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Schlüsselstaat Algerien

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Das afrikanische Gegenüber von Europa, die westliche Araber-Welt (Maghreb), umfaßt in Algerien, Mauretanien, Marokko und Tunesien 47,5 Millionen Einwohner. Im Laufe der letzten 20 Jahre und nach dem Ende der französischspanischen Kolonialregime, hat sich die Bevölkerung der ersten drei Staaten verdoppelt. Gebietsmäßig ist Algerien so groß wie seine drei Bruderstaaten zusammen. Und politisch gewinnt es zunehmend an Bedeutung.

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Das afrikanische Gegenüber von Europa, die westliche Araber-Welt (Maghreb), umfaßt in Algerien, Mauretanien, Marokko und Tunesien 47,5 Millionen Einwohner. Im Laufe der letzten 20 Jahre und nach dem Ende der französischspanischen Kolonialregime, hat sich die Bevölkerung der ersten drei Staaten verdoppelt. Gebietsmäßig ist Algerien so groß wie seine drei Bruderstaaten zusammen. Und politisch gewinnt es zunehmend an Bedeutung.

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Kaum hat Algerien 1962 den Befreiungskrieg gegen Frankreich mit Ostblockwaffen in der Hand und mit dem Kremlsozialismus als Gesellschaftssystem im Sinn gewonnen, schon focht es 1963 mit Marokko den ersten Sahara-Waffengang um die Wasserstellen von Hassi-Beida aus.

Als Oberst Boumedienne den Staatspräsidenten Ben Bella 1965 stürzte, und in einer unmenschlichen Weise einkerkern ließ, die seither dem neuen Regime den politisch düsteren Stempel aufdrückte, wurde der Wechsel auf die sowjetische Zukunft gezogen … und erst mit dem Tode Boumediennes 1978 suspendiert.

Die Männer um den Vertrauten von Moskau, Yahiaoui, zögerten sodann, ihre Posten und Macht gegenüber dem neuen Präsidenten-Regime Chadly Benjedids zu räumen, und jene zum Zuge kommen zu lassen, die eine Öffnung zur weiten Welt anstelle der bisherigen Zwangsjacke verheißen wollten.

Die allmächtige Militärpolizei „Securite Militaire“ hatte die Bevölkerung im Würgegriff. Die blühende Landwirtschaft wurde ruiniert, eine dilettantische, überdimensionierte, ideologische Industrie aus dem Wüstenboden gestampft. Das Volksnahrungsmittel Schafsfleisch kostete doppelt so viel wie in Frankreich und die einfachsten Versorgungsgüter wurden zur Mangelware.

Scharfe Zensur, Gängelung der Auslandsjournalisten, Abwürgung des Reiseverkehrs und schließlich 1975, der unerklärte zweite Sahara-Krieg Algeriens gegen Marokko (über die libysch-sowjetisch patronierte Polisa- rio-Front) rundeten das Bild ab.

Die Duldung des Transits von Gaddafis Putschistenkommando nach dem tunesischen Gafsa (26. Jänner 1980) führte innerhalb der staatlichen Einheitspartei „Front de Liberation Nationale“ (FLN) zum Sinneswandel.

Wie immer in autoritären Regimen, mußte auch Algerien die Intrigen seines Geheimdienstes um den Obersten Sli- mane Hofmann zügeln, die Wühlarbeit gegen das pro-westliche tunesische Bourguiba-Regime einstellen und den libyschen Subversions-Durchzugsverkehr in Richtung Süd-Marokko Mali und Mauretanien allmählich die Gastfreundschaft aufkündigen.

Mit dem alten Mutterland, Frankreich, ist Algerien schon 1979 in Erdgas-Sachen handelseinig geworden. Algier und Paris haben aber auch über die anhaltend engen menschlichen Beziehungen (Algerien war ein Departement Frankreichs) wieder zueinander gefunden. Darum soll es noch in dieser ersten Jahreshälfte einen Staatsbesuch von Algeriens Präsident Chadly in Paris geben. ‘

Die Öffnung der algerisch-tunesischen Grenze - auch für Jugendliche - zu Privatreisen markierte im Vorsom mer den Auftakt zu besseren Zeiten. Die Umarmungen auf Regierungs1, ebene waren so zahlreich und echt, daß der tunesische Minister ohne Portefeuille Beji Caid Essebsi zu seiner (offiziell nicht deklarierten) Vermittlungsmission nach Algier und Rabat aufbrechen konnte.

Anläßlich der Islamischen Weltkonferenz in Mekka, Ende Jänner 1981, auf den Stiegen zum Heiligtum Kaaba, konnte man sodann Marokkos König Hassan II. und Algeriens Präsidenten

Chadly Benjedid beobachten, wie sie sich auf halbem Wege trafen, die Arme weit ausbreiteten und einen kräftigen Händedruck demonstrierten.

Die mutmaßliche Regie der saudiarabischen Gastgeber ist wohl mit einem örtlichen Gebot des Islams erklärbar, politische Beobachter lesen aber vom Ereignis das Abflauen, wenn nicht, das Ende des zweiten Sahara-Krieges ab. Es wäre dies auch darauf zurückzuführen, daß Libyen die Invasion und darauffolgende Annexion des Tschad

ohne-Konsultierung oder Zustimmung Algeriens vollzogen habe.

Durch die erfolgreiche Befreiungsaktion der US-Geiseln aus der Khomeini- Haft wurde schließlich Algerien in den Mittelpunkt der amerikanischen und der Weltöffentlichkeit katapultiert. Die somit erschlossenen psychologischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten sind mit Gold kaum aufzuwiegen.

Während ein besonderes EWG-Bu- reau in Tunis mithelfen soll, jährlich 65.000 zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen, will Frankreich die marokkanische Phosphatindustrie innerhalb von fünf Jahren mit 75 Milliarden Schillingen auf die Beine bringen. .

Ein entsprechender Vertrag Marokkos mit der UdSSR (1978) erwies sich als ein Schlag ins Wasser der Atlantik- Küste, woöstblock-Kutter(ohne Fangausrüstung, was festgestellt wurde) bloß im politisch trüben fischten.

Anstelle ideologischer Kriege und „Befreiungsoperationen“ will auch Mauretanien nunmehr eher den friedlichen Aufbau in Angriff nehmen. Im regionalen Rahmen und mit dem Westen. Vor allem aber - und das ist auffällig - mit irakischem Segen.

Hochrangige Delegationsführer der Bagdader Ba’th-Partei Saddam Husseins haben der Reihe nach Mauretanien, Marokko und Tunesien besucht. Sie winkten mit politischer Zusammenarbeit, aber auch mit Wirtschaftshilfe und Krediten.

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