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„Schließt keine Freundschaft..."

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Die westliche Welt steht fassungslos vor den Ereignissen im Iran. Für sie ist islamisches Denken, der islamische Staat und die islamische Wirtschaft irgendwie irreal. Alles, was in der abendländischen Welt an Grundsätzen gilt - die Menschenrechte, das Demokratieverständnis, die freie Marktwirtschaft -, gewinnt in islamischer Sicht andere Dimensionen, wird bestritten und macht letztlich die herkömmliche Form internationaler Verträge problematisch. Die Punktationen der Menschenrechtskonvention sind mit der absoluten Vorzugsstellung der Gläubigen und der Benachteiligung der Ungläubigen im islamischen Recht überhaupt nicht in Einklang zu bringen.

Der islamische Staat ist dem Grunde nach ein Gottesstaat und steht damit in schroffem Gegensatz zum demokratischen Staat, der auf dem Gedanken der Volkssouveränität beruht. Gottes Offenbarung im Koran ist keiner menschlichen Exegese ausgesetzt. Der Mensch hat auf die Offenbarung Gottes in der Natur und in der Verkündung des Propheten mit bedingungslosem Gehorsam und uneingeschränktem Glauben zu antworten. Der Gott des Islam ist der Herr und nicht der gütige Vater des Christen.

Die Grundlagen des islamischen Staates beruhen auf dem Koran, dem heiligen Buch des Islams mit seinen 114 Suren, die neben religiösen Geboten und Vorschriften zahlreiche moralische und bürgerliche Pflichten aufzählen, umfangreiche prozessuale Vorschriften bei Besitzstreitigkeiten, im Verfahren bei Scheidungen sowie im Falle des Erbganges enthalten und Regeln für die Verteilung der Beute bei erfolgreichen Kriegen aufstellen.

Im Koran sind auch die Regeln für den Verkehr mit den Ungläubigen verankert, die für die Haltung des islamischen Staates gegenüber den Staaten der Ungläubigen verpflichtend sind:

„O Gläubige.' Schließt keine Freundschaft mit solchen, die nicht zu eurer Religion gehören. Sie lassen nicht ab, euch zu verführen und wünschen nur euer Verderben..."

(3. Sure, 119)

„Glaubt nur nicht, daß die Ungläubigen dem Ratschluß Allahs auf Erden entkommen können! Ihre Wohnung soll das Höllenfeuer sein, und welch schlimme Reise ist es dorthin!"

(24. Sure, 58)

Schon diese Auswahl an Koran-Zitaten erklärt viele Erscheinungen im Iran.

Sowohl dem religiösen wie auch dem gesellschaftlich-staatlichen Bereich gehören die zahlreichen Vorschriften des Korans über Almosen und Almosengeben an:

„O Gläubige, gebt Almosen von den Gütern, die ihr erwerbt, und von dem, was wir auch aus der Erde Schoß wachsen lassen." (2. Sure, 268)

Hier hegen die Wurzeln für Zakat, die Armensteuer, und für Uschr, eine Art landwirtschaftlicher Produktionssteuer, die beide in Pakistan wieder eingeführt worden sind.

Ein wesentliches Anliegen Mohammeds war das Zinsverbot, das in verschiedenen Suren des Korans angesprochen wird:

„Die nur von Zinsen leben, werden einst mit Krämpfen auferstehen, als vom Satan Besessene - deshalb, weil sie sagen, Handel sei mit Zinsgeschäften gleich. Aber Allah hat den Handiel erlaubt und das Zinsnehmen verboten ... Dem Wucherhandel wird Allah wehren, die Tat der Almosen aber mehren." (2. Sure, 1761177)

Es ist fraglich, ob angesichts derartiger strikter Gebote ein islamischer Staat für internationale Anleihen der Vergangenheit Zinsen zahlen wird.

Im islamischen Staat haben sich die Machthaber den Rechtsgrundsätzen des Islams und ihrer verbindlichen Auslegung durch die Geistlichen zu beugen. In Gegensatz zu dieser schiitischen Lehrmeinung gibt es aber eine sunnitische Auffassung, die jeden Herrscher akzeptiert, der es den Muslimen ermöglicht, ihren religiösen Pflichten nachzugehen.

Die neue iranische Verfassung, für die die Iraner erst vor kurzem mit großer Mehrheit stimmten, macht die schiitische Lehrmeinung zum Gesetz. Der ursprüngliche Verfassungstext wurde von dem Rat der Verfassungsexperten, der zu zwei Drittel aus Geistlichen besteht, grundlegend umgearbeitet. Die Experten gingen dabei von den Gedankengängen aus, die Chomeini in einem im Exil verfaßten Buch „Wilayat e Faqih" (Herrschaft durch den Gesetzesgelehrten) niedergelegt hat:

Demnach ist der „Faqih", der islamische Gottes- und Gesetzesgelehrte, am besten geeignet, die Herrschaft in einem islamischen Staat auszuüben. In diesem Sinne fügten die Experten zu den im Entwurf vorgesehenen Ämtern des Staatspräsidenten und des Ministerpräsidenten noch das Amt des „Wali Faqih" hinzu, das Amt des „die Herrschaft ausübenden Gottesgelehrten".

Das neue Amt ist ganz auf Chomeini zugeschnitten: Denn der „Wali Faqih" verkörpert nach der Verfassung die Legitimität des Regimes. Er ernennt den Staatspräsidenten und bestellt die geistlichen Mitglieder des Uberwachungsrates, der wieder beurteilt, ob ein vom Parlament beschlossenes Gesetz dem islamischen Recht entspricht. Er ist oberster Befehlshaber der Streitkräfte, bestimmt die obersten Richter und erklärt Krieg und Frieden.

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