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Schöffeis Erben

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Sind jene, die ein Stück Auwald bei Hainburg retten wollen, die das letzte Stück offener Donaulandschaft in Österreich bewahren wollen, die sich damit auch gegen wirtschaftliche Interessen stellen, grüne Phantasten? Chaoten?

Dann war auch Josef Schöffel (1832 bis 1910), der legendäre „Retter des Wienerwaldes”, einer. Angefeindet zu seiner Zeit, anerkannt erst in unserer. Er wollte für seine Gegenwart und für zukünftige Generationen die „grüne Lunge” der Millionenstadt Wien bewahren, er wollte — gegen wirtschaftliche Interessen — die weitgehend unangetastete Wald- und Wiesenszenerie in ihrer Schönheit und ökologischen Harmonie erhalten.

Schöffel kann uns heute Vorbild sein, Vorbild im Ringen um die Erhaltung jener 20 Prozent noch unverbetonierter offener Donaulandschaft in Österreich, die vorerst „gerettete” Wachau miteingeschlossen. Denn auf die Rettung dieser Landschaft können die Österreicher — vor allem die Jugend — nicht verzichten.

Dies bedeutet keine Ablehnung der Nutzung der Wasserkraft als reinste Energiequelle. Aber die letzten 60 Kilometer freier Donaustrecke müssen unversehrt bleiben.

Der derzeitige Stand der Wasserkraftnutzung beträgt 70 Prozent. Laut Planung der Elektrizitätswirtschaft sollen innerhalb der nächsten 14 Jahre mehr als 50 Wasserkraftwerke gebaut werden. Das bedeutet, daß 1998 das wirtschaftlich mögliche Wasserkraftpotential voll ausgenützt sein würde. Also Totalverbau der Täler, Nutzung der Wasserkraft bis zum letzten Flüßchen.

Bald wird der schrankenlose Wasserkraftwerksbau seine Grenzen an der österreichischen Landschaft finden.

Es gilt flexibler zu werden. Es gilt, das Hoffnungspotential schöpferischer Phantasie für einen Ausgleich von Ökologie und Ökonomie einzusetzen, für die Versöhnung zwischen Wirtschaft und Technik einerseits sowie Natur- und Umweltschutz andererseits. Geistig umdenken, organisatorisch umlenken.

Die (sinnvolle) Arbeit geht in Österreich nicht aus: Förderung von Energiesparmaßnahmen, Umlenkung und Umschichtung des Arbeitskräfteeinsatzes auf andere Branchen, etwa Altstadtsanierung, Ausbau des Straßennetzes, auf Umweltschutz-Erzeugnisse und andere aussichtsreiche Innovationen. Dafür lohnt es sich, Phantasie zu entwickeln.

Der neue Idealismus und „grüne Patriotismus” gibt dazu den Anstoß.

Daß er auch Anstoß erregt, hat auch Josef Schöffel erfahren müssen. Er hat unter größten Anfeindungen und gegen gewaltige Widerstände durch aufrüttelnde Publikationen (so im „Wiener Tagblatt” in den Jahren 1870 bis 1872) und Reden den bereits beschlossenen Verkauf des Wienerwaldes an ein Holzschlägerkonsortium verhindert. Dabei vertrat er, der sich auch 1873 bis 1882 als Bürgermeister von Mödling — das ihn heute noch mit einem Denkmal ehrt - bewährt hat, als einer der ersten praktisch die politische Idee des Heimat- und Naturschutzes.

Schöffel kann allen Auschüt-zern und Grünen, denen es um die Erhaltung der Natur und nicht um die Zerstörung der Gesellschaft geht, als Vorbild dienen. Sein unermüdliches Ringen um die Erhaltung des „Möns Cetius”, das schließlich von Erfolg gekrönt war und das uns heute noch das schöne Erlebnis des Wiener Wald- und Wiesengürtels in einer vielfach unberührten Landschaft ermöglicht (keine andere Weltstadt hat übrigens eine solche „grüne Lunge” vor der Haustür), ist Ansporn und Ermutigung.

Bei beharrlichem und geeintem Einsatz werden die Grünen aller politischen Gruppierungen so wie Schöffel ihre Rettungsziele erreichen.

Die gesamtösterreichische Soli-darisierungswelle, welche die Auschutzbesetzer in ihrem Unternehmen (8. Dezember bis 6. Jänner) bestärkte, zeigte, daß es hier auch um ein Anliegen der österreichischen Nation geht.

Daran ändert auch die Teilnahme einiger Chaoten nichts. In der Hainburger Au waren 95 Prozent Idealisten aller Altersstufen, besonders vieler junge Menschen. Und nur Idealisten harren so lange in Kälte und Schnee aus.

Es trat zudem auch eine religiöse Dimension zutage, eindrucksvoll nicht zuletzt bei der Mitternachtsmette in Stopfenreuth manifestiert, wodurch — und Kardinal Franz König und Bischof Dieter Knall wußten dies wohl zu würdigen — die Gewißheit erhärtet wurde, daß es sich bei vielen Grünen sehr wesentlich um Menschen handelt, die Ehrfurcht vor Schöpfer, Schöpfung und Geschöpf haben.

Das ist eine Dimension, die in die Zukunft weist: das Anliegen, nicht nur gegenwärtigen, sondern auch künftigen Generationen die Harmonie der österreichischen Natur- und der damit engst verflochtenen Kulturlandschaft — trotz aller Schrammen und Verunstaltungen — zu bewahren.

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