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Schöner Traum

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Nach einer im Dezember 1975 vom europäischen Wirtschaftsmagazin „Vision“ veröffentlichten Aufstellung europäischer Finanzplätze liegt Wien — was seine Börsenumsätze und den Wert der an der Wiener Börse gehandelten Papiere betrifft — klar abgeschlagen an letzter Stelle. Selbst in Madrid wird jährlich das Fünf-undächtzigfache der Wiener Börsenumsätze abgewickelt.

Ob eine Metropole den Status eines internationalen Finanzplatzes genießt, ist keine Frage der Größe des Hinterlandes, oft nicht einmal von der Bedeutung der ansässigen Industrie abhängig. Es ist dagegen vor allem eine Frage der Devisen-und Steuergesetzgebung, des infrastrukturellen Angebots, des politischen Klimas und der geopolitischen Lage. Allen diesen Erfordernissen entspricht der Mini-Finanzplatz Wien nur in mäßiger Weise.

Vor Jahren schon stieß der Generaldirektor der Creditanstalt-Bank-verein, Heinrich Treichl, mit dem Vorschlag vor, über devisenrechtliche und steuerliche Erleichterungen die Bedeutung Wiens als internationalem Finanzplatz zu stärken. Politik und Wirtschaft bezeugten großes Verständnis, die Presse widmete diesem Thema sogar Leitartikel. Doch schon vor einiger Zeit ist Treichl zur Auffassung gelangt, daß sich die Situation des Finanzplatzes Wien eigentlich noch verschlechtert hat. Im Zu-

ge der scharfen geldpolitischen Konjunktur-Restriktionsmaßnahmen wurde der Geld- und Kapitalverkehr mit dem Ausland großen zusätzlichen Beschränkungen unterworfen, den Ausländern sogar der Erwerb von Aktien an heimischen Gesellschaften untersagt und überdies auch das Versprechen, die doppelte Steuerbelastung auf Aktien und Vermögen aufgehoben, nicht eingelöst.

Obwohl die Bilanzsummen nicht der einzige Indikator für die Bedeutung einer Bank sein können, muß es dennoch überraschen, welch untergeordnete Rolle die Wiener Großbanken unter den internationalen Bankkonzernen spielen; die Nummer Eins unter den österreichischen Banken, die Creditanstalt-Bankverein, liegt nur an 107ter Stelle, die zweitgrößte heimische Bank, die Girozentrale, ist gar nur an 165ster Stelle placiert (1975 betrug das Volumen beider Bankenbilanzen immerhin 20 Prozent des österreichischen Bruttosozialproduktes). Diese bescheidene Rolle im internationalen Banken-Konzert ist sicherlich auch Ausdruck einer Strukturschwäche im Kreditapparat, wie das der Generaldirektor der Girozentrale, Karl Pale, formuliert hat. Schließlich \ ist in der Schweiz die Bilanzsumme der drei größten Banken etwa dreimal so groß wie die Umsätze der drei größten Unternehmungen, in den Niederlanden gleich

groß, in Österreich dagegen weniger als halb so groß. Zahlspielerei? Eben * nicht, wenn man bedenkt, welche wichtige Rolle die schweizerischen und niederländischen Banken in der internationalen Banken-Welt spielen. Eine Rolle, die weit über die wirtschaftliche Bedeutung beider Staaten hinausreicht.

Dabei zählt der Kreditapparat zu den außerordentlich dynamischen Sektoren der österreichischen Volkswirtschaft. Selbst im Rezessionsjahr 1975 erreichten etwa die Aktienbanken ein Wachstum von durchschnittlich 20 Prozent.

Dennoch dürfte das Wachstum des österreichischen Kreditapparates in den nächsten Jahren weniger stürmisch als in der Vergangenheit verlaufen. In den sechziger Jahren wurden bereits die größten Expansionsmöglichkeiten im Inlandsbebereich ausgeschöpft; auch das Wachstum der Banken-Zweigstellen zeugt davon. Seit Beginn der siebziger Jahre drängt es die österreichischen Banken ins Ausland. Den Anfang setzte der Creditanstalt-Bank-verein mit einer Beteiligung an der europäischen Bankengruppierung EBIC (European Banks International Company); ihr folgte die österreichische Länderbank mit einer Beteiligung an der ABECOR-Gruppe.

Diese Schwalben bringen dem Finanzplatz Wien freilich keinen Sommer. Sie sind, da der Kreditapparat von der Politik nur im Zusammenhang mit Personalfragen von Interesse ist, der mühsame Versuch, dem österreichischen Kreditapparat auch ein internationales Profil zu geben; ein Versuch, dem es an geeigneter Unterstützung durch die Wirtschaftspolitik mangelt.

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