in Wirtschaftsbund und Handelskammer, wurden die sechs Vertreter der Wirtschaft des Verrates an den Bedürfnissen der (Verkehrs-)Wirt- schaf t bezichtigt.

In der Diskussion um das Nachtfahrverbot ist eine zweite Kehrtwendung der ÖVP, die wesentlich bedeutender ist, fast ganz untergegangen: Erstmals hat die ÖVP sich in diesem Frühjahr dazu bekannt, daß in Hinkunft die Tragfähigkeit des Landes - und nicht der Wunsch der in- und ausländischen Fuhrunternehmer - Richtschnur für die Behandlung der Transitfrage sein müßte. Das haben bisher nur als wirtschaftsfeindliche Spinner abgestempelte Grüne so gesagt.

Eine Halbierung des alpenüberquerenden LKW-Durchzugsver- kehrs wäre in der Tat möglich, ohne daß deshalb die Gesamtwirtschaft der EG zusammenbräche. Ein großer Teil aller Transporte über den Brenner ist entweder überflüssig oder er dient gar nur der illegalen Erschleichung von Ausfuhrrückvergütungen.

Daß es einen solchen Lieferscheintransit beträchtlichen Ausmaßes gibt, behaupten inzwischen auch nicht mehr nur die Bürgerinitiativen, sondern Abgeordnete der Volkspartei: Im Juni 1988 beauftragten, auch ÖVP-Abgeordnete die Tiroler Landesregierung, sie solle in Brüssel nachfragen, wie groß der Anteil des Lieferscheintransits am gesamten Verkehrsaufkommen sei. Wenn der nämlich bekannt sei, und er womöglich nach Einführung des E G-Binnenmarktes zum Teil wegfalle, müßten die bisher gültigen Verkehrsplanungen neu überdacht werden.

Wenn nun Österreich damit beginnt, die Belastbarkeit seiner Natur und die Geduld seiner Bürger zum Maß der Verkehrsströme zu machen, dann müßte man sich in Brüssel und anderswo den Kopf darüber zerbrechen, welche LKW- Züge man noch passieren läßt. Die legalen wie die illegalen Erschlei- cher von Exportunterstützungen können ohne Schaden für die Wirtschaft der Gemeinschaft draußen bleiben.

Das Nachtfahrverbot alleine wird das Problem des LKW-Transitver- kehrs durch Tirol nicht lösen. Natürlich wird es, gerade in Zeiten des stärksten Berufsverkehrs auf der Autobahn, zu gewaltigen täglichen Staus kommen. Das wird den Unmut der Bürger vermehren - und insgesamt die Einsicht, daß das hemmungslose und zum Großteil sinnlose Hin-und-her-Transportie- ren von Waren eine Verirrung ist.

Eine Gewichtsbeschränkung nach dem Muster der Schweiz hingegen würde zunächst auch die Zahl der fahrenden Einheiten vermehren - und das bis zum vollständigen Infarkt.

Der Autor ist Vorsitzender des Naturschutzbeirates der Tiroler Landesregierung.

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