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Schlimme Gerüchte

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Schlimme Gerüchte gehen um. Die von den Organisatoren her- vorgehobene Offenheit und Freiheit des österreichischen Katholikentags soll — so hört man da und dort — nicht immer der Realität entsprechen. Es fällt das Wort „Zensur“; von „Intervention“ ist die Rede, von der „Umformulierung“ geplanter Redetexte, von römischen „Placets“, die angeblich Katholikentagsreden vorher erhalten müßten.

Auf bestimmte Gruppen soll „Druck ausgeübt“ worden sein, ihre Anliegen an den Papst zu „modifizieren“ oder noch besser erst gar nicht vorzubringen. Und schließlich hört man immer wieder, die „Ehrerbietung gegenüber dem hohen Gast“ verlange es, ihn mit „problematischen“ Dingen möglichst zu verschonen.

Schlimme Gerüchte, wie gesagt, die einen Schatten über das bevorstehende festliche Ereignis werfen. Vieles wird sich bei konkreter Überprüfung als unfundiert, übertrieben, vielleicht sogar als völlig falsch herausstellen. Anderes mag den Tatsachen nahekommen.

Doch auf jeden Fall sollte noch vor Beginn des eigentlichen Katholikentags von kompetenter Seite klargestellt werden: Gab bzw. gibt es bei diesem Katholikentag eine „Zensur“, kam es zu „Interventionen“, wurde den zuständigen Katholikentagsgremien von „höherer Stelle“ vorgeschrieben, was sie „hoffen dürfen“ und was nicht?

Und wenn ja: Wer „zensurierte“ was? Wer „intervenierte“ wo? Wer billigte wem nicht zu, sein Anliegen an den Papst heranzutragen? Und was waren die Motive allfälliger „Interventionen“?

Damit kein Mißverständnis entsteht: Niemand kann vom Papst oder seinen Mitarbeitern erwarten, in allem einer Meinung mit dem Österreichischen Katholikentag zu sein. Niemand kann auch ernstlich das Recht der Bischofskonferenz, einzelner Bischöfe oder führender Laienfunktionäre in Zweifel ziehen, in bestimmten Fragen des kirchlichen Lebens anderer Auffassung zu sein als die beschlußfassenden Gremien des Katholikentags. Und es ist nicht nur legitim, sondern sogar wünschenswert, daß sie ihre Meinung äußern und begründen.

Doch dies sollte auf jeden Fall öffentlich geschehen. Mit der „österreichischen Methode“, die Dinge einfach durch Interventio-

nen hinter/verschlossenen Türen zu „regeln“, wird der Sache nur geschadet und Gerüchten Tür und Tor geöffnet.

Wenigstens „halböffentlich“ erfolgten die Einwendungen einiger österreichischer Bischöfe gegen bestimmte Passagen des Katholikentagspapiers „Perspektiven unserer Hoffnung“ („viri proba- ti“, Frauenordination): Dem Katholikentagskomitee wurden sie zur Kenntnis gebracht, die Öffentlichkeit wurde über die Änderung am Katholikentagsdokument informiert.

Doch auch in diesem Fall wäre ein öffentlich vorgebrachter Einwand des einen oder anderen Bischofs zu begrüßen gewesen. Das „Volk Gottes“ (und der Papst) hätten durchaus erfahren „dürfen“ und sollen, daß Delegiertentag und Katholikentagskomitee mehrheitlich in diesen kontroversen Fragen eine bestimmte Auffassung vertreten und die betreffenden Bischöfe eine andere.

Geradezu beleidigend für Johannes Paul II. und entwürdigend für die Kirche in Österreich sind die Gerüchte, wonach man dem Papst mit Retuschen und unkritischer „Schönfärberei“ gefällig sein müsse.

Bei keiner einzigen Gelegenheit hat Johannes Paul II. auch nur die geringste Andeutung gemacht, daß ihm Offenheit nicht willkommen wäre. Im Gegenteil: Als ihm bei einem seiner Pfarrbesuche in Rom ein Gemeindemitglied eine kritische Frage über den Skandal um die Vatikan-Bank stellte, dankte der Papst dem Mann ausdrücklich für die Offenheit seiner Bemerkung:

„Es ist das erste Mal, daß ich bei meinen römischen Pfarrbesuchen auf eine solche Ehrlichkeit stoße“, erklärte er. Man sollte diesen Satz all jenen in Erinnerung rufen, die hierzulande meinen, man „ehre“ den Papst mit Servilität und „Huldigungsadressen“.

Die Kirche in Österreich ist nach dem Konzil einen Weg gegangen, der von dieser Offenheit gekennzeichnet war. Nicht zuletzt der österreichische Episkopat mit Kardinal König an der Spitze war ein entscheidender Garant dafür.

In der nachkonziliaren Kirche unseres Landes verbanden sich Erneuerungsbereitschaft mit Glaubenstreue, Einheit mit Pluralität, Loyalität gegenüber Rom mit Mut zur eigenen Verantwortung. Diskussionen wurden offen ausgetragen, Auffassungsunterschiede in Fragen, die nicht das Glaubensgut betreffen, immer als legitim, wenn nicht gar als Bereicherung angesehen, Kritik und Selbstkritik hatten stets einen Platz in der nachkonziliaren Kirche unseres Landes.

Dieser Weg hat sich als absolut richtig erwiesen. Extremismen und schwere Brüche, wie sie dei/ Kirche in anderen Ländern nach dem Konzil zu schaffen machten, gab es in Österreich nicht.

Diese nachkonziliare Entwicklung in Österreich gilt im Ausland als vorbildlich. Es wäre bedauerlich, wenn die Kirche in Österreich ausgerechnet bei diesem „Jahrhundertereignis“ von diesem bewährten Weg abginge.

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