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„Schnelle Küche“ im Aufwind
Fertiges Essen aus Dosen, Schalen, Gläsern und Sackerln wird immer beliebter. Ein Phänomen unserer Zeit, das passionierte Hobbyköche und gestandene Profis der gehobenen Kochkunst mit Verachtung strafen. Zu übersehen ist jedoch die Entwicklung angesichts von hundert Millionen Dosengerichten, die jährlich in Österreichs Haushalten verspeist werden, nicht mehr.
Die Hersteller und Händler reiben sich die Hände ob der Gewinne, die sie in schöner Regelmäßigkeit erzielen, und versuchen den Markt mit ständig neuen Ideen in Schwung zu halten. Aufmerksame Beobachter der sich verändernden sozialen Strukturen und Verhaltensweisen haben zudem durchaus plausible Erklärungen zur Hand, wenn es um den Trend zur „schnellen Küche“ geht.
Der Griff ins Regal nach Dosengulasch, Fertigsuppe oder Fleischaufstrich wird kaum mehr als Absage an die Eßkultur eines Landes verstanden, das auf eine große Küchentradition verweisen kann. Im Gegenteil.
Die heimische Nahrungsmittelindustrie scheint viele typisch österreichische Gerichte erst durch deren Dosendasein vor der endgültigen Verbannung aus dem privaten Haushalt zu bewahren, ja sogar salonfähig zu machen. Gute alte Hausmannskost, die mit vielen kleinen und feinen Unterschieden auf die völkische Vielfalt der Monarchie zurückgeht, wird nur noch äußerst selten wirklich selbst zubereitet.
Mögen auch viele Rezepte aus Großmutters Tagen in Vergessenheit geraten sein, der tiefere Grund für die Abkehr vom Selbstgemachten liegt im gesellschaftlichen Wertewandel, der die Koch- und Eßgewohnheiten nachhaltig beeinflußt. Und geprägt ist von einer Zeit, die einem ständig zu knapp wird.
Das Rollenbild der Hausfrau hat sich in den letzten dreißig Jahren deutlich geändert. Das Klischee vom braven Mütterchen, das täglich mehrere Stunden mit dem Kochen zubringt, ist Vergangenheit. Haushaltsmanagerin wäre eine eher passende Bezeichnung für die moderne Frau, die neben Kindererziehung und Berufstätigkeit auch ihren Anspruch auf Freizeit und Selbständigkeit geltend macht.
Zudem schwindet der Mythos des Selbstgekochten mit dem wachsenden und abwechslungsreichen Angebot im Lebensmittelhandel. Nicht nur Kräftig-Deftiges läßt die Hausfrau nach der Dosen- oder Tief kühlkost greif en, auch leichte Kost mit weniger Kalorien verlockt zur Rationalisierung der häuslichen Verpflegsge-wohnheiten.
Hat man im fernen Ausland zudem die eine oder andere exotische Spezialität kennengelernt, warum nicht sich via Fertiggericht einen Hauch von Urlaub auf den Teller holen.
Die These von Geschmäckern, die verschieden sind, findet heute deutlicher denn je ihre Bestätigung. Das Zeitalter der Macs und Snacks ist gekennzeichnet von kulinarischen Extratouren in allen Altersgruppen. Mann und Kinder erscheinen zu unterschiedlichen Essenszeiten und wollen jeweils „ihre“ warme Mahlzeit kredenzt, und das möglichst schnell, wo sie doch gleich wieder draußen sind bei der Tür.
Die „Satellitenfamilie“ ist ebenso wie die wachsende Zahl der Klein- und Singlehaushalte oder der Trend zu kleineren Portionen international ein starker Förderer des Fertiggerichtemarktes.
Daß diese Entwicklung manchen Verfechtern der „konventionellen“ Küche oder makrobioti-schen Gesundheitsaposteln nicht gefällt, tut der Popularität traditioneller wie auch neuer Dosenkreationen keinen Abbruch.
Immerhin ist jene Vision, wonach Herr und Frau Österreicher ihren Gusto nur noch aus der Dose stillen, ebensowenig realistisch wie der tagtägliche Weg in irgendeinen „Haubentempel“ der Extraklasse. In beiden Fällen gäbe es sehr bald etwas zu verlieren. Hier die Lust an der „schnellen Küche“ und dort — die Hosen.
Der Autor ist Public Relations Berater in Wien.
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