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Schmale Basis

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Zwei Dinge lassen sich feststellen, wenn man den bunten und zeitweise aufregenden Film des Republikanischen Parteikonvents in Kansas-City vor dem inneren Auge abrollen läßt: der knappe Sieg.des amtierenden Präsidenten Ford über seinen konservativen Herausforderer Ronald Reagan, und Fords überraschende Nominierung des Senators Dole zum Mitstreiter und Kandidaten für: das Amt des Vizepräsidenten.

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Zwei Dinge lassen sich feststellen, wenn man den bunten und zeitweise aufregenden Film des Republikanischen Parteikonvents in Kansas-City vor dem inneren Auge abrollen läßt: der knappe Sieg.des amtierenden Präsidenten Ford über seinen konservativen Herausforderer Ronald Reagan, und Fords überraschende Nominierung des Senators Dole zum Mitstreiter und Kandidaten für: das Amt des Vizepräsidenten.

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Ist die ziffernmäßig kleine Republikanische Partei nach diesen erbitterten Vongefechten nun tatsächlich gespalten? Sind die Wunden, die der Bruderkampf geschlagen hat, bis zur Wahl im November heilbar? Man darf diese Frage wohl bejahen. Präsident Ford hat sich bei diesem Duell sehr zurückgehalten, oft die andere Wange dargeboten, statt zurückzuschlagen, er hat alles vermieden, was den Gegner hätte verbittern können. Kein Widerhaken blieb in Reagans Fleisch zurück. Vielleicht hat diese Zurückhaltung Ford sogar geschadet und den Eindruck verstärkt, er sei eben ein „blasser“ Politiker, dem Führerqualitäten fehlen. Aber er kann jetzt mit dem sicheren Gefühl in die Wahlschlacht ziehen, daß er keine Guerrilleros im Rük-ken hat. Mit der Wahl Senator Doles zum „Mitstreiter“ hat er überdies einen Mann an seine Seite berufen, der dem Reagan-Lager sehr nahesteht. Robert Dole steht nämlich rechts von der Mitte, ohne jedoch seine Aufgeschlossenheit für neue Ideen zu leugnen. Im Endeffekt hat sich also Ford durchgesetzt, ohne dabei seinen ideologischen Standort in der Mitte des politischen Spektrums merklich verlassen zu haben. Frei von jedem Pathos, hat er Festigkeit bewiesen und die Republikaner sind nun bereit, es mit dem in den Meinungsumfragen mit weitem Abstand führenden Carter aufzunehmen. Auch der geschlagene Reagan will dabei kräftig mithelfen, wenn man seinen Versprechungen glauben darf.

Ford startet mit der schmalen Basis von etwa 20 Prozent Republikanern und fünf bis acht Prozent Nicht-Republikanern, mit weniger also als einem Drittel des gesamten Elektorates, was die Frage aufwirft, warum die Wahl zum „Vize“ auf Robert Dole, einen Mann der gleichen politischen Couleur, fiel. Hätte der Präsident nicht besser einen weiter links stehenden Politiker berufen sollen, um seinen Wählerkreis zu verbreitern? Etwa einen Mann wie den Handelsminister Richard-son, einen „liberalen“ Republikaner, der noch dazu in der Watergate-Affäre zu den Verfolgern Nixons

zählte? Er hätte sich auch für Senator Baker aus Tennessee entscheiden können, den Millionen von Amerikanern als den führenden Republikaner im Watergate-Hearing vom Bildschirm her kennen. Statt dessen hat Ford mit Dole sozusagen sich selbst verdoppelt, so daß manche Kommentatoren von einem „Ticket“ Ford-Ford sprechen.

Und doch hat die Nominierung Do-les ihre Logik und ihre Berechtigung. Es ist die Logik eines Konzepts, das auf Ideologie und Programme verzichtet und alles auf die Persönlichkeit konzentriert. Ford will eben Ford zum Einsatz bringen, seine menschlich nahe und freundliche Art, seinen bescheidenen, grund-anständdgen Charakter, diesen Politiker ohne Pose, Pathos und Charisma, den Nachbarn, der unangesagt hereinschneit und den man dennoch ungern das Haus wieder verlassen sieht. Dole dagegen soll es mit dem moralpaukenden Carter aufnehmen, mit dem Mann, der öffentlich verspricht, er werde niemals lügen, und der behauptet, er habe nie gelogen, mit dem stereotyp lächelnden, angeblich in Wirklichkeit kalten und verschlossenen „Heililgen“, von dem niemand weiß, wo er politisch eigentlich steht und was hinter der von vielen vermuteten Maske steckt.

Dole ist ein witziger, sprachgewandter Redner, einer der schlagfertigsten im Senat, und sicherlich einer, der Carter aus seiner (angeblich erlernten) Zurückhaltung her-vorzulocken vermöchte.

Es soll also ein Kampf um die Sympathien der Wählerschaft geführt werden, nicht ein Kampf um Programme und Zukunftsvisionen. Ford dürfte es dabei genügen, auf seinen „Rekord“ zu verweisen, den er auch nicht zu verheimlichen braucht. Ford hat nämlich die Watergate-Krise, die Hysterie einer ganzen Nation, entschärft; und wenn ihm auch Zeitungen vorwerfen, er habe Nixon vor der „gerechten“ Strafe bewahrt, so fühlt doch eine breitere Öffentlichkeit, daß Haß und Hetze einmal ein Ende haben müssen, daß man eines Tages von vorn beginnen und dem Alltag Rechnung zu tragen hat. Ford hat zudem die

Nation aus dem Schock nach der Niederlage in Vietnam herausgeführt und dazu beigetragen, daß die Rezession überwunden wurde.

Ob freilich das alles für einen Sieg der Republikaner genügen wird, hängt nicht nur von Ford und den Seinen ab; Viel eher noch von dem Bild, das Jimmy Carter auf die Dauer auszustrahlen vermag. Carter kann keinen „Rekord“ vorweisen. Er muß mit Versprechungen und Visionen arbeiten, er wird nach wie vor das Mittelmaß, den Leerlauf, die Korruption in Washington attak-kieren. Es mag wohl stimmen, daß der amerikanische Wähler eine tiefe Skepsis gegenüber kostspieligen Projekten und Plänen hegt, und daß er überhaupt nach „rechts“ gerückt ist. Das will aber nicht heißen, daß er mit dem gegenwärtftgen Zustand zufrieden ist und ihn beibehalten will. Gelingt es Carter, auch nur einen Teil seines derzeitigen Vorsprungs in die Urnen zu retten, dann nützen Ford keine menschlichen Qualitäten und kein „Rekord“.

Immerhin — der Mensch kann nur mit den Waffen kämpfen, die ihm zur Verfügung stehen, und man muß Ford zubilligen, daß er die Waffen, die er besitzt, kiug eingesetzt hat.

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