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Schnee aus der Kanone

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Im Alpenraum zwischen Grenoble und Schladming gibt es über 12.000 Lifte und Seilbahnen und an die 40.000 Skiabfahrten. Im kleinen Gebirgsland Tirol sind zehn Prozent aller europäischen Aufstiegshilfen installiert. Die Skipistenfläche beträgt derzeit in Tirol 6.900 Hektar, in Salzburg 5.506 und in Südtirol 2.527 Hektar. Eine umfassende Studie im Auftrag des Europarates zeigt, daß vor allem durch großflächige Skipistenplanierungen im Waldbereich und oberhalb der alpinen Waldgrenze gravierende ökologische Schäden an Boden, Vegetation und Tierwelt hervorgerufen werden:

Rodungen und Geländekorrekturen für Skipisten bewirken zumeist eine starke Reduktion des Wasserretentionsvermögens. Die

Folgen sind erhöhter Oberflächenabfluß von Wasser, Bodenerosionen und erhöhte Wildbachgefährdung.

Die größten Verluste im Speicherungsvermögen des Bodens werden vor allem dann hervorgerufen, wenn durch die Planierungsarbeiten die gut wasserspeichernde Humusauflage verlorengeht. Die Folgen sind ein drei- bis zehnmal schlechteres Wasserspeicherungsvermögen als bei ungestörtem Boden und eine starke Zunahme des Oberflächenabflusses. Auf Almflächen mit Nutzung als Skipiste (nur Schneeprä- parierung und keine Geländeplanierungen) werden mit 41 Prozent mehr als doppelt so hohe Werte des Oberflächenabflusses wie im ungestörten Gelände gemessen. Die höchsten Abflußraten weisen planierte Skipisten mit künstlicher Rasenansaat auf. Der gesteigerte Oberflächenabfluß führte in einzelnen Bereichen, die unmittelbar an großflächige Erschließungen grenzen, zu einer deutlichen Zunahme der Wildbachgefahr.

Einen besonderen Problembereich stellen dabei Skipisten oberhalb der alpinen Waldgrenze dar: Dort ist eine dauerhafte Stabilisierung und Renaturierung großflächiger Skipistenplanierungen sehr schwierig und zum Teil sogar über Generationen unmöglich. Eine ökologisch ausreichende und auf Dauer stabile Begrünung kann mit dem heute verwendeten Saatgut nicht erreicht werden, da dieses an die ungünstigen klimatischen Bedingungen des Hochgebirges nicht angepaßt ist. Der Mangel an Höhenresistenz wird durch starkes Düngen kompensiert. Das Ergebnis sind pflegeintensive, instabile Kunst rasen mit ungenügendem Wasserspeicherungsvermögen und hohem Oberflächenabfluß.

Können durch Schneekanonen die ökologischen Schäden reduziert werden?

Neueste Untersuchungen, die unter Leitung des Autors in zahlreichen Skigebieten durchgeführt wurden, haben ergeben, daß Schneekanonen sowohl positive wie auch negative ökologische Auswirkungen haben:

Als positiv ist dabei zu beurteilen, daß durch Schneekanonen schneefreie Pistenbereiche weitgehend vermieden werden können. Dadurch ergibt sich eine deutliche Reduktion der mechanischen Schäden an Vegetation und Boden. Die im Beschneiungs- bereich mächtigere Schneedecke vermeidet außerdem ein tiefes Durchfrieren des Bodens. Wiederholtes Frieren und Auftauen des Bodens führt nämlich in stark befahrenen Pistenbereichen zu ökologischen Schäden.

Als negativ zu beurteilen ist, daß Schneekanonen einen „Kompaktschnee“ von großer Dichte und schlechter Luftdurchlässigkeit erzeugen. Ab Mitte März kommt es unter stark verdichteten Pisten an Boden und Vegetation zu Erstickungserscheinungen, die umso gravierender sind, je größer die Schneehöhe ist und je länger der Schnee im Pistenbereich liegenbleibt. Abgesehen von Gebieten mit Frühjahrstrockenheit, wo sich die zusätzliche Bodenfeuchtigkeit positiv auswirkt, stellen Schneekanonen zumeist eine zusätzliche Belastung für die Vegetation dar. Für den Betrieb von Schneekanonen darf außerdem nur Wasser von Trinkwasserqualität verwendet werden. Bei Verwendung von hygienisch bedenklichem Wasser kann es zu einer Verschmutzung von Quellen kommen.

Neben dem hohen Wasserverbrauch von Schneekanonen ist auch zu beachten, daß die Schmelzwassermenge im Frühjahr wesentlich erhöht wird. Eine Kunstschneeschicht von 40 Zentimeter enthält pro Quadratmeter zirka 180 Liter Wasser. Um Schäden im Pistenbereich und im angrenzenden Wald zu vermeiden, müssen Kunstschneepisten über ein besonders gutes Ableitungssystem für Schmelzwasser verfügen.

Wegen der möglichen negativen ökologischen Auswirkungen sollten Schneekanonen daher erst nach einer umfassenden Umweltverträglichkeitsprüfung installiert werden. Nur so können nachhaltige Schäden vermieden werden.

Der Autor ist Professor am Institut für Botanik, Abteilung Ökologie, der Universität Innsbruck.

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