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Schlußrunde braucht gute Nerven

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In Genf wird das Pokergesicht zur Maske: Noch ein paar Wochen, dann ist entschieden, ob es zwischen den USA und der Sowjetunion zu einer Einigung über einen schrittweisen Abbau atomarer Mittelstreckenraketen kommt.

Moskau und Washington arbeiten mit allen Mitteln der Füh-rungs- und Verführungskunst. Kaum war dem Bonner SPD-Emissionär Egon Bahr in Ostberlin eröffnet worden, die "Nach-Nachrüstung des Warschauer Pakts gegen die NATO-Nachrü-stung würde furchtbar sein, lockt KPdSU-Chefgenosse Andropow mit neuen Flötentönen: Man würde SS-20-Raketen im Einigungsfall nicht nur abziehen (und östlich des Ural .neu postieren), sondern verschrotten!

Zum Thema Verschrotten kam eine interessante Angabe auch von US-Verteidigungsminister Weinberger: 1967 sei die Zahl aller US-Atomwaffen um ein Drittel höher gewesen als heute, die Sprengkraft gegenüber 1960 sogar um 75 Prozent gesunken.

Das beweist übrigens (selbst wenn man die Präzision solcher Angaben anzweifelt), daß die These, allein das Ansammeln immer neuer Kernwaffen müsse un-wei|erlich eines Tages zur Explosion führen, von einer völlig falsch gesehenen Faktenlage au^s-geht.

Die bereits relativ weitgehende Kompromißbereitschaft Andro-pows wieder zeigt, daß, wer seinerzeit den einseitigen Verzicht auf die NATO-Nachrüstung forderte, unentschuldbar handelte: Warum einseitig verzichten, wenn die Russen weitgehend nachgeben?

Daß es zu einer spürbaren Bewegung in den Verhandlungsfronten gekommen ist, war wohl auch ein Verdienst der Friedensbewegung, die den Unterhändlern Feuer unterm Sitzfleisch machte. Unverständlich und unverzeihlich war daher der jüngste Ausfall Präsident Reagans gegen „die" Friedensbewegung, als ob es nicht deren hundert gäbe, die einfühl-sam-differenzierter Behandlung bedürfen!

Auf jeden Fall ist die jetzige kritische Verhandlungsphase nur mit guten Nerven zu bestehen. Schlechte Nerven verrät, wer sich in dieser Stunde mit ungebetenen Ratschlägen einmengt, ohne den aktuellen Verhandlungsstand zu kennen.

Die SPD fordert eine Erstrek-kung der Verhandlungsfrist über das Jahresende hinaus, Altkanzler Kreisky auch. Was aber brächte das? Dieselben Probleme, um ein halbes Jahr verlängert. Wenn der Wille zur Einigung auf beiden Seiten vorhanden ist, kann diese auch heuer noch erfolgen.

Österreichs Armeekommandant Bernadiner sprach sich gar öffentlich gegen die NATO-Nachrüstung aus: In welche Weltr konkurrenz an Instinkt- und Phantasielosigkeit will Österreichs erster General sich da hineinpalavern?

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