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Schluß mit dem Krieg!

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Die libanesischen Christen fühlen sich in Terror-Situationen allein gelassen Der Libanon, ein Land, wo einst Apostel lebten und dessen Kirche entscheidend zur Ausbreitung des Christentums im Nahen Osten beigetragen hat, ist seit zwölf Jahren das hauptsächliche Ziel von Attacken muslimischer Fundamentalisten und expansionistischer Bestrebungen der Nachbarländer. Von den früheren zwei Millionen Christen sind heute weniger als die Hälfte im Land. Und jene Christen, die in dem von Fun- damentalisten-Milizen besetzten Land leben, sind härtesten Verfolgungen ausgesetzt.

In einem kleinen Gebiet in der Nähe von Jounieh, das noch in christlichen Händen ist, kommt es fast täglich zu Terroranschlägen, denen Dutzende von schuldlosen Menschen zum Opfer fallen. Allein 1986 explodierten hier 21 Autobomben, die mehr als 500 Men- •schenleben forderten.

In den zwölf Kriegsjahren wurden die libanesische Wirtschaft und Industrie zu 80 Prozent zerstört. Durch Bombardements, Massaker und Attentate kamen 125.000 Christen ums Leben. Unter den Todesopfern waren 34 Priester und Ordensfrauen, die auf grausame Weise umgebracht wurden.

Am Eingang zu seiner Schule wurde in Tyrus der Direktor des Cadmus College, Pater Butros Abi Akl, von schiitischen Milizionären erschossen.

378 kirchliche Gebäude und Schulen wurden zerstört und niedergebrannt, viele Klöster und christliche Dörfer haben Bulldozer dem Erdboden gleichgemacht. Der drusische Fürst Walid Jum- blat sammelt in seinem Schloß in Mukhtara die Glocken der von seinen Milizen zerstörten Kirchen. Mehr ak 500.000 libanesische Christen sina heute Flüchtlinge im eigenen Land.

Im Libanon, wo vor dem Krieg an den fünf Universitäten 400.000 Hörer studierten, wächst jetzt eine Generation von Analphabeten heran. Obwohl die von der Kirche errichteten Schulen in drei Schichten arbeiten, werden diese von immer weniger Kindern besucht. Den Grund dafür nannte in einem Gespräch mit der FURCHE der maronitische Priester und Universitätsdozent, Pater Joseph Mouannes: „Jedesmal müssen die Mütter den Kindern den Weg zur Schule neu erklären, damit sie unterwegs nicht von den Scharfschützen erwischt werden.“

In dieser Situation, in der Terrorismus, Massaker, Geiselnahmen, Bombenanschläge und Zerstörung zum Alltag geworden sind, fühlen sich die libanesischen Christen allein gelassen. „Wir sind allein inmitten von Fanatismus und antichristlicher Einstellung. Links haben wir eine israelische, rechts eine syrische Armee. Unsere Heimat ist wie ein Fußballplatz; man spielt links, man spielt rechts, und wir können den Spielplatz nicht absperren. Wir sind keine Terroristen und möchten in Frieden leben. Die Christen im Libanon waren immer ein Element der Einheit und des Miteinanderseins, wodurch eine Gesellschaft pluralen Charakters in ethnischer und religiöser Hinsicht entstand. Schluß mit dem Krieg, Schluß mit den Waffen!“

Der libanesische Priester Gedauert auch, daß in vielen Ländern nur „gefilterte“ Nachrichten über die Lage im Libanon verbrei-' tet werden und seine Heimat als „Terroristen-Schlupfwinkel“ bezeichnet wird. Die Wahrheit aber sei, daß die Libanesen selbst Opfer des Terrorismus sind.

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