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Schöneres Geschlecht?

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Frauen sind das schönere Geschlecht. Das weiß jeder! Um von Anfang an keine sprachliche Un-genauigkeit aufkommen zu lassen: das weiß auch jede! Daran haben auch Jahrzehnte Frauenbewegung nichts Wesentliches ändern können. Nicht, daß ich darin ein Scheitern der Frauenbewegung sehen würde — es ist einfach die belastete Tradition, das Bewußtsein, das noch zu tief sitzt, um es mit einem Achselzucken (oder bei diesem Thema vielleicht: selbstbewußten Hüftschwung) abschütteln zu können.

Vielleicht fragt man sich, warum sollen die Frauen dieses Eti-

kett des schöneren Geschlechts auch abschütteln? Hören sie das nicht gerne? Was ist daran belastend, schöner als jemand anderer zu sein? Ist das nicht eher ein großzügiges, pauschal verliehenes Kompliment an eine große Gruppe, deren einzelne Vertreterinnen — wenn mann sich ehrlich ist - ja oft gar nicht so den damit verbundenen Vorstellungen entsprechen?

Eben! Schöner sein zu sollen als jemand anderer bedeutet auch immer Verpflichtung. Bedeutet -wieder einmal für Frauen - das Hineinschlüpfen in Bilder und Sichtweisen, die vom Blickwinkel des Mannes bestimmt sind.

Meint denn die Beschreibung „schöneres Geschlecht“ das vielfältige Erscheinungsbild von Frauen? So etwas wie eine grundsätzlich größere Attraktivität der Gesichter, der Körper? Eine stärkere erotische Ausstrahlung durch die unterschiedlichen Haarfarben, -längen?

Das allein kann es doch nicht sein. Denn im individuellen Vergleich zwischen Frauen und Männern kann das stimmen, es kann aber auch vollkommen unzutreffend sein. Daran allein kann sich die Vorstellung des Schöner seins -nicht festmachen.

„Entkleidet“ man den Begriff hin auf die objektiv feststellbaren körperlichen Unterschiede von Frauen und Männern, wird es für mich klarer: schöner zu sein, weil

Frau, heißt dann wohl, daß ein Mann die typisch weiblichen Körperteile, die weiblichen „Sexualattribute“ schöner, attraktiver findet, als seinen eigenen Körper als Mann.

Dem widerspricht weder eine meiner Einschätzung nach sehr vordergründige „als ob unüber-trefflich“-Haltung vieler Männer, die sich ja meist auf einen einzigen Körperteil reduziert. Und auch nicht eine scheinbar viel größere Gelassenheit gegenüber erworbener körperlicher Unat-traktivität nach geltenden Schönheitsidealen (beispielsweise übermäßiger Bauch).

Dem ist auch nicht mit der Antwort „Das ist ja ganz natürlich“ beizukommen. Denn dann müßte es eine Wechselseitigkeit dieser Auffassung geben, dann müßten für einen Großteil der Frauen die Männer das schönere Geschlecht sein. Und außerdem wäre dies wieder nur eine Verdrängung von sich seit Jahrhunderten ereignenden Verdrängungen: jener einer zum geglückten Menschsein unabdingbaren umfassenden (und daher auch körperlichen) Selbstliebe und jener eines ebenso notwendigen Sehens und Akzeptierens von erotischen Gefühlen und Erfahrungen innerhalb des je eigenen Geschlechts.

Ich beobachte und erlebe, wie sehr der Lustgewinn von Männern zu Lasten von Frauen entsteht; wie oft Frauen diesen Lustgewinn erbringen, indem sie Bildern, Klischees dienen, die ihren eigenen Gefühlen entgegenstehen; um wieviel negativer das Selbstbild von Frauen ist — was ihre eigenen sexuellen Wünsche und Gefühle betrifft -, je (män-ner-)angepaßter sie sich verhalten.

Das gilt für individuelle Beziehungen genauso wie für das gesamtgesellschaftliche Klima von Sinnlichkeit, Erotik, Sexualität zwischen Frauen und Männern.

Könnte es sein, daß das mangelnde Selbstwertgefühl von Männern, die ihren Körper als nicht schön, nicht anziehend genug empfinden - Frauen so oft zu Opfern männlicher Lust werden läßt? Frauen sind die Schöneren-die Last haben sie zu tragen!

Die Autorin ist Generalsekretärin der Katholischen Frauenbewegung Österreichs.

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